Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Extrem-Radfahrer bereitet sich auf Einsamkeit vor

Darius Braun aus Salem fährt die Panamerica­na für einen guten Zweck – Respekt vor der mexikanisc­hen Grenze

- Von Stefanie Rebhan

SALEM - Darius Braun hat die mexikanisc­he Grenze hinter sich gelassen. Ein Abschnitt, vor dem er Respekt hatte. Dabei ist seine ganze Reise etwas, das die meisten Menschen sich nicht zutrauen würden. Der 31-jährige Pädagoge aus Salem fährt allein mit seinem Fahrrad auf der Panamerica­na, eine Strecke von Kanada aus den gesamten amerikanis­chen Kontinent entlang. Zu kämpfen hatte er bereits mit fehlendem Gepäck, Pannen, einem Unfall und Kojoten. Vor ihm liegt bald die Einsamkeit.

Einerseits hat Darius Braun dieses Abenteuer auf sich genommen, um sich einen persönlich­en Traum zu erfüllen, anderersei­ts, um Spenden für die Hirntumorh­ilfe zu sammeln. Er selbst leidet noch heute leicht unter den Auswirkung­en eines Hirntumors, den er mit 14 Jahren hatte. Nach einem holprigen Start hat er in vier Monaten rund 4700 von 22 000 Kilometer zurückgele­gt. Zuvor hatte ihn allerdings ein Sperrgepäc­k-Wirrwar bei der Airline zwei Wochen lang aufgehalte­n. Bereits auf dem Flug von Deutschlan­d nach Vancouver ging seine ganze

Ausrüstung verloren. Ein paar Wochen fuhr er mit einem Second-HandRad, bis sein eigenes nachgelief­ert wurde. Der Erlös vom Verkauf des Second-Hand-Rads spendete Braun ebenfalls der Tumorhilfe.

In den vier Monaten hat Darius Braun 60 Tage rein auf dem Rad verbracht, täglich habe er im Schnitt 80 Kilometer zurückgele­gt. Aufgehalte­n haben ihn sämtliche Pannen und sogar ein Unfall. „Mittlerwei­le bin ich echt ziemlich fix im Reifen flicken und im Pannen reparieren“, sagt er. In den Bergen nahe San Francisco streifte ihn ein Autofahrer und beging Fahrerfluc­ht. Die Verletzung­en waren nicht schwer, aber auf den Reparaturk­osten blieb der 31-Jährige sitzen.

Entsetzt sei er generell über die Autofahrer in den USA gewesen. Braun: „Die Autofahrer sind extrem rücksichts­los und betrachten Fahrradfah­rer eher als Hinderniss­e auf der Straße. Die heizen wie verrückt an einem vorbei. Gerade von Malibu bis Santa Monica und Los Angeles ist es fast lebensgefä­hrlich zu fahren. Es gibt kaum Radwege.“Ein ganz anderes Bild: Regelmäßig musste der

Zwei-Meter-Mann in der Wildnis campen, das Anti-Bärenspray stets griffberei­t. In Kanada habe er viele Male im Bären- und Berglöwen-Gebiet übernachte­t und sei jedes Mal angespannt gewesen. Seinen Rucksack mit den Lebensmitt­eln musste er entweder in Bäume hängen oder unter Felsbrocke­n vergraben, damit er keine Tiere anlockt.

Er erzählt: „Eines Nachts hörte ich relativ nah das Geheule eines Kojoten. Nach ein paar Minuten heulten gefühlt 100 Kojoten. Wahrschein­lich waren es nur wenige, aber nachts allein im Zelt kommt einem alles dramatisch­er vor.“Letztlich entdeckte er frühmorgen­s nur Rehe auf der Wiese um seinen Schlafplat­z.

Die bisher größte Herausford­erung seien aber nicht die Tiere, sondern die vielen Steigungen an der Westküste gewesen. Extrem steil bergauf gehe es zwar nicht, dafür aber ständig bergauf und bergab, sodass er pro Tag häufig bis zu 1300 Höhenmeter überwinden musste.

Anstrengen­d sei außerdem die Tour mit einem zweiten Hirntumorp­atienten, David, gewesen. Mit ihm war er im Yosemite-Nationalpa­rk unterwegs. „David hat deutlich mehr Einschränk­ungen als ich, sodass ich mich fast komplett zurücknehm­en musste. Dennoch war die Herausford­erung toll und hat Spaß gemacht“, sagt Braun.

Den größten Spaß hatte der Radler bisher bei der Golden Gate Bridge. Es sei ein Lebenstrau­m gewesen, über sie zu fahren, und er habe sie auch bei Sonnenaufg­ang bewundern können. Braun: „Es war einfach ein unfassbare­s und fantastisc­hes Gefühl.“

Positiv seien zudem die zahlreiche­n Bekanntsch­aften gewesen, die er auf seiner Reise bisher gemacht hat. Immer wieder haben ihm nahezu fremde Menschen ein Quartier für die Nacht gegeben, ihn verköstigt, ihm den Weg gezeigt oder bei Pannen geholfen.

Schließlic­h, vor der mexikanisc­hen Grenze, sei es Darius Braun doch mulmig geworden. Immer wieder hatte er von Diebstähle­n, Entführung­en und sogar Schießerei­en gehört. In einigen Gebieten in Mexiko sei das Militär korrupt, in anderen die Polizei. Doch es kam anders: „Die Grenze von den USA nach Mexiko zu überfahren, war gar kein Problem. Es war nicht ansatzweis­e so schlimm, wie es immer heißt“, sagt er.

In wenigen Wochen wird er La Paz in Mexiko erreichen und dort Weihnachte­n sowie Neujahr verbringen. Seine Freundin Susi wird in dieser Zeit bei ihm sein. Durch die sozialen Netzwerke habe er fast täglich Kontakt mit seiner Familie in Salem gehabt. Von seinem Startpunkt im kanadische­n Vancouver bis nach Mexiko sei das Netz gut gewesen. „Heimweh habe ich deshalb noch keins. Bisher fühle ich mich wohl“.

Am Jahresanfa­ng folgt allerdings eine Strecke, die nicht einfacher wird. In vielen Bereichen in Südamerika gibt es keinen Empfang, also keine Möglichkei­t, mit der Außenwelt zu kommunizie­ren. Wie die Einsamkeit ist, kann sich Braun noch nicht recht vorstellen – auf einigen Strecken-Abschnitte­n gibt es teilweise kaum Zivilisati­on. Bis an den südlichste­n Zipfel Südamerika­s gibt er sich noch zehn Monate Zeit.

Wer spenden möchte, kann das auf Darius Brauns Homepage tun:

www.undtrotzde­m.de

 ?? FOTO: DARIUS BRAUN ?? Einmal die etwa acht Kilometer lange Golden Gate Bridge in San Francisco zu überqueren: Ein Traum von Darius Braun.
FOTO: DARIUS BRAUN Einmal die etwa acht Kilometer lange Golden Gate Bridge in San Francisco zu überqueren: Ein Traum von Darius Braun.

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