Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zerstörungswut macht Familie fassungslos
Unbekannte Täter zertrümmern mehrere Gartenhäuser in Lindau
LINDAU - Glas knirscht unter den Schuhen, wenn man die Gartenhütte betritt. Die Fenster sind zerschlagen, das Sicherheitsglas in tausend Teile zersprungen. Die blau-weiß-gestrichene Haustür liegt in Trümmern – genauso wie alles im Inneren. Der Tisch ist gesplittert, das Sofa umgeworfen, von der Glasvitrine mit dem Geschirr steht nur noch die Rückwand und ein einzelnes Rohr ist das einzige, was vom Ofen noch übrig ist.
Die Mieterin steht mit ihrer Tochter und dem Besitzer vor dieser Zerstörung. Ihr Gesichtsausdruck ist auf diese Art leer, die nach der ersten Welle von Verzweiflung kommt und die es schwer macht, die richtigen Worte zu finden. „Es ist unglaublich, was hier passiert ist“, sagt der Vermieter. Anfang November waren unbekannte Täter in die Hütte im Pulvertobelweg eingedrungen und haben einen vermutlich fünfstelligen Schaden angerichtet.
Passiert war das etwa eine Woche zuvor, nachdem die Lindauer Mieterin und ihre Familie aus ihrem Urlaub zurückgekommen waren. Ihr Mann wollte nach ihrer Rückkehr nur schnell in der Gartenhütte nach dem Rechten sehen. Als er ankam, waren die Tür und der Ofen schon zerstört, das restliche Mobiliar aber noch ganz. Zumindest die Tür wollte das Paar am nächsten Morgen notdürftig reparieren, doch da lag dann auch schon alles in Trümmern. Vielleicht seien die Täter am Abend zuvor ja sogar noch da gewesen, hätten sich nur versteckt, als ihr Mann kam, vermutet die Betroffene jetzt. „Ich habe Angst“, sagt sie, „auch wegen den Kindern.“Deswegen will sie auch lieber nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen.
Die Polizei geht davon aus, dass die Täter aus „blindem Vandalismus und Zerstörungswut“gehandelt haben. Die Chance, sie zu fassen, sei gering. „Da keinerlei Spuren oder Zeugen
festgestellt wurden, liegen auch so gut wie keine Ermittlungsansätze vor“, schreibt Polizeihauptkommissar Bernd Vaupel von der Polizei Lindau.
Es ist nicht der erste solche Fall im Pulvertobelweg. Im Juli war dort bereits ein Gartenhaus aufgebrochen worden. Damals haben der oder die Täter eine Akku-Säge entwendet und 15 Streichhölzer angezündet – zu einem Brand sei es jedoch nicht gekommen. Am selben Novembertag, an dem die Lindauerin und ihr Vermieter jetzt vor den Trümmern ihres Gartenhauses stehen, brechen Täter in eine Hütte in der Röntgenstraße ein, etwa einen Kilometer davon entfernt. Dort haben die Täter die Scheiben an einem Küchenbuffet eingeschlagen. Die Polizei geht davon aus, dass es dieselben sind wie im Pulvertobelweg. Sie haben dort Werkzeug sichergestellt, aus dem möglicherweise neue Ermittlungsansätze gewonnen werden könnten, sagt Vaupel. Dass es zu weiteren Fällen von
Vandalismus kommt, könne die Polizei jedoch nicht ausschließen.
Die Lindauerin versucht immer noch zu begreifen, was in ihrer Hütte passiert ist. „Man weiß gar nicht, was das für Leute sind, was die im Kopf haben.“In ihrer Gartenhütte haben die Täter nicht nur auf das Mobiliar eingeschlagen, sondern sich mit Hammer, Axt und Vorschlaghammer auch an Decken und Wänden zu schaffen gemacht. Das sei reine Zerstörungswut ohne Nutzen. Wären die Leute eingebrochen, hätten eine Party veranstaltet und vielleicht ihren Müll zurückgelassen, hätte sie das nicht gut gefunden, sagt die Betroffene, aber vielleicht wenigstens besser verstanden.
Gerade für Feiern haben sie und ihre Familie den Ort ja auch gerne genutzt. Sie haben zum Beispiel einen großen Funken dort veranstaltet, mit zehn befreundeten Familien. „Weil es so schön ist hier, wo man niemanden stört“, erinnert sie sich. „Und als es spät wurde, konnten es sich die Kinder auf der Couch bequem machen.“Ein anderes Mal haben sie das Grundstück in einen kleinen, privaten Campingplatz verwandelt und Freunde mit Wohnmobilen dorthin eingeladen.
Seit zwei Jahren nutzt die Familie das Gartenhaus, hätte es besonders in den Anfangszeiten der CoronaPandemie sehr genossen, dort draußen in der Natur zu sein. Außer der Hütte gibt es auf dem Grundstück eine alte Scheune und einen kleinen Gemüsegarten. Das Klohäuschen hat die Lindauerin im März von ihrem Mann zum Geburtstag bekommen. Holzbänke und eine Feuerstelle lassen selbst an kalten Novemberabenden erahnen, wie schön es hier im Sommer sein muss.
Die Gartenhütte selbst hat die Familie renoviert, als sie sie angemietet hat. Gemeinsam mit den Eltern und Schwiegereltern und vielen weiteren Helfern haben sie den Boden verlegt, das Dach gerichtet, neue Fenster eingebaut, alles eingerichtet. Ein Jahr Arbeit steckte darin. „Es hat Spaß gemacht“, erinnert sich die Mutter und blickt auf die Zerstörung. „Aber jetzt würde es keinen Spaß mehr machen. Jetzt wäre es nur Arbeit.“
Der Besitzer des Grundstücks nickt zustimmend. Er vermietet die Hütte an die Familie. „Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, ergänzt er. „Was jetzt noch da ist, ist weniger als null.“Er überlegt, beim Wiederaufbau Stahltüren und Wildkameras zu installieren. Seine Mieterin hingegen kann aktuell nicht einmal sagen, ob sie die Hütte weiter behalten wollen. „Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt noch gerne hier aufhalten“, sagt sie. Gerade für ihre Kinder, die sieben, neun und elf Jahre alt sind, sei es ein einschneidendes Erlebnis. „Die haben jetzt ein anderes Weltbild“, erzählt sie mitgenommen. „Es ist weniger der finanzielle Schaden, der uns so nahegeht, als vielmehr, dass für uns hier eine Ära zu Ende geht.“
Es wird dunkel an diesem Novemberabend. Die Löcher in den Wänden der Hütte wirken noch ein wenig tiefer, die kaputten Fenster noch ein wenig einsamer. Eine kleine Gaslampe steht auf dem gespaltenen Tisch – der einzige Gegenstand, den die Täter ganz gelassen haben. Sie wirkt fast etwas fehl am Platz in den Trümmern. Selbst wenn man sie anzünden würde: Dass es in der Gartenhütte je wieder richtig hell wird, ist nur schwer vorstellbar.