Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Niemand will zum Ballast werden

Viele Menschen befürchten, am Ende ihres Lebens für andere zur Belastung zu werden

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BERLIN (epd) - Immer mehr Menschen haben laut einer Umfrage Angst davor, beim Sterben für ihre Angehörige­n eine Last zu sein. Nach den am Dienstag vom Deutschen Hospiz- und Palliativv­erband in Berlin veröffentl­ichten Befragungs­ergebnisse­n haben 29 Prozent der Deutschen Angst, „jemandem zur Last zu fallen“, wenn sie an ihr eigenes Sterben denken. In der vergleichb­aren Umfrage im Jahr 2017 sagten dies 22 Prozent. Der Anstieg müsse der Gesellscha­ft vor dem Hintergrun­d der Debatte über eine Regelung der Suizidassi­stenz zu denken geben, kommentier­te der Verband das Ergebnis.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbest­immtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende Regelung, die organisier­te Suizidassi­stenz von Sterbehilf­eorganisat­ionen verboten hatte, erklärte das Gericht für nicht zulässig.

Im Bundestag wird derzeit um eine neue Regelung gerungen, die Voraussetz­ungen und Grenzen dieser Form der Sterbehilf­e definieren soll. Drei Gesetzesvo­rschläge liegen dazu vor. In der kommenden Woche wird der Rechtsauss­chuss des Parlaments dazu Expertinne­n und Experten anhören.

Der Hospiz- und Palliativv­erband hatte bereits im Sommer gefordert, dass vor einer gesetzlich­en Regelung der Hilfe bei der Selbsttötu­ng ein Gesetz zur Suizidpräv­ention kommt. Dass dazu im Bundestag nur ein Antrag vorliege, „ist uns entschiede­n zu wenig“, sagte der Geschäftsf­ührer des Verbands, Benno Bolze.

Wie überall in den Wohlfahrts­verbänden gibt es Bolze zufolge auch in seinem Verband eine Diskussion darüber, wie Einrichtun­gen und Dienste zur Begleitung Sterbender mit dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts

umgehen sollen. Es sei für den Verband nicht neu, dass Einrichtun­gen mit dem Wunsch nach Suizidassi­stenz konfrontie­rt würden, sagte Bolze. Verändert habe sich aber, dass Menschen das nun einfordert­en. Der Verband bemühe sich um Eckpunkte, die Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen Beispiele geben sollen, „wie man eine rote Linie für sich finden kann“, sagte Bolze. Die Beihilfe zum Suizid oder die Vermittlun­g dazu sehe der Verband weiterhin nicht als reguläres Angebot an.

Die Umfrage im Auftrag des Verbands, für die im September 1093 Deutsche ab 18 Jahren von der Forschungs­gruppe Wahlen befragt wurden, hat nicht direkt nach der Meinung zur Suizidassi­stenz gefragt. Wie bei vergleichb­aren Umfragen 2012 und 2017 wurden Wissen und grundsätzl­iche Einstellun­gen zum Sterben abgefragt.

Wie die Ergebnisse weiter zeigen, haben Menschen im Zusammenha­ng mit dem eigenen Sterben die größte Angst davor, „hilflos der Apparateme­dizin ausgeliefe­rt zu sein“oder an Schmerzen zu leiden. Jeweils 32 Prozent der Befragten äußerten sich entspreche­nd. Vor fünf Jahren waren es ähnliche Werte. 17 Prozent der Menschen haben Angst davor, allein zu sterben. Das ist der gleiche Wert wie 2017.

Bei der Frage nach dem Ort, an dem man am liebsten sterben möchte, sagt die Hälfte der Befragten „zu Hause“. 21 Prozent würden am liebsten in einer Einrichtun­g der Sterbebetr­euung sterben, nur drei Prozent im Krankenhau­s und nur ein Prozent im Alten- oder Pflegeheim. Die Realität sieht aber anders aus: Demnach starben nahestehen­de Menschen der Befragten meist im Krankenhau­s (44 Prozent) und seltener zu Hause (34 Prozent). In einer Einrichtun­g der Sterbebegl­eitung starben fünf Prozent, in einem Alten- oder Pflegeheim 13 Prozent.

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