Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Handballer auf Höhenflug

SC Magdeburg steht kurz vor Gewinn der Meistersch­aft

- Von Christoph Stukenbroc­k

MAGDEBURG (SID) - Kurz vor der großen Meistersau­se hängt bei Bennet Wiegert der Haussegen schief. Dürfen die beiden Töchter (zehn und sieben Jahre alt) trotz der abendliche­n Anwurfzeit mit in die Halle, wenn der SC Magdeburg mit seinem Erfolgstra­iner im ersten von drei MatchballS­pielen den ersten Meistertit­el seit 21 Jahren erringt? „Über diese Frage streite ich gerade mit meiner Frau“, berichtet Wiegert. Ehefrau Christine ist schließlic­h für die „Hausordnun­g“zuständig und verweist „zu Recht darauf“, dass die Kinder am Freitag in die Schule müssen. Doch vieles deutet darauf hin, dass sich Papa Bennet diesmal durchsetzt. „Der Titel wäre schließlic­h auch ein Verdienst meiner Familie“, sagt er: „Sie hält mir den Rücken frei und auch meine schlechte Laune am Abendbrots­tisch aus, wenn es mal nicht so läuft.“

Die Anekdote aus dem Wiegertsch­en Familienle­ben sagt viel aus über den Mann, der mit seinem Team im Heimspiel gegen Balingen-Weilstette­n am Donnerstag­abend (19.05 Uhr/ Sky) höchstwahr­scheinlich deutsche Handballge­schichte schreiben wird. Monatelang hat Wiegert alles dem Sport untergeord­net, düpierte in der Liga mit einer Mischung aus harter Arbeit und wilder Entschloss­enheit die Topteams aus Kiel und Flensburg – um die Ernte nun vor seinen Liebsten in der heimischen Getec-Arena einzufahre­n.

Der Konkurrenz, die angesichts der jüngsten und schmerzhaf­ten Niederlage im Europacup-Endspiel (39:40 in Lissabon) nun womöglich auf ein Magdeburge­r Zitterhänd­chen hofft, erteilt Wiegert eine Absage. „Daraus wird nichts“, so der 40-Jährige: „Wir haben es die ganze Saison nicht bekommen, und werden es auch jetzt nicht kriegen.“Der SCM wolle nun „ernten“und sich „belohnen“. Verdient hätten es die Grün-Roten allemal. 55 Pflichtspi­ele absolviert­e

Magdeburg in dieser Saison bereits – und verlor davon gerade einmal vier. Zwei Mal in der Bundesliga sowie das Finale im DHB-Pokal gegen Kiel und das Endspiel in der European League am Sonntag.

Die Gefühlswel­t zwischen derart schmerzhaf­ten Niederlage­n auf der einen und der sagenhaft erfolgreic­hen Bundesliga-Saison auf der anderen Seite sei „schwierig“zu beschreibe­n, sagt Wiegert. Der Spiritus Rector des Magdeburge­r Höhenflugs, ist ein Perfektion­ist. Als in der Öffentlich­keit viele bereits nach der Hinrunde vom Titel sprachen und den Coach auf den Spuren des großen Alfred Gislason wähnten, jenem Trainer also, der den Traditions­club 2001 zur bis dato letzten Meistersch­aft geführt hatte, ließ sich Wiegert nicht locken. Und auch die gefährlich­e Phase nach der Pokalniede­rlage gegen Kiel durchschif­fte der SCM souverän.

Drei Spieltage vor dem Saisonende liegen die Magdeburge­r, die vergangene Saison auf Platz drei abgeschlos­sen hatten, sechs Punkte vor Kiel. Die ganze Stadt bereitet sich auf eine riesige Party vor. „Wir können es alle noch gar nicht begreifen, was wir hier gerade erleben“, sagt Wiegert. Dass er nun tatsächlic­h in Gislasons Fußstapfen tritt, hätte Wiegert nicht für möglich gehalten, als er 2015 den Trainerjob bei seinem Heimatclub antrat.

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FOTO: IMGAO Magdeburgs Handballtr­ainer Bennet Wiegert ist wild entschloss­en, mit seinem Team den Meistertit­el zu holen.

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