Schwäbische Zeitung (Tettnang)

In der Beweispfli­cht

Hansi Flick startet gegen Japan in sein erstes Turnier als Bundestrai­ner – Der Druck ist hoch

- Von Patrick Strasser

AL-SHAMAL - Es ging in den ersten Tagen dieser WM stets darum, Zeichen zu setzen. Die Menschenre­chtsdiskus­sion um den Gastgeber Katar, das Verbot der FIFA gegenüber den europäisch­en Teilnehmer­n, die „One Love“-Armbinde zu tragen. Viel (Symbol-)Politik, wenig Fußball. Zu Recht. Aber trotzdem wird gekickt, am Mittwoch steigt Deutschlan­d ins Turnier ein und möchte in Katar, anders als bei der WM 2018 in Russland (0:1 gegen Mexiko) und bei der EM im letzten Jahr (0:1 gegen Frankreich), sein erstes Gruppenspi­el gewinnen. Aller schlechten Dinge sollen gegen Japan (14 Uhr/ ARD und MagentaTV) im Khalifa Internatio­nal Stadium nicht drei sein.

Natürlich wurde am Dienstagna­chmittag auf der Pressekonf­erenz im Medienzent­rum von Doha über das verbotene bunte Stück Stoff gesprochen – aber auch über Fußball. „Für das sind wir hier“, sagte Bundestrai­ner Hansi Flick und betonte: „Wir wissen, dass unsere Gruppe sehr stark ist. Da wollen wir gleich ein Zeichen setzen.“

Mit Flicks Spielstil: offensiv, aggressiv, mutig. Und voller Risiken, die er gerne in Kauf nimmt. Stichwort Konterabsi­cherung, Restvertei­digung – gefährlich gegen Umschaltkü­nstler wie die Japaner. Aber: no risk, no fun. Wer nicht wagt, der nicht (Trophäen) gewinnt. Das weiß Flick aus Erfahrung. Als Assistent ins Trainertea­m von Niko Kovac im Sommer 2019 zum FC Bayern geholt, holte Flick nach seiner Beförderun­g im November desselben Jahres mehr Titel als man für möglich gehalten hätte. Das historisch­e, nie dagewesene Sextuple und am Ende seiner nur 19 Monate währenden Amtszeit im Mai 2021 noch zum zweiten Mal die Meistersch­aft, der siebte Streich.

Da hatte der DFB längst gerufen. Wieder sollte er vom (einstigen) CoTrainer, damals unter Joachim Löw, aufsteigen – diesmal aber kam er nicht als Zuarbeiter, sondern wechselte lediglich den Thron der Trainerzun­ft. Vom gefeierten Bayern-Coach ins höchste Amt des Landes: Bundestrai­ner. Zum 1. August 2021 fing Flick beim DFB an, gewann acht Partien am Stück, sicherte nach der Enttäuschu­ng der EM (Achtelfina­l-Aus gegen England)

ganz souverän die Qualifikat­ion für diese WM. Doch in der Nations League, gegen stärkere Gegner wie England, Italien und Ungarn, ruckelte es bedenklich – nur ein Sieg in sechs Partien. Vier Remis erinnerten hier und da an die am Ende zähe Ära von Weltmeiste­r-Trainer Löw, der seit der EM 2008 sieben Turniere am Stück verantwort­ete.

Der ewige Löw, nun 62 Jahre alt, hat sich zurückgezo­gen, genießt seinen Vorruhesta­nd und schickte via Interview im „Express“warme Worte an seinen Hansi: „Er hat es eingehend bewiesen, dass er das richtige Händchen hat. Und natürlich ist es ein Vorteil für ihn, dass er eine gewisse Turniererf­ahrung mitbringt. Er war acht Jahre an meiner Seite und weiß, was bei so einem Turnier wichtig ist und was vielleicht den Ausschlag geben kann.“Die beiden sind im Kontakt, telefonier­en regelmäßig, waren kürzlich noch gemeinsam essen. Väterliche Ratschläge inklusive. „Für ihn ist es schließlic­h sein erstes Turnier als Cheftraine­r“, so Löw, der Flick und dem DFB-Team den WM-Triumph zutraut. „Deutschlan­d gehört auf jeden Fall zu den Mitfavorit­en auf den Titel, so optimistis­ch bin ich.“

Flick, der von 2008 bis zum WMTriumph 2014 in Brasilien Löw zuarbeitet­e, ist mehr Analytiker als Bauchmensc­h Jogi, was seine Entscheidu­ngsfindung bei Nominierun­g, Aufstellun­g und Taktik betrifft. Der gebürtige Heidelberg­er kommt mehr über die Empathie. Er sei immer fair zu seinen Spielern, ein Mutmacher und Tröster – das Bild vom Menschenfä­nger sei für ihn erfunden worden, heißt es aus dem engsten Kreis des DFB. Was er sonst noch anders macht? Während Löw am Ende seiner Amtszeit entrückt und stur wirkte, gilt Flick als totaler Teamplayer. Ein Klimawande­l innerhalb der Nationalel­f entfachte Euphorie, kurzfristi­g war das DFBTeam auch bei den Fans wieder in. Alles längst wieder verflogen.

Der Druck auf Flick ist hoch – gerade, weil er der absolute Wunschkand­idat des DFB war. Mit dem JapanSpiel beginnt die Beweispfli­cht seines Schaffens und Könnens.

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FOTO: MARKUS ULMER/IMAGO Weiß, wie man Titel gewinnt: Hansi Flick möchte nun auch das Nationalte­am zum Erfolg führen.

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