Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eriksens Rückkehr auf die große Bühne
17 Monate nach seinem Herzstillstand ist der Däne bei der Weltmeisterschaft dabei
DOHA (dpa) - Eine WM-Teilnahme ist für jeden Fußballer das Größte – nur für Christian Eriksen dieses Mal sogar noch ein bisschen mehr. Vor 17 Monaten brach der Star der dänischen Nationalmannschaft während des EM-Spiels gegen Finnland mit einem Herzstillstand zusammen. Er sei „fünf Minuten tot“gewesen, sagte er später. An diesem Dienstag gibt der 30 Jahre alte Spielmacher sein Comeback bei einem großen Turnier. Dann spielen die Dänen bei der Weltmeisterschaft in Katar gegen Tunesien (14 Uhr/ZDF und MagentaTV).
„Es ist etwas ganz Besonderes, hier zu sein“, sagte Eriksen bei einem Medientermin auf dem WM-Trainingsgelände der Dänen in Al-Rayyan. „Ich wollte zurückkommen und wieder der sein, der ich vorher war. Aber mein erstes Ziel war es immer, ein Freund und Vater zu sein. Die einfache Tatsache, am Leben zu sein und bei meiner Familie zu sein, weiß ich jetzt voll und ganz zu schätzen.“
Was seit jenem Drama am 12. Juni 2021 mit Eriksen und auch mit der dänischen Nationalmannschaft passierte, ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Der Mittelfeldspieler bekam einen Herzschrittmacher eingesetzt und hat seitdem schon zwei Comebacks hinter sich: im Februar als Profifußballer und im März als Nationalspieler. Im Sommer verpflichtete ihn der englische Rekordmeister Manchester United. „Ich persönlich glaube: Christian war nie ein besserer Spieler, als er es jetzt gerade ist“, sagte der dänische Stürmer Jonas Wind vom VfL Wolfsburg.
Auch das dänische Team hat sich großen Respekt erarbeitet. Dem Erreichen des EM-Halbfinals folgte eine WM-Qualifikation im Eiltempo, in der keine andere europäische Mannschaft mehr Punkte holte als die Dänen. In der Nations League schlugen sie gleich zweimal den amtierenden Weltmeister und WMGruppengegner Frankreich. Auch gegen die Menschenrechtslage in Katar protestierte in den vergangenen Monaten kaum ein anderer Verband schärfer als der dänische.
Vieles von dieser Entwicklung geht auf die Tage nach Eriksens Zusammenbruch zurück. Das ganze Land erzeugte damals eine Welle der Zuneigung und Solidarität, die die Nationalmannschaft seitdem durch jedes Länderspiel trägt. Gleichzeitig wollen die Spieler jedem beweisen, dass der große Erfolg bei der EM nicht nur das Resultat dieser besonderen Atmosphäre war. Wenn du zweimal in nur dreieinhalb Monaten den Weltmeister schlägst, dann musst du ein gutes Team sein“, sagte
Wind. Die Qualität einzelner Spieler wie Eriksen, die nachrückenden Talente wie Frankfurts Jesper Lindström und die Ergebnisse der vergangenen anderthalb Jahre: Das macht die Dänen für viele zu einem der spannendsten Teams der WM. Und zu einem Geheimfavoriten.
„Unser Traum ist, etwas zu gewinnen“, sagte Trainer Kasper Hjulmand am Montag. So sieht das längst nicht mehr nur der dänische Trainer. Der Argentinier Mauricio Pochettino gab der „Süddeutschen Zeitung“ein großes Interview, in dem er über seine ehemaligen Spieler Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar sprach. Als er gefragt wurde, von wem er bei dieser WM sonst noch viel erwartet, sagte der frühere Trainer von Paris Saint-Germain und Tottenham Hotspur: „Dänemark. Aber das sage ich schon seit zwei, drei Jahren. Ich mag die. Ihren Fußball, ihren Trainer, ihre Spieler.“