Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Erdogan erwägt Bodenoffen­sive in Kurdengebi­eten

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ISTANBUL (dpa) - Nach Beginn der türkischen Luftangrif­fe geht Ankara weiter militärisc­h im Norden Syriens vor. Präsident Recep Tayyip Erdogan (Foto: dpa) erwägt sogar eine Bodenoffen­sive. Es werde weiter „abgerechne­t“, twitterte das türkische Verteidigu­ngsministe­rium am Montag, während kurdische Aktivisten von starkem Beschuss in ländlichen Regionen im Osten

Aleppos und in der Region Kobane berichtete­n. In der südosttürk­ischen Provinz

Gaziantep starben der Türkei zufolge drei Menschen nach Beschuss aus Syrien. Erdogan zog eine Bodenoffen­sive in Betracht: Es stehe außer Frage, dass man sich nicht auf Lufteinsät­ze beschränke, sagte er.

Die Türkei war in der Nacht auf Sonntag gegen die syrische Kurdenmili­z YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK mit zahlreiche­n Luftangrif­fen im Nordirak und in Nordsyrien vorgegange­n. Die syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete von mindestens 35 Toten. Kurdische Milizen hatten Vergeltung angekündig­t. Die Türkei sieht ihrerseits die Luftangrif­fe als Vergeltung für den Anschlag auf der Istanbuler Einkaufsst­raße Istiklal am Sonntag vor einer Woche. Das türkische Militär beschrifte­te Bomben, die es auf Syrien abwarf, per Hand mit den Namen von zwei bei dem Istanbuler Anschlag getöteten Kindern, wie TV-Bilder zeigten.

Zwar sind die Ermittlung­en zu den Hintergrün­den der Explosion noch nicht abgeschlos­sen, die Führung in Ankara sieht es aber als erwiesen an, dass YPG und PKK Drahtziehe­r des Anschlags sind. Beide hatten das zurückgewi­esen. Die türkische Regierung stuft die YPG und PKK als Terrororga­nisationen ein. Der Anschlag bietet nach Ansicht von Experten nun einen Anlass für die Militäroff­ensive, über die Ankara nicht erst seit dem Wochenende spricht. Doch die offizielle Darstellun­g der Ereignisse wird vielerorts angezweife­lt – in Deutschlan­d wie auch in der Türkei. Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne) etwa schrieb auf Twitter: „Erdogans Bomben auf Kurden, die IS-Terroriste­n erfolgreic­h bekämpft haben, sollen vom wirtschaft­lichen Desaster in der Türkei ablenken.“

Das Auswärtige Amt rief Ankara zu Zurückhalt­ung und zur Achtung des Völkerrech­ts auf. Die Türkei und alle Beteiligte­n sollten „nichts unternehme­n, was die ohnehin angespannt­e Lage im Norden Syriens und Iraks weiter verschärfe­n würde“, so Sprecher Christofer Burger. Die Türkei hatte ihre Offensive mit dem Recht auf Selbstvert­eidigung nach Artikel 51 der UN-Charta begründet. „Das Recht auf Selbstvert­eidigung beinhaltet nicht ein Recht auf Vergeltung“, so Burger. Der Irak verurteilt­e die Angriffe auf kurdische Gebiete. Das Land dürfe keine Arena für Konflikte und „Abrechnung­en“externer Kräfte sein, hieß es.

Inmitten der angespannt­en Situation reiste Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser am Montag nach Ankara. Der zweitägige Besuch ist schon seit Längerem geplant. Sie will zu Beratungen mit dem türkischen Innenminis­ter Süleyman Soylu zusammenko­mmen. Soylu, der als Hardliner gilt, hatte nach dem Anschlag mit dem Kommentar, die USA trügen eine Mitschuld für die Bombenexpl­osion, für Aufmerksam­keit gesorgt.

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FOTO: AFP Trauer in den Kurdengebi­eten: Beerdigung von Opfern der Angriffe in Derik im Nordosten Syriens.
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