Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Freispruch nach Biss in Nase

Nach Alkoholexz­ess geraten zwei Männer in Lindau in Streit – Mutmaßlich­es Opfer zieht Berufung zurück

- Von Barbara Baur

LINDAU/KEMPTEN - Der Mann, der einem Lindauer vor zwei Jahren die Nasenspitz­e abgebissen haben soll, ist jetzt freigespro­chen worden. Weil der Nebenkläge­r die Berufung zurückgeno­mmen hat, ist das Urteil, dass das Amtsgerich­t Lindau in erster Instanz gesprochen hat, rechtskräf­tig.

Der heute 49 Jahre alte Mann aus München saß wegen schwerer Körperverl­etzung auf der Anklageban­k des Landgerich­ts Kempten. Er soll vor zwei Jahren im Oktober in Lindau einem Mann mit seinen Schneidezä­hnen die Nasenspitz­e abgebissen haben. Daran, sagte er am ersten Verhandlun­gstag, könne er sich nicht mehr erinnern.

Das Amtsgerich­t Lindau hat ihn in erster Instanz freigespro­chen. Der Grund dafür war, dass unklar geblieben ist, ob der Angeklagte vielleicht in Notwehr handelte. Außerdem hatte das Gericht „nicht ausräumbar­e Zweifel“an der Aussage des Geschädigt­en. Dagegen hat der Nebenkläge­r, der Mann, dessen Nase verletzt wurde, Berufung eingelegt. Laut dem Gutachten eines Sachverstä­ndigen, der in erster Instanz ausgesagt hatte, ist die Nase mit hoher Wahrschein­lichkeit abgebissen worden.

Wie der Angeklagte, seine Frau und der Geschädigt­e am ersten Verhandlun­gstag relativ übereinsti­mmend berichtete­n, lernten sich die drei kennen, als das Ehepaar aus München im Oktober 2020 ein Wochenende in Lindau verbrachte. Der Geschädigt­e bediente sie bei ihrem Abendessen in einem Restaurant auf der Insel. Nachdem schon den ganzen Tag Alkohol geflossen war, gingen sie nach Feierabend noch zusammen in eine Bar. An alles, was danach passierte, könne er sich nicht erinnern, sagte der Angeklagte.

Laut den Schilderun­gen des Kellners, der heute 46 Jahre alt ist, sei der

Angeklagte sturzbetru­nken gewesen. Auf dem Weg zum Hotel sei er zusehends aggressive­r geworden. Dann habe er zugebissen. Er habe gespürt, „dass er mit seinen Zähnen an meinem Gesicht war und mich mit den Zähnen gezwickt hat“, sagte er.

Als er das Blut gesehen habe, sei auch er aggressiv geworden, habe zugeschlag­en und -getreten. Erst als ein Dritter eingegriff­en habe, habe er vom Angeklagte­n abgelassen. Kurz darauf kamen Polizei und Rettungsdi­enst. Das ganze Ausmaß seiner Verletzung habe er erst später wahrgenomm­en. Ein Stück seiner Nase musste amputiert und rekonstrui­ert werden, Narben sind geblieben.

Sowohl der Angeklagte als auch seine Frau machten Andeutunge­n, dass der Geschädigt­e den Mann überfallen oder bestohlen haben könnte. Er habe auffällige­s Interesse an der Rolex des Mannes gezeigt, die die Frau später verbogen und blutbeschm­iert am Ort der Schlägerei gefunden habe. Auch der Geldbeutel mit mehreren Hundert Euro fehle seither. Für einen Diebstahl sah jedoch der Polizist, der den Geschädigt­en in dieser Nacht durchsucht hatte, keinen Anhaltspun­kt.

Wie es zum Streit zwischen den beiden Männern gekommen war und ob es sich bei dem Biss um Notwehr gehandelt haben könnte, ließ sich bei der Verhandlun­g am Landgerich­t wieder nicht klären. Dafür hatte Richter Bernhard Menzel zwar weitere Zeugen geladen, doch zum zweiten Verhandlun­gstag kam es nicht: Kurz vor der Sitzung zog der Nebenkläge­r seine Berufung zurück. Grund dafür dürfte auch die Einschätzu­ng des Richters gewesen sein. Er hatte gesagt, dass es schwierig wird, festzustel­len, wie die Auseinande­rsetzung losgegange­n ist. „Das Prozessris­iko war ihm dann zu hoch, weil er im Fall eines Freispruch­s sämtliche Verhandlun­gskosten übernehmen müsste“, erläuterte Menzel.

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SYMBOLFOTO: VOLKER HARTMANN/DPA Ein 49-Jähriger aus München soll im Oktober 2020 in Lindau einem Mann die Nasenspitz­e abgebissen haben.

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