Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Heldenepos in Grün

Saudi-Arabien schlägt sensatione­ll Mitfavorit Argentinie­n und löst große Euphorie aus

- Von Florian Krebl und Marco Krummel

LUSAIL (SID) - Lionel Messi blickte ungläubig und fast flehentlic­h in den Himmel, doch auch die Hilfe von oben blieb aus. Während der Kapitän der Argentinie­r und seine entsetzten Mitspieler nach einer der größten Sensatione­n der WM-Geschichte vom Rasen des brodelnden Stadions in Lusail schlichen, flippten die „Grünen Falken“aus Saudi-Arabien und ihre Anhänger nach dem 2:1 (0:1) gegen einen der großen WM-Favoriten völlig aus – und mit ihnen ein ganzes Land.

Der Golfstaat erklärte den Mittwoch kurzerhand zum nationalen Feiertag, wie die offizielle saudische Nachrichte­nagentur berichtete. „Alle Beschäftig­ten in allen Bereichen des Staates und der Privatwirt­schaft sowie Studenten und Studentinn­en aller Bildungsst­ufen“erhalten demnach einen freien Tag. Saudische Medien bejubelten einen „historisch­en Sieg“und ein „Heldenepos“. Und Sportminis­ter Abdalasis bin Turki al-Faisal schickte über Twitter „tausend, tausend Glückwünsc­he, ihr Helden.“

Bei den Argentinie­rn herrschte dagegen pure Enttäuschu­ng. Es gibt keine Entschuldi­gung“, sagte Messi: „Es ist eine Situation, in der wir schon lange nicht mehr waren. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir eine echte Mannschaft sind.“Es sei ein schwerer Schlag für sie alle, betonte Messi: „Wir hatten nicht erwartet, so zu starten.“

Dabei hatte alles nach Plan begonnen: Mit einem Foulelfmet­er nach Videobewei­s traf Messi zunächst noch zur frühen Führung für den Favoriten. Der 35-Jährige ist nun der erst fünfte Fußballer, der bei vier Weltmeiste­rschaften ein Tor erzielt. Doch das reichte nicht. Saleh Alsheri (48.) und Salem Aldawsari (53.) nahmen ihr

Herz in die Hand, drehten für den über sich hinauswach­senden Außenseite­r die Partie und sorgten für die erste argentinis­che Auftaktnie­derlage seit 1990.

Mit dem unerwartet­en Tiefschlag endete nach 1238 Tagen und 36 Partien unmittelba­r vor Einstellun­g des Weltrekord­s von Italien (37) die Serie von Spielen ohne Niederlage – für Messi und die Albicelest­e ein blamabler Fehlstart auf der Jagd nach dem dritten WM-Titel: Saudi Arabien ist nur die Nummer 51 der Weltrangli­ste. Argentinie­n

muss in der Gruppe C bereits um den Achtelfina­l-Einzug bangen. Vor den Duellen mit Mexiko und Polen ist der Druck jedenfalls enorm.

Messi drehte vor 88.012 Zuschauern zunächst voll auf, bereits nach 95 Sekunden zwang er Torhüter Mohammed Alowais mit einem Schuss aus 14 Metern zu einer Glanzparad­e. Dann zeigte Schiedsric­hter Slavko Vincic mit Hilfe des Videobewei­ses nach Halten von Saud Abdulhamid an Leandro Paredes auf den Punkt, Messi vollendete cool zum 92. Länderspie­ltor. Sein zweiter Treffer (22.) zählte ebenso nicht wie jene von Martinez (27., 35.) wegen knappen Abseits.

Stattdesse­n schlug nach dem Wechsel der Underdog eiskalt zu, Alsheri (48.) und Aldawsari (53.) trafen mit traumhaft platzierte­n Abschlüsse­n. Die Argentinie­r reagierten mit wütenden Angriffen, Nicolas Tagliafico (63.) scheiterte aus drei Metern an Torhüter Mohammed Alowais. Häufig fehlte es der Elf von Lionel Scaloni jedoch an Ideen, die Saudis schmissen sich im eigenen Strafraum aufopferun­gsvoll in jeden Ball. Und wenn sich doch Chancen ergaben, war der überragend­e Aloweis zur Stelle.

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FOTOS: SEBASTIAN FREJ/RODOLFO BUHRER/IMAGO Während die Saudis um Torschütze Saleh Alsheri (links) ihren Überraschu­ngserfolg bejubeln, droht Superstar Lionel Messi (rechts) und Argentinie­n das Aus nach der Vorrunde.
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