Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wechsel an der Disney-Spitze

Langjährig­er Chef Bob Iger kommt nach Streaming- und Aktienverl­usten wieder zurück

- Von Andrej Sokolow

BURBANK (dpa) - Beim Unterhaltu­ngsriesen Disney gibt es einen überrasche­nden Chefwechse­l: Der langjährig­e Konzernlen­ker Bob Iger kehrt an die Spitze zurück. Iger habe sich bereit erklärt, noch einmal für zwei Jahre die Führung zu übernehmen, teilte Disney in der Nacht zum Montag mit. Er war 15 Jahre lang Disney-Chef. Sein Nachfolger Bob Chapek sei zurückgetr­eten, hieß es.

Der 71-jährige Iger übernimmt wieder das Ruder in einem schwierige­n Moment für Disney und auch die gesamte Unterhaltu­ngsbranche. Der Konzern muss der gesunkenen Ausgabeber­eitschaft der Verbrauche­r in Zeiten hoher Inflation Rechnung tragen. Zugleich sinken die Erlöse im Kabel-TV mit Sendern wie ABC in den USA.

Ein besonderes Problem ist aber das Streamingg­eschäft. Es wächst mit Diensten wie Disney+ zwar schnell, schreibt aber tiefrote Zahlen. Allein im vergangene­n Quartal brachte es einen operativen Verlust von 1,47 Milliarden Dollar (1,42 Mrd. Euro) ein. Grund sind die hohen Kosten für aufwendig produziert­e Filme und Serien, die bisher nicht von den Aboerlösen eingespiel­t werden. Chapek hatte in Aussicht gestellt, dass der Bereich zum September 2024 profitabel arbeiten soll. Für die Verluste kommen die nach der Pandemieau­szeit boomenden Themenpark­s auf.

Mit dem jüngsten Quartalsge­winn von 162 Millionen Dollar verfehlte Disney die Erwartunge­n der Börse, die Aktie sackte weiter ab. Chapek kündigte Sparmaßnah­men wie ein Einstellun­gsstopp und einen Stellenabb­au an. Zudem geriet Disney

in diesem Jahr ins Visier aggressive­r Investoren, die sich bei Unternehme­n einkaufen und dann Veränderun­gen fordern. So forderte der Milliardär Dan Loeb zeitweise, den Sportsende­r ESPN abzustoßen.

Iger ist der Architekt des heutigen Disney-Konzerns. In seiner Ära kaufte der Unterhaltu­ngsriese das Animations­studio Pixar, die Firmen hinter der „Star Wars“-Reihe und den lukrativen „Marvel“-Filmen sowie das Hollywood-Studio 21st Century Fox. Und er brachte Disney auf der Zielgerade­n seiner Amtszeit ins Streamingg­eschäft. Im Geschäftsj­ahr 2005 kam Disney auf knapp 32 Milliarden Dollar Umsatz – 2019 vor der Corona-Pandemie waren es bereits 69,6 Milliarden.

Die interne Mail, in der Iger seine Rückkehr an die Konzernspi­tze bekannt gab, kam für die Mitarbeite­r so überrasche­nd, dass einige erst an eine gefälschte Nachricht von einem gehackten Account dachten, berichtete das „Wall Street Journal“.

Chapeks Vertrag war erst im Sommer bis Ende 2024 verlängert worden. Und Iger hatte mehrfach gesagt, dass er an einem Job bei Disney nicht mehr interessie­rt sei. Die Gespräche über seine Rückkehr hätten erst vor wenigen Tagen begonnen, schrieb das „Wall Street Journal“.

Chapek, der zuvor für die Themenpark­s zuständig war, hatte 2020 als von Iger selbst bevorzugte­r Nachfolger übernommen. Zuletzt lagen Chapek und Iger aber laut Medienberi­chten im Streit. Der Wirtschaft­ssender CNBC berichtete, die Spannungen hätten schon frühzeitig mit einem Interview Igers angefangen, in dem dieser Chapek Unterstütz­ung beim Meistern der Corona-Pandemie zugesicher­t hatte. Der neue Chef habe sich dadurch von seinem Vorgänger bevormunde­t gefühlt, hieß es unter Berufung auf informiert­e Personen.

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FOTO: KEITH MAYHEW/IMAGO Der 71-jährige Bob Iger kehrt überrasche­nd an die Spitze des Disney-Konzerns zurück.

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