Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Freispruch nach Biss in Nase
Nach Alkoholexzess geraten zwei Männer in Lindau in Streit – Mutmaßliches Opfer zieht Berufung zurück
LINDAU/KEMPTEN - Der Mann, der einem Lindauer vor zwei Jahren die Nasenspitze abgebissen haben soll, ist jetzt freigesprochen worden. Weil der Nebenkläger die Berufung zurückgenommen hat, ist das Urteil, dass das Amtsgericht Lindau in erster Instanz gesprochen hat, rechtskräftig.
Der heute 49 Jahre alte Mann aus München saß wegen schwerer Körperverletzung auf der Anklagebank des Landgerichts Kempten. Er soll vor zwei Jahren im Oktober in Lindau einem Mann mit seinen Schneidezähnen die Nasenspitze abgebissen haben. Daran, sagte er am ersten Verhandlungstag, könne er sich nicht mehr erinnern.
Das Amtsgericht Lindau hat ihn in erster Instanz freigesprochen. Der Grund dafür war, dass unklar geblieben ist, ob der Angeklagte vielleicht in Notwehr handelte. Außerdem hatte das Gericht „nicht ausräumbare Zweifel“an der Aussage des Geschädigten. Dagegen hat der Nebenkläger, der Mann, dessen Nase verletzt wurde, Berufung eingelegt. Laut dem Gutachten eines Sachverständigen, der in erster Instanz ausgesagt hatte, ist die Nase mit hoher Wahrscheinlichkeit abgebissen worden.
Wie der Angeklagte, seine Frau und der Geschädigte am ersten Verhandlungstag relativ übereinstimmend berichteten, lernten sich die drei kennen, als das Ehepaar aus München im Oktober 2020 ein Wochenende in Lindau verbrachte. Der Geschädigte bediente sie bei ihrem Abendessen in einem Restaurant auf der Insel. Nachdem schon den ganzen Tag Alkohol geflossen war, gingen sie nach Feierabend noch zusammen in eine Bar. An alles, was danach passierte, könne er sich nicht erinnern, sagte der Angeklagte.
Laut den Schilderungen des Kellners, der heute 46 Jahre alt ist, sei der
Angeklagte sturzbetrunken gewesen. Auf dem Weg zum Hotel sei er zusehends aggressiver geworden. Dann habe er zugebissen. Er habe gespürt, „dass er mit seinen Zähnen an meinem Gesicht war und mich mit den Zähnen gezwickt hat“, sagte er.
Als er das Blut gesehen habe, sei auch er aggressiv geworden, habe zugeschlagen und -getreten. Erst als ein Dritter eingegriffen habe, habe er vom Angeklagten abgelassen. Kurz darauf kamen Polizei und Rettungsdienst. Das ganze Ausmaß seiner Verletzung habe er erst später wahrgenommen. Ein Stück seiner Nase musste amputiert und rekonstruiert werden, Narben sind geblieben.
Sowohl der Angeklagte als auch seine Frau machten Andeutungen, dass der Geschädigte den Mann überfallen oder bestohlen haben könnte. Er habe auffälliges Interesse an der Rolex des Mannes gezeigt, die die Frau später verbogen und blutbeschmiert am Ort der Schlägerei gefunden habe. Auch der Geldbeutel mit mehreren Hundert Euro fehle seither. Für einen Diebstahl sah jedoch der Polizist, der den Geschädigten in dieser Nacht durchsucht hatte, keinen Anhaltspunkt.
Wie es zum Streit zwischen den beiden Männern gekommen war und ob es sich bei dem Biss um Notwehr gehandelt haben könnte, ließ sich bei der Verhandlung am Landgericht wieder nicht klären. Dafür hatte Richter Bernhard Menzel zwar weitere Zeugen geladen, doch zum zweiten Verhandlungstag kam es nicht: Kurz vor der Sitzung zog der Nebenkläger seine Berufung zurück. Grund dafür dürfte auch die Einschätzung des Richters gewesen sein. Er hatte gesagt, dass es schwierig wird, festzustellen, wie die Auseinandersetzung losgegangen ist. „Das Prozessrisiko war ihm dann zu hoch, weil er im Fall eines Freispruchs sämtliche Verhandlungskosten übernehmen müsste“, erläuterte Menzel.