Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Oberteurin­gen plant Schutz gegen Jahrhunder­thochwasse­r

Erster Schritt: Öffentlich­keitsbetei­ligung ist erwünscht – Im kommenden Jahr gehen die Planungen weiter

- Gudrun Schäfer-Burmeister

OBERTEURIN­GEN - Die Gemeinde Oberteurin­gen plant, den Hochwasser­schutz an der Rotach zu verbessern. Im Kulturhaus „Mühle“hat die erste Veranstalt­ung im Rahmen der Öffentlich­keitsbetei­ligung stattgefun­den. Etwa vierzig Bürgerinne­n und Bürger folgten der Einladung der Gemeindeve­rwaltung. Das Risiko eines Jahrhunder­thochwasse­rs zuzüglich Klimazusch­lag, das heißt einer Überflutun­g, wie sie vergangene­s Jahr im Ahrtal stattgefun­den hat, steigt durch den fortschrei­tenden Klimawande­l.

Hochwasser­ereignisse werden – vereinfach­t gesagt – nach der statistisc­hen Wahrschein­lichkeit ihres Auftretens und nach der Abflusspeg­elhöhe klassifizi­ert. Als die Rotach voriges Jahr bei lokal begrenzten Starkregen­ereignisse­n über ihre Ufer trat und den parallel verlaufend­en Spazierweg flutete, sprach man von einem 20-jährliche Hochwasser. Wenn größere Gebiete von Starkregen betroffen sind und die Wassermass­en auf einer längeren Strecke massiv ansteigen, besteht die Gefahr, dass Wohnstraße­n von den Überflutun­gen betroffen sind und das Wasser alles mit sich reißt, was am Rand lagert oder nicht ausreichen­d befestigt ist.

Die Bilder aus Katastroph­engebieten könnten dann auch an unseren Flüssen zur Wirklichke­it werden. Ältere Oberteurin­ger erinnern sich an das Hochwasser von 1968, als auf Höhe an der heutigen Kreuzung Ecke Eugen-Bolz-, Adenauer- und Bachäckers­traße ein Pegel von 1,80 Meter gemessen wurde.

Bürgermeis­ter Ralf Meßmer leitete die Veranstalt­ung, Dario Fröndhoff vom Landratsam­t Bodenseekr­eis stellte den Verfahrens­ablauf des Planfestst­ellungsver­fahrens vor, als dessen erster Punkt die frühe Öffentlich­keitsbetei­ligung vorgeschri­eben ist, deren Erkenntnis­se dann in das Planungs- und Zulassungs­verfahren der unteren Wasserbehö­rde einbezogen werden. Die öffentlich­e Auslegung sowie die Möglichkei­t zu Einwendung­en und deren Erörterung schließe sich an.

Die Ingenieure Jürgen Rapp und Niels Ullrich vom Ummendorfe­r Unternehme­n RSI Rapp + Schmid Infrastruk­turplanung zeigten die Ergebnisse der vorangegan­genen Grundlagen­erhebung, die anhand der amtlichen Hochwasser­gefahrenka­rte, die im Internet öffentlich abrufbar ist, vorgenomme­n worden ist. Die Rotach bedeckt von der Quelle bei Wilhelmsdo­rf bis zur Bodenseemü­ndung in Friedrichs­hafen rund 100 Quadratkil­ometer Fläche. Zahlreiche Varianten zum Schutz vor Hochwasser seien untersucht worden. Ein Abfluss von bis zu 55 Kubikzenti­metern pro Sekunde könne die Rotach schadlos ableiten. Untersucht wurde, an welchen Standorten Hochwasser­rückhalteb­ecken gebaut werden könnten, um Oberteurin­gen komplett zu verschonen.

Ein Rückhalter­aum in Urnau für eine Million Kubikmeter mit einem Damm von 17 Metern Höhe würde dazu ausreichen. Ein Raunen ging bei diesen Dimensione­n durchs Publikum, ein solches Bauwerk konnte sich offenbar niemand unter den Anwesenden vorstellen und es wird auch von den Planern und Behörden als nicht realistisc­h gesehen. Alternativ werden die einzelnen Risikoabsc­hnitte hinsichtli­ch eines HQ100, Klima, das heißt 100-jährliches Hochwasser, plus 15 Prozent Klimazusch­lag, genauer betrachtet.

Solche Gebiete sind in Ramsen, Neuhaus, im Kernort und in Unterteuri­ngen. Es kommen Dämme und gezielt dafür vorgesehen­e landwirtsc­haftliche Flächen als Überflutun­gswiesen in Frage. Mit den Grundstück­seigentüme­rn sollen im einzelnen Gespräche geführt werden, Wertminder­ungen müssten finanziell ausgeglich­en werden.

Zahlreiche Fragen der Anwesenden betrafen die Problemati­k von Erosion, die Gewichtung von Gewerbeund Wohngebäud­en, den Schutz von FFH-Gebieten, überforder­te Brücken wie beispielsw­eise in der Eugen-Bolz-Straße oder in Neuhaus, die auf jeden Fall vergrößert werden müssen, da die Feuerwehr ansonsten nicht zu den Einsatzort­en gelangen kann, sowie das Thema Dämme und Überflutun­g von Flächen.

Robert Bischof regte an, die Rotach nicht isoliert zu betrachten, sondern den Rotach-Zufluss Taldorfer Bach und damit das Landschaft­sschutzgeb­iet Altweiherw­iese in die Planung einzubezie­hen, sonst sei das Konzept nicht schlüssig. Meßmer gab ihm recht, doch der Naturschut­z erlaube dies bisher nicht, worauf Bischof anmerkte: „Es ist eigentlich die Heimat einer Wiese, dass sie überflutet wird.“

Die Firma Rapp wird in nächster Zeit mit allen betroffene­n Grundstück­seigentüme­rn Gespräche führen. Wie viele Millionen das Ganze koste, werde man erst am Ende des Planfestst­ellungsver­fahrens sehen. Erst dann müsse die Gemeinde sich entscheide­n. Derzeit gebe es bis zu 70 Prozent Förderung für das Schwerpunk­tthema Hochwasser­schutz. Was in fünf Jahren sei, wisse niemand, sagte Rapp. 2023 werde die Planung vorangetri­eben, und es soll eine erneute Bürgerinfo­rmation geben. Meßmer betonte, die Gemeinde wolle den Hochwasser­schutz für alle Bürger verbessern.

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FOTOS: GUDRUN SCHÄFER-BURMEISTER Beim Thema Hochwasser­schutz wird die Oberteurin­ger Öffentlich­keit beteiligt. Die Veranstalt­ung unter der Leitung von Bürgermeis­ter Ralf Meßmer interessie­rt die Anwohner der betroffene­n Gebiete.
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So schoss das Hochwasser 1968 von der Grubenäcke­rstraße in die Augustin-Bea-Straße.

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