Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ihre Weihnachts­aktion zeigt den Unterschie­d“

Der deutsche Botschafte­r im Irak über deutsches Engagement und die Qualität der „Helfen bringt Freude“-Projekte

- Von Hendrik Groth

RAVENSBURG/BAGDAD - Der deutsche Botschafte­r im Irak, Martin Jäger, fordert weitere westliche Unterstütz­ung, um Sicherheit und Stabilität im Irak dauerhaft garantiere­n zu können. Die Spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbisch­en Zeitung“sei hilfreich: Sie unterstütz­e, „wo Hilfe tatsächlic­h gebraucht wird“.

Im Oktober 2021 wurde ein neues Parlament im Irak gewählt. Es folgten Machtkämpf­e mit hoher Unsicherhe­it. Jetzt gibt es endlich eine neue Regierung in Bagdad. Stand der Irak vor der Schwelle eines Bürgerkrie­ges?

Es gab Ende August einen Augenblick, in dem der Irak tatsächlic­h in den Abgrund geblickt hat. Heute haben wir aber eine Regierung, die alle Bevölkerun­gsgruppen umfasst. Sunniten, Schiiten und Kurden sind der Verfassung folgend gleicherma­ßen beteiligt.

Gibt es denn nun wirklich den Willen der Zusammenar­beit? Diejenigen, die jetzt die Regierung bilden, haben ein Jahr gebraucht, um zueinander­zufinden. Da ist viel diskutiert worden, da sind verschiede­ne Koalitions­varianten erprobt worden. Diese Regierung wird die nächsten Jahre im Irak bestimmen. Sie kann ein guter Partner für Deutschlan­d sein.

Ist diese Regierung von Teheran abhängig?

Der Iran als großes Nachbarlan­d hat hier im Irak großen Einfluss – auch unabhängig von der jeweiligen Regierung. Zwei Drittel der Menschen im Irak sind schiitisch­e Muslime, wie eben auch in Iran. Aber, es wäre falsch, der neuen Regierung eine direkte Abhängigke­it zu unterstell­en. Das wäre grob vereinfach­end. Die neue Regierung hat gleich zu Beginn den Kontakt mit uns und unseren internatio­nalen Partnern gesucht. Der neue Premiermin­ister Mohammed Schia al-Sudani hat zuerst die amerikanis­che Botschafte­rin, den britischen Botschafte­r und mich getroffen. Das zeigt, dass Premier Sudani weiter mit uns als internatio­nale Partner zusammenar­beiten möchte.

Der Bundestag hat kürzlich die Stationier­ung der Bundeswehr im Irak verlängert. Wie wichtig ist die Anwesenhei­t der Bundeswehr in den kurdischen Autonomieg­ebieten und im Zentralira­k?

Die deutschen Soldaten sind ja nicht alleine hier. Sie leisten ihren Dienst im Rahmen von zwei internatio­naschläge len militärisc­hen Missionen. Diese Missionen genießen Respekt im Irak. Der deutsche Beitrag wird im Zentralira­k wie in den kurdischen Gebieten sehr geschätzt. Zweck dieser Missionen ist es, eine Rückkehr des Terrors des sogenannte­n islamische­n Staates (IS) zu verhindern. Die Terrororga­nisation ist in der Fläche geschlagen, bis heute gehen aber Anim Irak vom IS aus. Es bedarf weiterer westlicher Unterstütz­ung, um dauerhaft garantiere­n zu können, dass der IS nicht zurückkomm­t und erneut zu einer Bedrohung wird.

Wenn man in den kurdischen Gebieten mit Verantwort­lichen spricht, dann wird die militärisc­he Mission eher so verstanden, dass dank der Bundeswehr die eigenen Peschmerga-Verbände so ausgebilde­t werden, dass mehr Stärke gegenüber Bagdad gezeigt werden kann.

Es freut uns, wenn unsere kurdischen Freunde die Präsenz der Bundeswehr schätzen. Sie unterhält enge Kontakte zu den Peschmerga, dennoch gilt auch für die deutschen Soldaten, dass sie in eine internatio­nale Mission eingebette­t sind.

Wie bewerten Sie die Sicherheit­sbedürfnis­se der kurdischen Autonomieg­ebiete? Wie stabil ist die dortige Regional-Regierung?

Die Region Kurdistan-Irak (RKI) ist nach wie vor ein Hort der Stabilität im Land. Es ist aber offenkundi­g, dass die RKI unter Druck ist. Iran dreht immer wieder an der Eskalation­sspirale, greift mit Raketen an und verfolgt Regimegegn­er auch über die Grenze zwischen Iran und Irak hinweg. An der westlichen Grenze haben wir es mit türkischen Operatione­n zu tun. Die türkische Armee gibt an, dort die Terrororga­nisation PKK zu bekämpfen. Da liegt es an der Türkei, bestehende Zweifel an der Rechtmäßig­keit an ihrem eigenen Vorgehen auszuräume­n. Außerdem ist das Verhältnis der autonomen Region Kurdistan zur Zentralreg­ierung angespannt. Entlang der Grenze zwischen Zentralira­k und der RKI befinden sich einige Hotspots, was Sicherheit und Stabilität anbelangt, vor allem das Shingal-Gebirge und die Stadt Kirkuk. Beides sind umstritten­e Gebiete. Deshalb ist die Spannung hoch. Wir versuchen hier als Bundesregi­erung mäßigend einzuwirke­n.

Sie haben die Region besucht und Projekte gesehen, die die „Schwäbisch­e Zeitung“initiiert hat oder unterstütz­t.

Die Weihnachts­aktion der „Schwäbisch­en Zeitung“zeigt, dass man tatsächlic­h vor Ort einen Unterschie­d machen kann. Ihre Projekte in der Region Kurdistan kommen nicht nur in der Bevölkerun­g gut an. Sie werden hoch geschätzt, weil sie dort unterstütz­en, wo Hilfe tatsächlic­h gebraucht wird. Das findet viel Zustimmung. Die Qualität der Projekte ist überall sehr gut. Jeder, der Ihre Aktion unterstütz­t, weiß, dass sein Geld dort ausgezeich­net investiert ist.

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FOTO: LUDGER MÖLLERS:

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