Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Türkei greift kurdische Stellungen an
Ziele liegen in Nordsyrien und dem nördlichen Irak – Reaktion auf den Bombenanschlag in Istanbul
ISTANBUL (dpa) - Eine Woche nach dem tödlichen Bombenanschlag in Istanbul hat das türkische Militär kurdische Stellungen im Nordirak und in Nordsyrien angegriffen. Die Einsätze richteten sich gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG, wie das Verteidigungsministerium in Ankara am Sonntag mitteilte. Es sei die Zeit der „Abrechnung“, twitterte Ibrahim Kalin, Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei macht kurdische Gruppen für die Explosion mit sechs Toten in Istanbul am vergangenen Sonntag verantwortlich.
Bei den Luftangriffen in der Nacht zu Sonntag seien mindestens 27 Menschen getötet und 38 zum Teil schwer verletzt worden, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die insgesamt 25 Angriffe zielten demnach auf kurdische Stellungen in verschiedenen Regionen im Norden des Bürgerkriegslandes.
Unter anderem bombardierte die türkische Luftwaffe demnach Orte in der Nähe von Kobane und Aleppo. Auch ein Posten der syrischen Regierung sei Ziel gewesen. Syrische Soldaten seien bei den Angriffen getötet worden, meldeten die Aktivisten sowie Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana.
Die Türkei hat seit 2016 vier Militäroffensiven in Nordsyrien geführt, die sich auch gegen die YPG richteten. Ankara sieht in der YPG einen Ableger der PKK und betrachtet beide als Terrororganisationen. Die USA kooperieren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit der YPG, stufen die PKK aber als terroristisch ein. In Nordsyrien
hält die Türkei infolge ihrer Militäreinsätze Grenzgebiete besetzt und kooperiert dabei mit Rebellengruppen.
Der Konflikt zwischen türkischen Streitkräften und PKK hat eine jahrzehntelange Geschichte und bisher Tausende Opfer gefordert – laut der Organisation International Crisis Group wurden dabei mehrheitlich PKK-Mitglieder und Verbündete getötet.
Die türkische Armee habe auch mehrere Orte im Norden des Iraks angegriffen, meldete die Nachrichtenseite „Rudaw“. Ziel seien etwa die Kandil-Berge gewesen. Dort hat die PKK ihr Hauptquartier.
Experten vermuten, Ziel der türkischen Regierung könnte sein, türkisch besetzte Gebiete westlich und östlich der syrischen Stadt Kobane zu verbinden. Nach Beginn der Offensive in der Nacht habe es weitere Angriffe im Laufe des Sonntags in der Region gegeben, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Kobane hat unter anderem für viele Kurden einen starken symbolischen Charakter. Die Kurden befreiten die Stadt mit internationaler Hilfe einst vom IS.
Nach der Bombenexplosion auf der belebten Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal liefen die Ermittlungen weiter. Am Freitag wurden in der Türkei 17 Menschen verhaftet. Zudem wurden in Bulgarien fünf Personen festgenommen, denen eine Mithilfe bei dem Anschlag vorgeworfen wird. PKK und YPG streiten eine Beteiligung entschieden ab und unterstellen der Türkei ebenfalls, mit der Anschuldigung einen Vorwand für einen erneuten Militäreinsatz in Nordsyrien geschaffen zu haben.
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