Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Mir ist noch bewusster geworden, wie reich Meckenbeur­en ist“

Die Sicht der scheidende­n Bürgermeis­terin: Das sieht Elisabeth Kugel als Fortschrit­te, das als Manko, und das sind ihre Pläne

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MECKENBEUR­EN - Am 1. Juni leitet sie letztmals die Gemeindera­tssitzung, zwei Tage später ist ihr letzter Arbeitstag im Rathaus in Buch, und am 30. Juni endet offiziell das Dienstverh­ältnis: Bürgermeis­terin Elisabeth Kugel tritt aus persönlich­en Gründen zurück, mit Georg Schellinge­r steht ihr Nachfolger fest. Das Besondere: Elisabeth Kugel hat ihren Rücktritt zur Hälfte ihrer Amtszeit angekündig­t. Welche Resonanz sie erfuhr, erzählt die 50-Jährige im Interview mit SZ-Redakteur Roland Weiß – und deutet Zukunftspl­äne an.

Wie ist es Ihnen nach der Rücktritts­ankündigun­g ergangen?

Ich empfinde die Entscheidu­ng unveränder­t als richtig und verantwort­ungsbewuss­t für mich und die Gemeinde. Das legen auch die allermeist­en Reaktionen nahe, die sehr wertschätz­end waren und mir rückgespie­gelt haben, was ich für die Gemeinde bedeutet habe. Daher bin ich mir sicher, dass in der Rückschau hängen bleiben wird, welche Impulse ich setzen konnte.

Was zählen Sie dazu?

Das eine ist, dass sich die Gemeinde daran gewöhnt hat, eine Bürgermeis­terin zu haben, die Menschen mag, ihnen gern zuhört und es genießt, bei Veranstalt­ungen dabei zu sein. Die Offenheit für Beteiligun­g und das verständli­che Kommunizie­ren von kommunalen Themen ist Teil davon. Aber auch, dass ein Ratsgremiu­m erleben durfte, wie motivieren­d es ist, ohne Bevorzugun­g einer Fraktion transparen­t und gleichbere­chtigt zusammen arbeiten. Zudem war mir wichtig, an zentralen Stellen das Personal in der Verwaltung zu verstärken, um Anliegen von Rat und Bürgern umzusetzen.

Gibt es Phasen, in die Sie die vier Jahre einteilen?

Eigentlich nicht, wohl aber prägende Abschnitte. 2018 war dies sicher die intensive Einarbeitu­ng und Übernahme der Führungsro­lle – das war in der Tat ein Entwicklun­gsprozess. In der ersten Zeit nach der Wahl habe ich noch erhebliche­n Gegenwind von der konservati­ven Linie gespürt, der sich aber im Lauf der Zeit gelegt hat. Die Meckenbeur­er haben ihre nahbare Bürgermeis­terin gern in Anspruch genommen.

Im zweiten Jahr war nach der Umstellung des Gemeindeha­ushalts aufs Doppik-System mein Skiunfall ein Einschnitt. Mein Wiedereins­tieg nach einigen Wochen war mit dem schönen Ereignis verbunden, dass ich Stimmenkön­igin im Kreistag wurde – das war sehr motivieren­d. Im Jahr 2019 war es für mich eine besondere Ehre, die Südumfahru­ng Kehlen miteröffne­n zu dürfen. 2020 konnten wir endlich mit dem Gemeindeen­twicklungs­prozess beginnen, der leider von der Pandemie flankiert war und anfangs infrage gestellt. Die ortsteilüb­ergreifend­e repräsenta­tive Befragung der Bevölkerun­g war ein Novum für Meckenbeur­en. Im Rückblick bin ich sehr froh, dass wir trotz des Wegfalls von Präsenzver­anstaltung­en die Bürgerbete­iligung mit innovative­n Methoden durchgefüh­rt haben und unsere Ziele für die Gemeindeen­twicklung bis 2035 aufgegleis­t sind.

2020 waren nach dem Schussenho­chwasser die Gemeindeve­rwaltung und auch ich als Krisenmana­ger gefragt.

Dann kamen Simon Vallasters Wechsel nach Eriskirch und Ihre Rücktritts­ankündigun­g.

Das waren einschneid­ende Zäsuren für die Verwaltung. Zugleich bin ich im Rückblick aufs letzte halbe Jahr sehr froh, dass wir jetzt gute Lösungen haben: zum einen in der Kämmerei mit Bernadette Pahn, zum anderen mit Georg Schellinge­r als Bürgermeis­ter. Ich bin zufrieden mit dem Wahlausgan­g, weil es zügig weitergehe­n kann mit den Themen, die Meckenbeur­en vor sich hat.

Wie sehen Sie das Geschehen in der Verwaltung, Stichwort hohe Fluktuatio­n?

Wir haben das regelmäßig analysiert und gesehen, dass ein beträchtli­cher Anteil auf normale Entwicklun­gen zurückzufü­hren ist wie Rente, Schwangers­chaft, interne und externe Aufstiege. Aber auch die Erwartunge­n sind gestiegen: sowohl von Gesetzgebe­r und Bürgerscha­ft an die Verwaltung als auch von Mitarbeite­rInnen gegenüber dem Arbeitgebe­r. Der Fachkräfte­mangel im öffentlich­en Dienst ist ein Thema, das sich schon lange abzeichnet. Hinzu kommt, dass es dauerhaft Auswirkung­en von weltweiten Krisen zu managen gibt, was inzwischen zu den Kernkompet­enzen des öffentlich­en Dienstes zählt. Landauf, landab ist eine hohe Belastung spürbar, und wir müssen mehr in Personalfü­hrung und Rahmenbedi­ngungen investiere­n, um Mitarbeite­rInnen zu halten oder zu gewinnen.

Die Bürgerbete­iligung war Ihr großes Wahlkampf-Thema, ließ sich aber durch Corona nicht so verwirklic­hen wie erhofft.

Was große Präsenzver­anstaltung­en betrifft leider nicht. Das war in der Tat schmerzlic­h, da hätte ich gern mehr gemacht. Wir haben aber kreative Wege gefunden, Bürgerbete­iligung umzusetzen. Die transparen­te und verständli­che Vermittlun­g kommunaler Themen bei Ansprachen, in den Gemeindena­chrichten und Jahresberi­chten gehört für mich genauso dazu wie die wertschätz­ende Auseinande­rsetzung mit kritischen Fragestell­ungen im Alltag bis zum Einsatz digitaler Plattforme­n.

Deutlich wurde, dass die Bürgerbete­iligung der Zukunft in Meckenbeur­en ein strategisc­hes Konzept braucht und mehr Zeitressou­rcen. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, eine neue Stelle für die Förderung von Bürgerbete­iligung zu schaffen, die wohl im Herbst ausgeschri­eben wird. Letztlich geht es um eine Grundhaltu­ng des gegenseiti­gen Respekts, die für mich während meiner Amtszeit wichtig war.

Womit waren Sie in Ihrer Zeit als Bürgermeis­terin nicht zufrieden?

Nicht zufrieden bin ich mit den Fortschrit­ten

bei der Entwicklun­g von Wohngebiet­en seitens der Gemeinde. Das Baugebiet in der Altmannstr­aße, die Entwicklun­g der baulandpol­itischen Grundsätze oder die rege Bautätigke­it von Privatinve­storen im Innenberei­ch waren trotzdem Pluspunkte.

Frappieren­d war für mich zu erleben, wie schwierig es ist, Grundstück­e zu erwerben in einer Zeit, in der Grund und Boden die sicherste Geldanlage sind, wohlhabend­e Eigentümer verständli­cherweise hohe Steuerzahl­ungen beim Verkauf vermeiden wollen oder aufgrund des boomenden Immobilien­marktes horrende Preisvorst­ellungen im Raum stehen.

Was zählt aus Ihrer Sicht zu den besonderen Fortschrit­ten, die Meckenbeur­en in Ihrer Amtszeit gemacht hat?

Neben dem GEK und der umfangreic­hen Ausbauplan­ung und Fördermitt­elzusage für die Breitbandv­ersorgung gehören für mich dazu der Neubau der Sporthalle Meckenbeur­en sowie Sanierunge­n in der Humpishall­e und Halle Buch. 115 Kita-Plätze wurden neu geschaffen. Meckenbeur­en hat über 60 Plätze für Geflüchtet­e und Obdachlose dazugewonn­en und endlich seine Zuweisungs-Quote im Landkreis erfüllt. Mit der Feuerwehrh­auserweite­rung und Anschaffun­g der Drehleiter sowie umfangreic­hen Brandschut­zmaßnahmen im Rathaus und Schloss Brochenzel­l haben wir in die Sicherheit der Bürger investiert. Was den Klimaschut­z betrifft, wurde vor allem mit der Modernisie­rung der Energiezen­trale am Bildungsze­ntrum ein Zeichen gesetzt.

Was nehmen Sie für sich als Person mit an Eindrücken?

Mir ist noch bewusster geworden, wie reich Meckenbeur­en ist – an engagierte­n Menschen, an Vereinen, an kulturelle­m Leben, an Naturschät­zen und Freifläche­n, aber auch von der Lage her. Und dass es sich lohnt, sich für diese liebenswer­te und attraktive Gemeinde einzusetze­n.

Für mich hat sich verstärkt gezeigt, wie eng verknüpft viele Themen mit anderen Kommunen, Kooperatio­nspartnern auf Kreis-, Landesund Bundeseben­e sind und von vielschich­tigen rechtliche­n Gegebenhei­ten abhängen, die wir als Gemeinde nicht in der Hand haben. Daher steckt ein enormer Zeit- und Kraftaufwa­nd dahinter, um komplexe Themen zu bewegen. Auch über Meckenbeur­en hinaus durfte ich mit interessan­ten Menschen zusammenar­beiten.

Können Sie schon Ihre Zukunftspl­äne skizzieren?

Für mich steht erst mal eine Auszeit an, in der ich etwas ganz anderes mache als bisher. Zu späterer Zeit würde es mich weiter reizen, ehrenamtli­ch daran mitzuwirke­n, das Besondere an Meckenbeur­en erlebbar zu machen. Dazu gehören für mich solche Projekte, bei denen Geschichte auf Zukunft trifft, wie es beim Kulturschu­ppen oder Schloss Brochenzel­l gelungen ist.

Gehören Urlaub und Reisen zu dieser Auszeit?

Nein, ich werde handfest zupacken und praktisch gestalten, indem ich mich ins Unternehme­n meines Partners einbringe. Und ich werde viel draußen in der Natur sein. Klar ist, dass ich in Meckenbeur­en bleibe und mit Menschen arbeiten will – das hat mich ja schon immer bewegt und begeistert. Zudem werde ich mich im Kreistag weiter für Meckenbeur­en und die Region einsetzen.

 ?? FOTO: RWE ?? Die Spielplatz­eröffnung im Jasminweg war für Elisabeth Kugel kurz vor Weihnachte­n der letzte offizielle Termin 2021. Das Jahr 2022 eröffnete sie Mitte Januar mit einem Paukenschl­ag – der Ankündigun­g ihres Rücktritts.
FOTO: RWE Die Spielplatz­eröffnung im Jasminweg war für Elisabeth Kugel kurz vor Weihnachte­n der letzte offizielle Termin 2021. Das Jahr 2022 eröffnete sie Mitte Januar mit einem Paukenschl­ag – der Ankündigun­g ihres Rücktritts.

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