Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Drei Menschen sterben in der laufenden Jagdsaison
Jagdunfälle lösen in Frankreich immer wieder heftige Debatten aus – Jäger haben dort eine starke Lobby
PARIS (AFP) - Bei einem der jüngsten Jagdunfälle in Frankreich wurde ein Jäger von einem Hirsch getötet. Richtig gelesen, ein bis zu 200 Kilo schwerer Hirsch überrannte Anfang November in einem Wald nahe den Vogesen einen Mann, der sich versehentlich auf dessen Fluchtweg befand. Es war ein äußerst untypischer Unfall, zumal das Wild normalerweise Menschen scheut. Üblicherweise sind für Jagdunfälle Jäger verantwortlich, deren Schüsse nicht dort landen, wo sie sollen.
In Frankreich wurden in der laufenden Saison bereits drei Menschen getötet. 90 Menschen wurden verletzt, unter ihnen zahlreiche Jäger, aber auch Pilzsucher, Radfahrer und Jogger – zehn mehr als in der Vorsaison. Jagen ist für viele Franzosen eine Herzensangelegenheit. Es gibt mehr als eine Million Jäger, so viel wie in keinem anderen EU-Land. In Deutschland sind es derzeit etwa 400.000. Bis 2019 gab es in Frankreich eine Partei mit dem Namen „Jagd, Angeln, Natur und Traditionen“. Der TV-Sender „Jagd und Angeln“erfreut sein Publikum mit Sendungen wie „Röhren der Hirsche“und „Monsterkarpfen“.
Seit Jahren wird allerdings auch darüber gestritten, ob und wie das Jagen einzuschränken ist, um Unfälle zu verhindern. Deren Zahl ist in den vergangenen 20 Jahren zwar gesunken, aber vor allem Fälle, die Nichtjäger betreffen, lösen immer wieder heftige Debatten aus. Nach einer Umfrage vom September sind 80 Prozent der Franzosen dafür, an
Wochenenden und während der Schulferien das Jagen zu verbieten.
Die Regierung steht in der Kritik, sich allzusehr von der Lobby der Jäger beeinflussen zu lassen – eine Million Wählerstimmen sind nicht zu verachten. Präsident Emmanuel Macron hatte 2018 die Gebühren für den Jagdschein halbiert und wollte auch die traditionelle Singvogeljagd mit Netzen und Fangkäfigen wieder erlauben – was der Oberste Gerichtshof aber verhindert hat.
Seinen 40. Geburtstag hatte Macron 2017 auf Schloss Chambord gefeiert, einer traditionellen Jagddomäne. Dort traf er auch mit einer Gruppe von Jägern zusammen, die ihm ihre Beute präsentierten.
Im Gespräch ist nun zumindest eine Alkohol-Höchstgrenze für Jäger von 0,5 Promille wie beim Autofahren. Bislang gibt es keine Regelung dazu, aber Unfälle unter Alkoholeinfluss werden vor Gericht schärfer verurteilt. Außerdem sollen Jäger nicht mehr zur Seite schießen dürfen, sondern einen Winkel von mindestens 30 Grad respektieren, wie es in vielen Départements bereits üblich ist. Möglicherweise soll es auch ein Jagdverbot am Sonntagnachmittag geben.
„Mein Ziel ist klar: Ich will, dass es keine Unfälle mehr gibt“, sagt die zuständige Staatssekretärin Bérangère Couillard. „Dabei will ich aber nicht die Jäger bestrafen“, fügte sie hinzu. Entsprechende Dekrete sollen bis zum Jahresende erlassen werden.