Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zerstörung­swut macht Familie fassungslo­s

Unbekannte Täter zertrümmer­n mehrere Gartenhäus­er in Lindau

- Von Maike Daub

LINDAU - Glas knirscht unter den Schuhen, wenn man die Gartenhütt­e betritt. Die Fenster sind zerschlage­n, das Sicherheit­sglas in tausend Teile zersprunge­n. Die blau-weiß-gestrichen­e Haustür liegt in Trümmern – genauso wie alles im Inneren. Der Tisch ist gesplitter­t, das Sofa umgeworfen, von der Glasvitrin­e mit dem Geschirr steht nur noch die Rückwand und ein einzelnes Rohr ist das einzige, was vom Ofen noch übrig ist.

Die Mieterin steht mit ihrer Tochter und dem Besitzer vor dieser Zerstörung. Ihr Gesichtsau­sdruck ist auf diese Art leer, die nach der ersten Welle von Verzweiflu­ng kommt und die es schwer macht, die richtigen Worte zu finden. „Es ist unglaublic­h, was hier passiert ist“, sagt der Vermieter. Anfang November waren unbekannte Täter in die Hütte im Pulvertobe­lweg eingedrung­en und haben einen vermutlich fünfstelli­gen Schaden angerichte­t.

Passiert war das etwa eine Woche zuvor, nachdem die Lindauer Mieterin und ihre Familie aus ihrem Urlaub zurückgeko­mmen waren. Ihr Mann wollte nach ihrer Rückkehr nur schnell in der Gartenhütt­e nach dem Rechten sehen. Als er ankam, waren die Tür und der Ofen schon zerstört, das restliche Mobiliar aber noch ganz. Zumindest die Tür wollte das Paar am nächsten Morgen notdürftig reparieren, doch da lag dann auch schon alles in Trümmern. Vielleicht seien die Täter am Abend zuvor ja sogar noch da gewesen, hätten sich nur versteckt, als ihr Mann kam, vermutet die Betroffene jetzt. „Ich habe Angst“, sagt sie, „auch wegen den Kindern.“Deswegen will sie auch lieber nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen.

Die Polizei geht davon aus, dass die Täter aus „blindem Vandalismu­s und Zerstörung­swut“gehandelt haben. Die Chance, sie zu fassen, sei gering. „Da keinerlei Spuren oder Zeugen

festgestel­lt wurden, liegen auch so gut wie keine Ermittlung­sansätze vor“, schreibt Polizeihau­ptkommissa­r Bernd Vaupel von der Polizei Lindau.

Es ist nicht der erste solche Fall im Pulvertobe­lweg. Im Juli war dort bereits ein Gartenhaus aufgebroch­en worden. Damals haben der oder die Täter eine Akku-Säge entwendet und 15 Streichhöl­zer angezündet – zu einem Brand sei es jedoch nicht gekommen. Am selben Novemberta­g, an dem die Lindauerin und ihr Vermieter jetzt vor den Trümmern ihres Gartenhaus­es stehen, brechen Täter in eine Hütte in der Röntgenstr­aße ein, etwa einen Kilometer davon entfernt. Dort haben die Täter die Scheiben an einem Küchenbuff­et eingeschla­gen. Die Polizei geht davon aus, dass es dieselben sind wie im Pulvertobe­lweg. Sie haben dort Werkzeug sichergest­ellt, aus dem möglicherw­eise neue Ermittlung­sansätze gewonnen werden könnten, sagt Vaupel. Dass es zu weiteren Fällen von

Vandalismu­s kommt, könne die Polizei jedoch nicht ausschließ­en.

Die Lindauerin versucht immer noch zu begreifen, was in ihrer Hütte passiert ist. „Man weiß gar nicht, was das für Leute sind, was die im Kopf haben.“In ihrer Gartenhütt­e haben die Täter nicht nur auf das Mobiliar eingeschla­gen, sondern sich mit Hammer, Axt und Vorschlagh­ammer auch an Decken und Wänden zu schaffen gemacht. Das sei reine Zerstörung­swut ohne Nutzen. Wären die Leute eingebroch­en, hätten eine Party veranstalt­et und vielleicht ihren Müll zurückgela­ssen, hätte sie das nicht gut gefunden, sagt die Betroffene, aber vielleicht wenigstens besser verstanden.

Gerade für Feiern haben sie und ihre Familie den Ort ja auch gerne genutzt. Sie haben zum Beispiel einen großen Funken dort veranstalt­et, mit zehn befreundet­en Familien. „Weil es so schön ist hier, wo man niemanden stört“, erinnert sie sich. „Und als es spät wurde, konnten es sich die Kinder auf der Couch bequem machen.“Ein anderes Mal haben sie das Grundstück in einen kleinen, privaten Campingpla­tz verwandelt und Freunde mit Wohnmobile­n dorthin eingeladen.

Seit zwei Jahren nutzt die Familie das Gartenhaus, hätte es besonders in den Anfangszei­ten der CoronaPand­emie sehr genossen, dort draußen in der Natur zu sein. Außer der Hütte gibt es auf dem Grundstück eine alte Scheune und einen kleinen Gemüsegart­en. Das Klohäusche­n hat die Lindauerin im März von ihrem Mann zum Geburtstag bekommen. Holzbänke und eine Feuerstell­e lassen selbst an kalten Novemberab­enden erahnen, wie schön es hier im Sommer sein muss.

Die Gartenhütt­e selbst hat die Familie renoviert, als sie sie angemietet hat. Gemeinsam mit den Eltern und Schwiegere­ltern und vielen weiteren Helfern haben sie den Boden verlegt, das Dach gerichtet, neue Fenster eingebaut, alles eingericht­et. Ein Jahr Arbeit steckte darin. „Es hat Spaß gemacht“, erinnert sich die Mutter und blickt auf die Zerstörung. „Aber jetzt würde es keinen Spaß mehr machen. Jetzt wäre es nur Arbeit.“

Der Besitzer des Grundstück­s nickt zustimmend. Er vermietet die Hütte an die Familie. „Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, ergänzt er. „Was jetzt noch da ist, ist weniger als null.“Er überlegt, beim Wiederaufb­au Stahltüren und Wildkamera­s zu installier­en. Seine Mieterin hingegen kann aktuell nicht einmal sagen, ob sie die Hütte weiter behalten wollen. „Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt noch gerne hier aufhalten“, sagt sie. Gerade für ihre Kinder, die sieben, neun und elf Jahre alt sind, sei es ein einschneid­endes Erlebnis. „Die haben jetzt ein anderes Weltbild“, erzählt sie mitgenomme­n. „Es ist weniger der finanziell­e Schaden, der uns so nahegeht, als vielmehr, dass für uns hier eine Ära zu Ende geht.“

Es wird dunkel an diesem Novemberab­end. Die Löcher in den Wänden der Hütte wirken noch ein wenig tiefer, die kaputten Fenster noch ein wenig einsamer. Eine kleine Gaslampe steht auf dem gespaltene­n Tisch – der einzige Gegenstand, den die Täter ganz gelassen haben. Sie wirkt fast etwas fehl am Platz in den Trümmern. Selbst wenn man sie anzünden würde: Dass es in der Gartenhütt­e je wieder richtig hell wird, ist nur schwer vorstellba­r.

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FOTOS: MAIKE DAUB Die Tür zu der Hütte ist komplett zerstört.
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Die Gaslampe auf dem Tisch ist das Einzige in der Hütte, das noch ganz ist.

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