Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Impfpflich­t in Kliniken läuft zum Jahresende aus

Bund verzichtet nach langem Zögern auf eine Verlängeru­ng – Zustimmung von Ärzten und Verbänden

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Die Impfpflich­t für das Personal im Gesundheit­s- und Pflegebere­ich läuft zum Jahresende aus. Das verlautete am Montag aus dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. Zuvor hatten das bereits Sachsen, Bayern, Baden-Württember­g und Thüringen in einem Brief an den Bund gefordert. Aber auch andere Länder waren gegen eine Fortführun­g. Aus Berlin heißt es jetzt, dass die medizinisc­he Grundlage für die Regelung entfallen sei – die aktuellen Impfstoffe könnten eine Ansteckung von Patienten oder Heimbewohn­ern durch das Personal nur sehr kurzzeitig unterbinde­n. Bei der offenbar auf dem Vormarsch befindlich­en Virus-Subvariant­e BQ.1.1, die laut RobertKoch-Institut zuletzt bei acht Prozent der erfassten Fälle lag, was einer Vervierfac­hung des Anteils in den vergangene­n vier Wochen entspreche, sei der Fremdschut­z komplett fraglich. Die Regelung sei deshalb nicht fortsetzun­gswürdig.

Der Chef der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, Gerald Gaß, hatte bereits zuvor betont, dass die derzeitige Impfung gar nicht oder nur kurz vor Ansteckung schütze: „Das zentrale Argument für die Impfpflich­t fällt also weg.“Die Länder wiederum hatten vor allem damit argumentie­rt, dass die Impfpflich­t den Personalma­ngel im Gesundheit­swesen noch verschärfe. Auch Andreas Gassen, Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, hatte die Maßnahme für überholt erklärt und gewarnt, dass sie drohe,

„zur Belastung für Krankenhäu­ser, Praxen und Pflegeeinr­ichtungen zu werden, wo jede Fachkraft dringend gebraucht wird“. Zudem sei die Durchsetzu­ng mit einer enormen Bürokratie verbunden. Und für den Präsidente­n des Bundesverb­andes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, wirkt die Impfpflich­t „wie ein Relikt aus einer anderen Zeit der Pandemiebe­kämpfung“. Die Wohlfahrts­verbände hatten sich ebenfalls für das Auslaufen eingesetzt.

Die Mitte Dezember 2021 – und damit bei Vorherrsch­en der DeltaVaria­nte des Coronaviru­s – beschlosse­ne Regelung war von Anfang an umstritten und führte in vielen Einrichtun­gen zu Unfrieden. Mit dem Vormarsch der Omikron-Variante mit ihren zumeist milden Verläufen wurde sie zusätzlich infrage gestellt. Allerdings hatte das Bundesverf­assungsger­icht die Impfpflich­t für verfassung­skonform erklärt.

Bisher gilt, dass Beschäftig­te in Gesundheit­s- und Pflegeberu­fen seit Mitte März nachweisen müssen, gegen das Coronaviru­s vollständi­g geimpft zu sein, seit Oktober sind sogar drei Impfungen – oder zwei Impfungen und eine Genesung – gefordert. Die Gesundheit­sämter konnten, wenn ihnen von Einrichtun­gen die Impfverwei­gerer gemeldet wurden, Bußgelder, Tätigkeits- oder Betretungs­verbote verhängen, wovon allerdings regional höchst unterschie­dlich Gebrauch gemacht wurde. Zum Teil wechselten Beschäftig­te wegen der Impfpflich­t auch den Job.

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