Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Probleme im Haushalt
Lindner plant neue Kredite trotz Einhaltung der Schuldenbremse – Wofür der Bund 2023 Geld ausgibt
BERLIN (dpa) - Im Kampf gegen die horrenden Energiepreise und andere Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine will der Bund im kommenden Jahr wieder milliardenschwere Kredite aufnehmen. Trotzdem greift nach drei Jahren Ausnahmezustand erstmals wieder die Schuldenbremse. Das war eines der wichtigsten Wahlversprechen von FDP-Chef Christian Lindner. Dass er es einhalten kann, verdankt der Finanzminister vor allem der schlechten Konjunktur und der Kreativität seiner Haushaltsexperten. „Tatsächlich haben Sie, Minister Lindner, seit Amtsantritt eigentlich alle denkbaren Methoden ausgeschöpft, um diese Schuldenbremse des Grundgesetzes zu umgehen“, lautet deshalb auch der Vorwurf der oppositionellen Union zu Beginn der Haushaltswoche am Dienstag im Bundestag. Drei Tage lang debattieren die Abgeordneten hier RessortEtat für Ressort-Etat, bevor sie am Freitag endgültig über den Bundeshaushalt für 2023 abstimmen.
Für die Opposition hat Lindner mit seinem ersten komplett selbst verantworteten Etat schon jetzt viel Kredit als Finanzminister verspielt – sich also unglaubwürdig gemacht. Denn neben dem normalen Haushalt gibt es riesige Sondertöpfe für wichtige Investitionen. Vom Versprechen Schuldenbremse bleibe in Wahrheit also nicht viel übrig, kritisiert die Opposition. Die wichtigsten Eckwerte des SchuldenbremsenEtats für 2023:
Volumen
Insgesamt hat der Bundeshaushalt ein geplantes Volumen von 476,29 Milliarden Euro. Das sind rund 20 Milliarden weniger als in diesem Jahr – allerdings gab es da zusätzlich zu Hilfspaketen wegen des UkraineKriegs auch noch höhere Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Den größten Einzeletat hat das Arbeitsministerium, vor allem wegen hoher Summen für die Rentenversicherung. An Nummer zwei steht das Verteidigungsministerium.
Schulden
Nach drei Ausnahmejahren, erst wegen der Pandemie, dann wegen des Kriegs, soll die Schuldenbremse im Grundgesetz wieder greifen. Das heißt aber nicht, dass der Bund gar keine neuen Kredite aufnehmen kann – und das ist Lindners Glück. Wegen der schlechten Konjunktur sind Schulden von rund 45,6 Milliarden Euro erlaubt. Diesen Spielraum schöpft die Ampel-Koalition komplett aus. Die Alternative seien Steuererhöhungen – und die halte er für „ein gefährliches makroökonomisches Experiment in diesen Zeiten“, sagt Lindner.
Bewältigung der Kriegsfolgen Große Posten im neuen Haushalt haben mit dem Ukraine-Krieg zu tun. So bewilligten die Abgeordneten gerade mehr Geld für humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und den Kampf gegen den Hunger. Dazu kommen zum Beispiel eine milliardenschwere Wohngeld-Reform, ein Zuschuss zu den Heizkosten für Bedürftige und das 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr.
Entlastungen bei der Steuer
Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen von 18,6 Milliarden Euro, indem er die Inflationsfolgen bei der
Einkommensteuer ausgleicht. Dafür steigt der Grundfreibetrag, also das Einkommen, bis zu dem keine Steuer gezahlt werden muss. Auch andere Eckwerte im Steuertarif werden angepasst. Das Ergebnis: 48 Millionen Bürger müssen im kommenden Jahr weniger Steuern zahlen. Das soll ausgleichen, dass sie wegen der hohen Inflation auch weniger Kaufkraft haben.
Wo sonst noch Geld herkommt Lange nicht alle Projekte werden aus dem normalen Haushalt bezahlt. Investitionen in die Bundeswehr, vor allem aber die geplanten Preisbremsen für Gas und Strom kommen schuldenfinanziert aus riesigen Sondertöpfen. Allein die Energiepreisbremsen sollen im kommenden Jahr mehr als 80 Milliarden Euro kosten. Außerdem sind 15,2 Milliarden für die Beteiligung des Staates am angeschlagenen Gasimporteur Uniper vorgesehen.
Risiko steigende Zinsen
Der Bund muss für seine Schulden wieder deutlich mehr Zinsen zahlen als in den Vorjahren. Das macht die Haushälter nervös. 10,3 Milliarden Euro haben sie bereits zusätzlich für Zinszahlungen eingeplant. Doch niemand weiß, ob das reicht – und ob Lindners Schuldenbremse dann wirklich zu halten sein wird.