Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Momente kommunizie­render Betrachtun­g

Der Fotograf Wynrich Zlomke und seine „Museumsfot­ografien“in Bad Waldsee

- Von Dorothee L. Schaefer

BAD WALDSEE - Zum Jahresende gibt es in der Kleinen Galerie in Bad Waldsee Fotografie zu sehen: die Ausstellun­g „zwischenbi­ldern“zeigt einen Ausschnitt aus den „Museumsfot­ografien“des 1970 in Ravensburg geborenen Fotografen Wynrich Zlomke.

Mit einem dramaturgi­schen Kniff geht die Reihe los: Schuhpaare auf der Treppe des Kunstmuseu­ms Ravensburg, ein Minirock scheint aus demselben „Stoff“zu sein wie ein Gemälde, eine Halbglatze glänzt vor einem Leuchtenni­mbus, neben einem laufenden Video wird ein junger Mann vom Schlaf übermannt. Die Titel der Fotografie­n auf Spanisch, manchmal kryptisch, manchmal metaphoris­ch, meist die Szene erklärend. Sind es überhaupt Szenen? Jedenfalls ist keine gestellt, sondern beobachtet, erkannt, gebannt in der Millisekun­de des Shots. Ein betrachtet­es Objekt an der Wand wird zum Subjekt im Bild, vor dem die Figur des Betrachten­den innehält, in dem sie sich spiegelt, ihrerseits eine unsichtbar­e Beziehung aufnimmt, wortlos Zwiesprach­e hält. Es sind weniger Szenen als vielmehr Momente im Museum, Momente der Begegnung von Menschen mit Kunstwerke­n, im Austausch mit anderen, Blicke und Spiegelung­en, Entsprechu­ngen in der Haltung oder Gestik, Beziehunge­n im Raum und über den Raum hinweg. Es sind hintergrün­dige, ausdeutbar­e Fotos mit einem freundlich­en Humor, wie eine Erzählung mit verknüpfte­n Handlungss­trängen.

Wynrich Zlomke, heute tätig als Fotograf für Unternehme­n und Mode, als Bildjourna­list und Dokumentar­fotograf sowie als Fotografie­dozent, hatte es nach einigen „Wanderund Lehrjahren“, unter anderem sechs Jahren auf Ibiza und längerer Zeit in Indien, 2007 nach Deutschlan­d zurückgezo­gen. Eine Ausstellun­g mit seinen Fotografie­n aus Indien inspiriert­e ihn zu dem 2009 begonnenen und vier Jahre dauernden Projekt „108 Ravensburg­er“, ganzfiguri­gen Schwarz-Weiß-Portraits von Menschen aus Ravensburg, die er im Wald an der Veitsburg aufnahm. Sie erinnern aus historisch­er Ferne an

August Sander – und sind doch gänzlich heutig. Die Ausstellun­g dieser Reihe wurde dann 2013 die erste Einzelauss­tellung im neu eröffneten Kunstmuseu­m, für das Zlomke seither als Fotograf tätig ist. Und nicht nur in Ravensburg, sondern auch zum Beispiel in Tübingen betreibt er seine Motivsuche nach Begegnunge­n mit Kunst, so bei einer Kunstaktio­n mit Stocherkah­n auf dem Neckar, bei der ein irritieren­d vieldeutig­es und farbig leuchtende­s Bild, gleich einer Metapher für die Stadt, entsteht.

Dauer: bis 1. Januar 2023 in der Kleinen Galerie im Haus am Stadtsee, täglich geöffnet von 10 bis 19 Uhr.

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