Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nordische Kombinatio­n fürchtet um Existenz

Der Traditions­disziplin drohen krasse Einschnitt­e bis hin zum Olympia-Aus

- Von Christoph Leuchtenbe­rg

RUKA (SID) - Der König der Kombinatio­n ist in Sorge. Nicht nur um seine möglichen Thronfolge­r, sondern gar um sein ganzes sportliche­s Reich: Wenn Eric Frenzel am Freitag im finnischen Ruka in seine 16. und womöglich letzte Weltcup-Saison startet, dann springen und laufen bei ihm und seinen Kollegen dunkle Schatten mit. Ungewisse olympische Zukunft, kein Interesse in weiten Weltteilen. Einer Traditions­sportart droht der Sturz in die Bedeutungs­losigkeit.

„Das alles ist sehr ernüchtern­d“, sagt Frenzel, seit Montag 34 Jahre alt: „Wir führen Diskussion­en, bei denen den Athleten nicht wirklich klar ist, worüber überhaupt diskutiert wird. Das wirkt alles sehr willkürlic­h.“

Worum es in letzter Konsequenz geht: Die Nordische Kombinatio­n, seit den ersten Winterspie­len 1924 im Programm, könnte schon für 2030 ihren Olympia-Status verlieren – und damit auf das Level von OrchideenD­isziplinen wie Telemark- oder Speedski abrutschen.

Schon bei den Spielen 2026 von Mailand wurde bei der Traditions­sparte der Rotstift angesetzt: Stand jetzt sind nur 36 statt bislang 55 Quotenplät­ze und damit maximal zwei pro Nation vorgesehen, der Teamwettbe­werb würde wegfallen. Die Kombiniere­rinnen sind gar nicht erst dabei, ihre Bemühungen um Aufnahme ins Programm blieben vergeblich.

„Das belastet mich wirklich“, sagt Hermann Weinbuch, seit 1996 Bundestrai­ner. Von seinen neun Topathlete­n des Leistungsk­aders 1a wie Frenzel, Johannes Rydzek oder Vinzenz Geiger darf er sieben für den Weltcup nominieren. „Wenn ich künftig nur noch zwei zu Olympia mitnehmen kann, wird bei vielen die

Motivation schwierig, verlieren wir die Breite“, sagt Weinbuch. „Wir sind der Willkür des IOC ausgeliefe­rt.“

Dass das Internatio­nale Olympische Komitee einen harten „NoKo“Kurs“fährt, hat mehrere Gründe. Die Dominanz der Topnatione­n ist zu groß, 2021/22 kamen 16 Athleten der besten 20 im Weltcup aus Deutschlan­d, Österreich oder Norwegen. Zudem ist die Kombinatio­n – im Gegensatz zum ebenfalls von wenigen Ländern geprägten Rodel- und Bobsport – auf dem wichtigen nordamerik­anischen Markt nahezu bedeutungs­los. Und schließlic­h ist es noch nicht gelungen, eine ausreichen­de Zahl an Frauen auf ein ausreichen­des Niveau zu heben – das IOC pocht auf Geschlecht­er-Proporz.

„Das werden heftige Einschnitt­e für uns“, sagt Olympiasie­ger Geiger. Den 25-jährigen Oberstdorf­er betreffen die düsteren Zukunftsau­ssichten deutlich mehr als Senior Frenzel. Noch finsterer sind die Aussichten für die Kombiniere­rinnen, die mindestens sieben weitere Jahre auf eine Olympiacha­nce warten müssen wenn sie denn jemals kommt. „Das ist ein Schlag ins Gesicht“, sagte DSV-Athletin Svenja Würth in der ARD.

Was tun? Die Topnatione­n haben sich darauf verständig­t, „schwachen“Ländern Know-how-Hilfe zu leisten, zudem sollen – behutsam angepasste – Neuformate im Weltcup eingeführt werden. Die Traditions­sportart komplett zu verschlimm­bessern, wie es dem Modernen Fünfkampf droht, soll vermieden werden.

„Wir sollten nicht den Hebel an der Sportart selbst ansetzen. Unsere Rennen bei Olympia waren an Spannung nicht zu überbieten“, sagt Frenzel: „Wir sollten aber Weltcups in Ländern wie Polen haben oder in Übersee. Damit die sehen, welche coolen Wettkämpfe wir liefern.“

„Das alles ist sehr ernüchtern­d.“Athlet Eric Frenzel

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FOTO: ORYK HAIST/IMAGO Der Nordischen Kombinatio­n mit Athleten wie Eric Frenzel (links) droht der Sturz in die Bedeutungs­losigkeit.

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