Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wechsel an der Disney-Spitze
Langjähriger Chef Bob Iger kommt nach Streaming- und Aktienverlusten wieder zurück
BURBANK (dpa) - Beim Unterhaltungsriesen Disney gibt es einen überraschenden Chefwechsel: Der langjährige Konzernlenker Bob Iger kehrt an die Spitze zurück. Iger habe sich bereit erklärt, noch einmal für zwei Jahre die Führung zu übernehmen, teilte Disney in der Nacht zum Montag mit. Er war 15 Jahre lang Disney-Chef. Sein Nachfolger Bob Chapek sei zurückgetreten, hieß es.
Der 71-jährige Iger übernimmt wieder das Ruder in einem schwierigen Moment für Disney und auch die gesamte Unterhaltungsbranche. Der Konzern muss der gesunkenen Ausgabebereitschaft der Verbraucher in Zeiten hoher Inflation Rechnung tragen. Zugleich sinken die Erlöse im Kabel-TV mit Sendern wie ABC in den USA.
Ein besonderes Problem ist aber das Streaminggeschäft. Es wächst mit Diensten wie Disney+ zwar schnell, schreibt aber tiefrote Zahlen. Allein im vergangenen Quartal brachte es einen operativen Verlust von 1,47 Milliarden Dollar (1,42 Mrd. Euro) ein. Grund sind die hohen Kosten für aufwendig produzierte Filme und Serien, die bisher nicht von den Aboerlösen eingespielt werden. Chapek hatte in Aussicht gestellt, dass der Bereich zum September 2024 profitabel arbeiten soll. Für die Verluste kommen die nach der Pandemieauszeit boomenden Themenparks auf.
Mit dem jüngsten Quartalsgewinn von 162 Millionen Dollar verfehlte Disney die Erwartungen der Börse, die Aktie sackte weiter ab. Chapek kündigte Sparmaßnahmen wie ein Einstellungsstopp und einen Stellenabbau an. Zudem geriet Disney
in diesem Jahr ins Visier aggressiver Investoren, die sich bei Unternehmen einkaufen und dann Veränderungen fordern. So forderte der Milliardär Dan Loeb zeitweise, den Sportsender ESPN abzustoßen.
Iger ist der Architekt des heutigen Disney-Konzerns. In seiner Ära kaufte der Unterhaltungsriese das Animationsstudio Pixar, die Firmen hinter der „Star Wars“-Reihe und den lukrativen „Marvel“-Filmen sowie das Hollywood-Studio 21st Century Fox. Und er brachte Disney auf der Zielgeraden seiner Amtszeit ins Streaminggeschäft. Im Geschäftsjahr 2005 kam Disney auf knapp 32 Milliarden Dollar Umsatz – 2019 vor der Corona-Pandemie waren es bereits 69,6 Milliarden.
Die interne Mail, in der Iger seine Rückkehr an die Konzernspitze bekannt gab, kam für die Mitarbeiter so überraschend, dass einige erst an eine gefälschte Nachricht von einem gehackten Account dachten, berichtete das „Wall Street Journal“.
Chapeks Vertrag war erst im Sommer bis Ende 2024 verlängert worden. Und Iger hatte mehrfach gesagt, dass er an einem Job bei Disney nicht mehr interessiert sei. Die Gespräche über seine Rückkehr hätten erst vor wenigen Tagen begonnen, schrieb das „Wall Street Journal“.
Chapek, der zuvor für die Themenparks zuständig war, hatte 2020 als von Iger selbst bevorzugter Nachfolger übernommen. Zuletzt lagen Chapek und Iger aber laut Medienberichten im Streit. Der Wirtschaftssender CNBC berichtete, die Spannungen hätten schon frühzeitig mit einem Interview Igers angefangen, in dem dieser Chapek Unterstützung beim Meistern der Corona-Pandemie zugesichert hatte. Der neue Chef habe sich dadurch von seinem Vorgänger bevormundet gefühlt, hieß es unter Berufung auf informierte Personen.