Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Beobachtungsgabe und Fabulierlust
Verleihung des Bodensee-Literaturpreises der Stadt Überlingen an Verena Roßbacher
ÜBERLINGEN – Feiner Witz und Tiefsinn, genaue Beobachtungsgabe und überbordende Fabulierfreude vereint die Autorin Verena Roßbacher, die am Sonntagmorgen im Überlinger Kursaal aus den Händen von Oberbürgermeister Jan Zeitler den Bodensee-Literaturpreis der Stadt Überlingen erhalten hat.
Der seit 1954 anfangs jährlich und seit 1981 alle zwei Jahre verliehene Preis sei einer der ältesten kommunalen Literaturpreise im deutschen Südwesten, sagte Zeitler. Frühere Preisträger wie Bruno Epple, Pirmin Meier, Arnold Stadler und Manfred Bosch waren anwesend – der Preis werde aber nicht nur an Literaten, sondern auch an Sachbuchautoren wie die Historiker Prof. Arno Borst oder Prof. Golo Mann vergeben. Die Preisträger kämen aus den drei Anrainerländern am See – Verena Roßbacher stehe für alle drei, denn die 1979 in Bludenz Geborene ist in Feldkirch und St. Gallen aufgewachsen, hat in Zürich Germanistik, Philosophie und Theologie und danach am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert und lebt heute in Berlin.
Was ihr Werk einzigartig und preiswürdig mache, erläuterte Juror Franz Hoben, einer der zwei Leiter des Literarischen Forums Oberschwaben und Geschäftsführer der Literaturstiftung Oberschwaben. Schon beim Debütroman „Verlangen nach Drachen“(2009) habe er über die Sprachgewandtheit und Originalität gestaunt. Hinter der burlesk-komischen Groteske stünden Ängste, ein „Kampf gegen das Dunkel in jedem von uns“. Im Roman „Schwätzen
und Schlachten“von 2014 habe sie den Spielraum der Freiheit des Erzählens ausgelotet, bei der Fülle an Themen und kulturellen Versatzstücken habe das Spielerische Regie geführt. Eine neue Form des Erzählens habe sie im Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“(2018) gefunden. Ohne an gedanklicher Tiefe zu verlieren, habe sie in der beißenden Gesellschaftssatire dem Erzählten Leichtigkeit gegeben. Der Adoleszenzroman fuße auf genauester Beobachtung und verwöhne zugleich mit Fabulierfreude. Neben großer Erzählkunst und intelligenter Struktur stehe auch das individualisierte Sprachverhalten ihrer Figuren. Mit Witz und Heiterkeit sei ihr jüngster Roman „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“geschrieben,
„feinster Lesegenuss, witzig und klug“. Ihr feiner Witz sei niemals Spott, sondern „teilnehmende Komik der Empathie“, ihr Humor immer Ausdruck der Hoffnung.
Die Preisvergabe an Verena Roßbacher sei, wie Zeitler bei der Übergabe sagte, auf bundesweite Resonanz gestoßen.
Wie sehr Humor und Tiefgang sich bei ihr verbinden, bewies Verena Roßbacher in ihrer launigen Preisrede. Ihr Fazit: „Ich würde immer vor das Rechthaben den Humor setzen“. Sie wolle die kleine Welt zu einem besseren Ort machen, erreichen, dass die Menschen weicher, mitfühlender und ein bisschen weiser werden: „Man kann ein bisschen loslassen und nicht die allgemeine Verletztheit zum Maßstab machen.“