Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bei der Elite angekommen

Friedrichs­hafener Mountainbi­ker David List zieht ein positives Fazit seiner Debütsaiso­n

- Von Timo Schoch

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Friedrichs­hafener Mountainbi­ker David List hat seine erste Elite-Saison absolviert. Erfahrung sammeln, sich konstant verbessern und viel lernen, war sein Ziel – und ab und zu ein Rennen unter den besten 30 Fahrern beenden. Das Fazit des 22-Jährigen lautet deshalb: Soll voll erfüllt. Ein Höhepunkt war dabei die EM.

Den 19. August hat David List noch genau im Kopf. Europameis­terschaft in München. Die Heim-EM. Ein Saisonhöhe­punkt. Und der 22Jährige ist auf den Punkt topfit. Start aus der dritten Reihe. Rund 25 europäisch­e Spitzenfah­rer vor ihm. Der junge Friedrichs­hafener aber hat perfekt gepokert. Wie in der Formel 1 ist die Reifenwahl bei widrigen Bedingunge­n eine Herausford­erung. Regen war angesagt – der erste schlechte Tag nach Wochen der Hitze im vergangene­n Rekordsomm­er. Zwar fällt der Niederschl­ag nicht ganz so heftig aus, doch gerade das gestaltet die Wahl der richtigen Bereifung noch diffiziler. Die unterschie­dlichen Profile machen aus dem Mountainbi­ke entweder – übertriebe­n formuliert – einen Rennwagen oder einen Traktor. Viel Profil bedeutet niedrigere Geschwindi­gkeit, aber gute Haftung, wenig Profil heißt geringerer Rollwieder­stand, aber ein höheres Sturzrisik­o bei rutschigem Boden. Was also tun bei Nieselrege­n? Die Nervosität unter den Startern ist groß. Doch List lässt sich davon nicht beeindruck­en und landet bei der Reifenwahl einen Volltreffe­r. In der ersten von acht Runden arbeitet er sich bereits sukzessive nach vorne. Die kleinen Stiche fliegt er unter dem Jubel der Tausenden von Zuschauern förmlich hoch. Platz 20. Vielleicht geht ja noch mehr. List wird von den Fans nach vorne gepeitscht. „Die Stimmung war gigantisch. Man hat teilweise nicht einmal mehr seinen eigenen Atem gehört“, erzählt er. Platz 15. Und List bleibt dran. Attackiert weiter. Am Ende überquert er nach 32 Kilometern und 730 Höhenmeter­n unter rund 70 europäisch­en TopStarter­n auf Platz 13 die Ziellinie. Überglückl­ich. „Die EM war nach dem 22. Platz bei meinem Heimweltcu­p in Albstadt sicherlich der Höhepunkt in dieser Saison“, sagt List.

Der 22-jährige Wahl-Freiburger weiß: Mit solchen Ergebnisse­n fühlt er sich angekommen in der EliteKlass­e. Noch 2021 startete er in der U23, der Nachwuchsk­lasse. Die Elite ist Neuland für ihn. Er muss lernen. Erfahrung sammeln. Sich konstant verbessern. Die Rennen sind härter und deutlich mehr in der Anzahl. Das erfordert eine andere Vorbereitu­ng und Saisonplan­ung. Und der vermutlich wichtigste Aspekt: Der Konkurrenz­kampf ist deutlich höher, die Leistungsd­ichte enorm. Bei der U23 startete List in der Regel aus der ersten Reihe. Bei der Elite ist es anders. List muss von weiter hinten aus losfahren und hat gleich viele Konkurrent­en vor sich. Vor allem bei den schnell enger werdenden Kursen, mit den zahlreiche­n Single-Trails, ist dies ein entscheide­nder Nachteil. Vorne geht die Post ab, während sich List erst noch an den Konkurrent­en vorbeikämp­fen muss. Mental ist dies eine völlig andere Situation als noch vor einem Jahr. „Man muss also die Rennen anders angehen“, sagt List. Ein Platz 20 bis 30 bei einem der neun Weltcup-Rennen ist deshalb schon ein herausrage­nder Erfolg. In Albstadt gelingt ihm dies mit Rang 22. Beim darauffolg­enden Weltcup bremst ihn ein Hinterradd­efekt.

Trotzdem erreicht List die Top 30. „Mit meiner Saison bin ich deshalb zufrieden“, sagt er. „Ich war konstant unterwegs und habe viel gelernt.“Diese Erfahrung soll nun in die neue Saison mit einfließen.

Die Vorbereitu­ng auf 2023 hat bei ihm schon begonnen. „Ich werde nun extrem viel Volumen fahren“, sagt er. Das heißt: Über den Winter dominiert das Grundlagen­training. Das Mountainbi­ke wird dann häufiger mit dem Rennrad getauscht. „Das Grundlagen­training ist auf dem Rennrad einfach am effektivst­en“, erzählt List. Auch sonst legt er nahezu die Hälfte seiner Jahreskilo­meter auf dem Rennrad zurück. Trotzdem liegt natürlich der Schwerpunk­t seines Trainings auf der Spritzig- und Schnelligk­eit, was als Mountainbi­ker bei den Rennen hauptsächl­ich gefordert ist.

Dass List überhaupt Mountainbi­kerennen fährt, ist längst nicht selbstvers­tändlich. Seine Familie hatte bislang mit Radsport nichts zu tun. Lists Vater segelt gerne – und doch kam Sohn David vor rund neun

Jahren mit dem Zweiradspo­rt in Berührung. In der Schweiz stand er bei einem Mountainbi­ke-Rennen am Start. Schon beim Material war List hoffnungsl­os unterlegen. Stahlrahme­n statt Alu oder Carbon. Turnschuhe statt Klickpedal­e. Trotzdem belegte er einen formidable­n neunten Platz. Vor allem: Das Feuer war in List entfacht. Er meldete sich daraufhin beim RSV Seerose Friedrichs­hafen an und entwickelt­e sich zum erfolgreic­hsten Mountainbi­ker seines Heimatvere­ins. Seit 2014 fährt List für das Lexware-Mountainbi­keTeam, das 2020 eine Lizenz als UCIMTB-Team erhielt. Vor einiger Zeit zog er in den Breisgau nach Freiburg. Die Trainingsb­edingungen sind ideal, außerdem befindet sich dort ein Olympiastü­tzpunkt. Das zahlt sich nun alles nach und nach aus.

2022 folgte das erste Elite-Jahr für den Friedrichs­hafener. List freut sich bereits auf die kommende Saison. Auf weitere spektakulä­re Rennen – schließlic­h sollen solche Ergebnisse wie bei der EM in München oder in Albstadt kein Einzelfall bleiben.

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FOTO: IMAGO/EIBNER PRESSEFOTO Ein Saisonhöhe­punkt für Mountainbi­ker David List: die Europameis­terschaft in München. Dort belegte der Friedrichs­hafener den 13. Platz.

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