Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Extrem-Radfahrer bereitet sich auf Einsamkeit vor
Darius Braun aus Salem fährt die Panamericana für einen guten Zweck – Respekt vor der mexikanischen Grenze
SALEM - Darius Braun hat die mexikanische Grenze hinter sich gelassen. Ein Abschnitt, vor dem er Respekt hatte. Dabei ist seine ganze Reise etwas, das die meisten Menschen sich nicht zutrauen würden. Der 31-jährige Pädagoge aus Salem fährt allein mit seinem Fahrrad auf der Panamericana, eine Strecke von Kanada aus den gesamten amerikanischen Kontinent entlang. Zu kämpfen hatte er bereits mit fehlendem Gepäck, Pannen, einem Unfall und Kojoten. Vor ihm liegt bald die Einsamkeit.
Einerseits hat Darius Braun dieses Abenteuer auf sich genommen, um sich einen persönlichen Traum zu erfüllen, andererseits, um Spenden für die Hirntumorhilfe zu sammeln. Er selbst leidet noch heute leicht unter den Auswirkungen eines Hirntumors, den er mit 14 Jahren hatte. Nach einem holprigen Start hat er in vier Monaten rund 4700 von 22 000 Kilometer zurückgelegt. Zuvor hatte ihn allerdings ein Sperrgepäck-Wirrwar bei der Airline zwei Wochen lang aufgehalten. Bereits auf dem Flug von Deutschland nach Vancouver ging seine ganze
Ausrüstung verloren. Ein paar Wochen fuhr er mit einem Second-HandRad, bis sein eigenes nachgeliefert wurde. Der Erlös vom Verkauf des Second-Hand-Rads spendete Braun ebenfalls der Tumorhilfe.
In den vier Monaten hat Darius Braun 60 Tage rein auf dem Rad verbracht, täglich habe er im Schnitt 80 Kilometer zurückgelegt. Aufgehalten haben ihn sämtliche Pannen und sogar ein Unfall. „Mittlerweile bin ich echt ziemlich fix im Reifen flicken und im Pannen reparieren“, sagt er. In den Bergen nahe San Francisco streifte ihn ein Autofahrer und beging Fahrerflucht. Die Verletzungen waren nicht schwer, aber auf den Reparaturkosten blieb der 31-Jährige sitzen.
Entsetzt sei er generell über die Autofahrer in den USA gewesen. Braun: „Die Autofahrer sind extrem rücksichtslos und betrachten Fahrradfahrer eher als Hindernisse auf der Straße. Die heizen wie verrückt an einem vorbei. Gerade von Malibu bis Santa Monica und Los Angeles ist es fast lebensgefährlich zu fahren. Es gibt kaum Radwege.“Ein ganz anderes Bild: Regelmäßig musste der
Zwei-Meter-Mann in der Wildnis campen, das Anti-Bärenspray stets griffbereit. In Kanada habe er viele Male im Bären- und Berglöwen-Gebiet übernachtet und sei jedes Mal angespannt gewesen. Seinen Rucksack mit den Lebensmitteln musste er entweder in Bäume hängen oder unter Felsbrocken vergraben, damit er keine Tiere anlockt.
Er erzählt: „Eines Nachts hörte ich relativ nah das Geheule eines Kojoten. Nach ein paar Minuten heulten gefühlt 100 Kojoten. Wahrscheinlich waren es nur wenige, aber nachts allein im Zelt kommt einem alles dramatischer vor.“Letztlich entdeckte er frühmorgens nur Rehe auf der Wiese um seinen Schlafplatz.
Die bisher größte Herausforderung seien aber nicht die Tiere, sondern die vielen Steigungen an der Westküste gewesen. Extrem steil bergauf gehe es zwar nicht, dafür aber ständig bergauf und bergab, sodass er pro Tag häufig bis zu 1300 Höhenmeter überwinden musste.
Anstrengend sei außerdem die Tour mit einem zweiten Hirntumorpatienten, David, gewesen. Mit ihm war er im Yosemite-Nationalpark unterwegs. „David hat deutlich mehr Einschränkungen als ich, sodass ich mich fast komplett zurücknehmen musste. Dennoch war die Herausforderung toll und hat Spaß gemacht“, sagt Braun.
Den größten Spaß hatte der Radler bisher bei der Golden Gate Bridge. Es sei ein Lebenstraum gewesen, über sie zu fahren, und er habe sie auch bei Sonnenaufgang bewundern können. Braun: „Es war einfach ein unfassbares und fantastisches Gefühl.“
Positiv seien zudem die zahlreichen Bekanntschaften gewesen, die er auf seiner Reise bisher gemacht hat. Immer wieder haben ihm nahezu fremde Menschen ein Quartier für die Nacht gegeben, ihn verköstigt, ihm den Weg gezeigt oder bei Pannen geholfen.
Schließlich, vor der mexikanischen Grenze, sei es Darius Braun doch mulmig geworden. Immer wieder hatte er von Diebstählen, Entführungen und sogar Schießereien gehört. In einigen Gebieten in Mexiko sei das Militär korrupt, in anderen die Polizei. Doch es kam anders: „Die Grenze von den USA nach Mexiko zu überfahren, war gar kein Problem. Es war nicht ansatzweise so schlimm, wie es immer heißt“, sagt er.
In wenigen Wochen wird er La Paz in Mexiko erreichen und dort Weihnachten sowie Neujahr verbringen. Seine Freundin Susi wird in dieser Zeit bei ihm sein. Durch die sozialen Netzwerke habe er fast täglich Kontakt mit seiner Familie in Salem gehabt. Von seinem Startpunkt im kanadischen Vancouver bis nach Mexiko sei das Netz gut gewesen. „Heimweh habe ich deshalb noch keins. Bisher fühle ich mich wohl“.
Am Jahresanfang folgt allerdings eine Strecke, die nicht einfacher wird. In vielen Bereichen in Südamerika gibt es keinen Empfang, also keine Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Wie die Einsamkeit ist, kann sich Braun noch nicht recht vorstellen – auf einigen Strecken-Abschnitten gibt es teilweise kaum Zivilisation. Bis an den südlichsten Zipfel Südamerikas gibt er sich noch zehn Monate Zeit.
Wer spenden möchte, kann das auf Darius Brauns Homepage tun:
www.undtrotzdem.de