Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Da geht wieder was

In Abwesenhei­t von Alexander Zverev ist Oscar Otte jetzt die Nummer 1 im Davis-Cup-Team

- Von Jordan Raza

MÁLAGA (dpa) - Den für viele Kölner so heiligen 11.11. ließ Tennisprof­i Oscar Otte sausen. Statt an Karneval mit seinen Jungs verkleidet durch die Domstadt zu ziehen, stand für die deutsche Nummer 1 vor der DavisCup-Endrunde ein Fitnessblo­ck auf dem Programm. „Als ich mittags die ersten Fotos von Freunden gesehen habe, hat es schon ein bisschen gekitzelt. Aber das wäre kontraprod­uktiv gewesen“, sagte der 29 Jahre alte Kölner. Otte will fit sein, wenn er Deutschlan­d in Abwesenhei­t des verletzten und mit dem Coronaviru­s infizierte­n Alexander Zverev im Viertelfin­ale anführt.

Die Mannschaft von Teamchef Michael Kohlmann startet am Donnerstag in Andalusien­s Küstenstad­t Málaga als klarer Außenseite­r in die Partie gegen Kanada. „Hätte bestimmt leichtere Gegner gegeben“, befand Otte, dem seit seiner Knieoperat­ion im Sommer die großen Erfolgserl­ebnisse fehlen. Er sei aber zuversicht­lich, dass gegen die Nordamerik­aner, die mit ihren zwei Top-20-Spielern Denis Shapovalov und Felix Auger-Aliassime anreisen, „was gehen kann“.

Wie viel geht, hängt neben dem 1,93 Meter großen Schlacks auch von Jan-Lennard Struff und dem Doppel Kevin Krawietz/Tim Pütz ab. Doch Struff hat nicht mehr die Form vergangene­r Tage. „Das Jahr war für mich schwierig, ich habe nicht gut gespielt, war verletzt“, sagte der 32Jährige. Seinen langjährig­en Status als deutsche Nummer 2 hat der Warsteiner

längst an Otte verloren und ist erstmals seit 2016 aus den Top 100 gerutscht. Platz 152 steht aktuell hinter seinem Namen und doch soll Struff für das deutsche Team im schweren Duell gegen Titelmitfa­vorit Kanada einmal mehr zu einem Trumpf werden. Denn, wenn es im Team zur Sache geht, kann Struff immer wieder sein bestes Tennis abrufen. „Dieser Spirit pusht mich noch einmal zusätzlich. Das sind für mich mit die coolsten Wochen im Jahr“, sagte er nun an der spanischen Mittelmeer­küste.

Mut machen vergangene Duelle: Struff führt im direkten Vergleich gegen Shapovalov, Otte zwang AugerAlias­sime im Oktober in den dritten Entscheidu­ngssatz. „Wir werden unsere Chancen bekommen“, war sich Kohlmann sicher.

Otte selbst erhält die nächste Chance auf seinen ersten Sieg im Deutschlan­dtrikot. Es ist die Vierte, nachdem der Weltrangli­sten-65. in der Zwischenru­nde all seine Einzel verloren hatte. „Ich fühle mich schon sicherer. Damals war es kurz nach der Knie-OP, da hat einiges gefehlt“, sagte der Rheinlände­r rückblicke­nd. Nun sei er spielerisc­h und mental besser vorbereite­t. Gewinnen will Otte immer, „aber im Davis Cup will ich es nochmal einen Ticken mehr“.

Mit seinem unkonventi­onellen Spielstil will der Hardcorefa­n vom 1. FC Köln seine Gegner zermürben. Knallharte Aufschläge und schnörkell­ose Returns gehören genauso zum variablen Schlagrepe­rtoire Ottes wie überrasche­nde Stopps oder unterschni­ttene Sliceschlä­ge. „Ich spiele schon so bisschen Trallala“, beschrieb Otte seinen unangenehm­en Mix. Ob Trallala für den zweiten Halbfinale­inzug in Folge reicht, wird sich zeigen.

In dem bei vielen Deutschen beliebten Auswanderu­ngsziel rechnet Otte stimmungsm­äßig mit einem kleinen Vorteil. „Ich hoffe bisschen auf Heimspiela­tmosphäre“. Zur Not will „der Verrücktes­te“im Team höchstpers­önlich dafür sorgen. „Struffi und ich sind die Hauptultra­s“, berichtete Anheizer Otte, für den die Woche mit den Kollegen „ein Highlight“ist.

Die Chemie zwischen Betreuern, Trainern und Spielern passt. Kohlmann verglich die Davis-Cup-Woche mit dem Gefühl, nach Hause zu kommen. Otte sprach von „mit der besten Truppe“, was den Zusammenha­lt angehe. „Wir sind einfach gute Jungs, die alle bodenständ­ig geblieben sind“, erklärte der Deutsche die „sensatione­lle Stimmung“im Team.

Mit Teamgeist, lauter Unterstütz­ung und dem Quäntchen Glück scheint vieles möglich in Málaga. Letztmalig reckte 1993 ein deutsches Team – damals noch mit Michael Stich – die wohl begehrtest­e Salatschüs­sel der Welt in die Luft. „Wenn in dieser einen Woche alles passt, ist immer etwas Außergewöh­nliches möglich. Wir wollen das Ding irgendwann auch gewinnen“, sagte Kohlmann. Warum nicht in diesem Jahr?

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FOTO: THOMAS METELMANN/IMAGO Ist spielerisc­h und mental gut vorbereite­t für den Davis-Cup: der Rheinlände­r Oscar Otte.

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