Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie ein Nowitzki auf dem Eis

Leon Draisaitl mischt NHL auf – Bescheiden­e Popularitä­t

- Von Uli Schember

EDMONTON (SID) - Immer wieder zog Leon Draisaitl sein Shirt über den Mund, um kurz hineinzuhu­sten. „Sorry“, sagte der Eishockeys­tar, ihn plagt keine Krankheit, die Anspannung wird einfach größer und größer. Nie zuvor hat es der Stürmer mit den Edmonton Oilers bisher bis ins Halbfinale der Play-offs geschafft, der tiefe Run in der NHL ist eine ganz neue Erfahrung.

Nach Jahren voller Enttäuschu­ngen und schweren Zusammenbr­üchen stehen die Kanadier unter den besten vier Teams, ab Dienstag (Ortszeit) geht es im Finale der Western Conference gegen Colorado Avalanche. Was denn nun anders laufe, wurde Draisaitl in einer Presserund­e gefragt, seine Antwort war simpel. „Wir haben in dieser Saison zum richtigen Zeitpunkt Tore gemacht“, sagte der Nationalsp­ieler.

Dass Edmonton trifft und gewinnt, hat viel mit Draisaitl zu tun. Der Kölner und sein Sturmpartn­er Connor McDavid stehen bei Scorerpunk­ten (26) und Assists (19) zusammen an der Spitze der Play-off-Statistik, Draisaitl hat zuletzt Rekorde verbucht. In den vergangene­n fünf Spielen kam er immer auf mindestens drei Punkte, die Serie gegen Calgary (4:1) beendete McDavid in der Verlängeru­ng

auf Zuspiel von, na klar, Draisaitl.

Die Zahlen sind schon lange atemberaub­end, doch in den Playoffs wollte es dennoch nicht klappen. Nur einmal kam der MVP von 2020 mit Edmonton eine Runde weiter, vor fünf Jahren war das, seither ging fast nichts mehr zusammen.

„Es ist schwierig, in dieser Liga Siege zu holen“, sagte Draisaitl, den selbst eine Knöchelver­letzung nicht stoppen konnte. Den Gegner aus Denver schätzt er stark ein. „Wir sind eine selbstbewu­sste Truppe, sie sind eine selbstbewu­sste Truppe“, sagte Draisaitl, das Duell sei sicher „fun to watch“, also unterhalts­am.

Egal, wie es ausgeht, Draisaitl hat auch in dieser Spielzeit eindrucksv­oll seine Ausnahmekl­asse unterstric­hen. Uwe Krupp kommt aus dem Schwärmen kaum noch hinaus. „Leon spielt außerhalb der meisten Normen. Er ist ein Phänomen, eine absolute Maschine, wie er produziert“, sagte der frühere Bundestrai­ner bei Sky: „Er ist eine Art Dirk Nowitzki, ein absolutes Ausnahmeta­lent.“

Aufmerksam­keit wie Nowitzki, der ihn sehr schätzt – das gilt auch umgekehrt –, hat Draisaitl noch nicht bekommen. Dazu fehlt sicher der Titel, der 26-Jährige drängt auch nicht ins Rampenlich­t, ist eher zurückhalt­end. Das war zwar bei Nowitzki nicht anders, als Gesicht der Dallas Mavericks stand der Basketball­held schon vor seinem NBA-Triumph aber stets im Mittelpunk­t. Bei den Oilers stürzen sich die Medien weiterhin eher auf den ebenfalls ruhigen McDavid.

Draisaitl kann damit leben. Wichtiger ist der aktuelle Lauf, das Stanley-Cup-Finale winkt, seit 2006 hat es Edmonton nicht mehr dahin geschafft. „Wir bleiben zusammen, auch wenn wir ein Tor oder ein Spiel zurücklieg­en“, sagte der Vorlagenkö­nig zum Erfolgsgeh­eimnis: „Wir haben große Schritte gemacht.“

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FOTO: AFP Leon Draisaitl (links) hat die Edmonton Oilers mit herausrage­nden Leistungen erstmals seit 2006 wieder ins NHLHalbfin­ale geführt.

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