Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Diese Regierung muss so schnell wie möglich weg“
Hasan Maleky aus Lindau kämpft für Rechte der Frauen im Iran – Kundgebung am Samstag
LINDAU - Lindauerinnen und Lindauer kennen Hasan Maleky aus seiner Änderungsschneiderei in der Fischergasse. Dort bessert er seit Jahrzehnten ihre Hosen, Jacken und Mäntel aus. Vor mehr als 30 Jahren floh der Iraner als politisch Verfolgter aus seiner Heimat. Damals setzte er sich für die Freiheit und Rechte von Frauen ein. Die aktuellen Proteste sieht er als Fortsetzung davon. Sie sind das, was er sich schon so lange wünscht.
Hasan Maleky ist 67 Jahre alt. Wenn er spricht, benutzt er sowohl die männliche, als auch die weibliche Form. Er redet von Iranern und Iranerinnen. Vor mehr als 30 Jahren ging er auf die Straßen, um für die Freiheit der Frauen zu kämpfen. Wenn er von der Geschichte des Irans erzählt, hebt er Frauen besonders hervor. „Bei allen großen Bewegungen im Iran spielten die Frauen immer eine wichtige Rolle“, sagt er. Frauen seien geduldig, sie könnten viel aushalten. „Aber wenn es nicht mehr geht, dann explodieren sie“, sagt der 67-Jährige. Und jetzt sei es endlich so weit.
Hasan Maleky kommt aus einem Land, in dem Frauen weniger Rechte haben als Männer. Das begann mit der Machtübernahme des MullahRegimes vor 43 Jahren. Frauen wurden von heute auf morgen Rechte abgesprochen. In Malekys Änderungsschneiderei zum Beispiel, die er im Iran hatte, durften plötzlich keine Frauen mehr kommen. Auch in anderen Bereichen wurden sie gesetzlich und gesellschaftlich unterdrückt. „Das war schlimm“, sagt Maleky heute. Er war damals 24 Jahre alt und wollte nicht einfach dabei zusehen.
Der Iraner druckte Flugblätter und verteilte sie. Er ging mit auf die Straße, als Menschen gegen die Verschleierung und die Kopftuchpflicht protestierten. Später wurde Hasan Maleky als Verräter seines Vaterlandes beschimpft. „Damals wurden viele Jugendliche umgebracht, weil sie die religiöse Macht nicht wollten“, sagt Maleky. Es sei um eine Ideologie gegangen, nicht um Politik. Bis dahin, sagt der 67-Jährige, habe er keinen Hass gekannt.
Der Iraner ist in einer religiösen Familie aufgewachsen. Seine Eltern lebten nach dem Islam. In der Schule spielte der kleine Hasan Fußball mit Kindern aus jüdischen und christlichen Familien. „Es gab keine Unterschiede“, sagt er.
Im ersten Golfkrieg dann verlor Maleky Freunde und Verwandte. „Selbst Schulkinder mussten mitkämpfen“, sagt er. „Das war nicht menschlich.“Frauen wurden in dieser Zeit stärker unter Druck gesetzt. Sie durften nicht studieren, nicht ohne Kopftuch auf die Straße. Menschen anderer Religionen wurden drangsaliert. Freunde aus seinem Fußballverein verließen das Land. Andere wurden hingerichtet. „Die Welt hat damals weggeschaut“, sagt Maleky heute. 1988 ging auch er. „Die Menschen haben uns nicht gehört.“
Der junge Mann landete am Bodensee. Seine vier Kinder wuchsen in Lindau auf und besuchten die Schule. „In Lindau hatten wir die Möglichkeit neu anzufangen.“Durch seine Arbeit in der Änderungsschneiderei in der Fischergasse
habe er viele nette Leute kennengelernt. „Ich bin immer sehr dankbar gewesen“, sagt er. Hier durfte er wieder erleben, dass Menschen mit unterschiedlichen Nationalitäten und unterschiedlichem Glauben zusammenleben können. Das ist etwas, wofür seine Landsleute im Iran kämpfen müssen. Aber immerhin passiere es jetzt. „Endlich ist die Zeit gekommen und wir müssen nicht mehr warten“, sagt er.
Seit etwa zwei Monaten gehen immer mehr Menschen im Iran auf die Straße und demonstrieren gegen das Regime. Auslöser war der Tod einer jungen iranischen Kurdin, die in Polizeigewahrsam sterben musste. Sie soll gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben. Immer mehr Menschen schließen sich den Protesten an.
Hasan Maleky möchte sich gemeinsam mit anderen mit den Menschen im Iran solidarisieren. Zusammen mit Angelika Fotiadis, der Vorsitzenden des FDP-Kreisverbands, organisiert er fürs Wochenende eine Kundgebung in Lindau. „Wir wollen den Leuten im Iran Kraft geben“, sagen Maleky und Fotiadis. Schon im Oktober hatten Lindauerinnen und Lindauer, zum Teil mit iranischer Migrationsgeschichte, demonstriert. Malekys Tochter hatte eine Rede gehalten.
Jetzt hofft der 67-Jährige auf eine Gerechtigkeit, die längst überfällig sei. Mit den Aufständen gehe ein langer Wunsch von ihm in Erfüllung, sagt er. „Damals hat man uns nicht gehört. Jetzt ist es endlich soweit.“Er ist sich sicher: Wenn jemandem unrecht angetan wird, wird das von Generation zu Generation weitergegeben. „Die Menschen vergessen nicht, auch wenn der Diktator das denkt.“
Hasan Maleky und seine Familie haben jetzt Hoffnung. Der Lindauer denkt an seinen Vater und seine Geschwister, die noch im Iran leben und sich auch an den Protesten beteiligen. „Ich wünsche mir, dass diese Regierung so schnell wie möglich weg ist.“
Irgendwann müsse es soweit kommen. Wenn die Menschen im Iran sich jetzt nicht durchsetzen können, komme es zu den nächsten Ausschreitungen, da ist sich Maleky sicher.
„Die Welt hat damals weggeschaut.“Hasan Maleky
„Damals wurden viele Jugendliche umgebracht, weil sie die religiöse Macht nicht wollten.“Hasan Maleky
Kundgebung unter dem Motto „Free Iran“findet am Samstag, 19. November, um 14 Uhr vor der Inselhalle statt.
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