Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Scholz im Kreuzfeuer

Bei der Generaldeb­atte liefern sich Kanzler und Opposition­sführer heftige Wortgefech­te

- Von Theresa Münch

BERLIN (dpa) - Als unsportlic­hes Kind hat Olaf Scholz viel gelesen – da dürfte es dem Kanzler nicht schwergefa­llen sein, sich an das sprechende, weiße Kaninchen von „Alice im Wunderland“zu erinnern. In dieses fantasievo­lle Buch fühle er sich versetzt, wenn er Opposition­sführer Friedrich Merz zuhöre, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im Bundestag. „Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein. Und was zunächst logisch klingt, ist in Wahrheit blanker Unsinn.“Scholz und der CDU-Chef lieferten sich einen verbalen Schlagabta­usch über den richtigen Krisenkurs für Deutschlan­d – und die ersten elf Monate Ampel-Politik.

Die Debatte zum Haushalt des Kanzleramt­s nutzt die Opposition traditione­ll zu einer Generalabr­echnung mit der Regierungs­politik. So legte Unionsfrak­tionschef Merz vor und warf der Ampel „handwerkli­ch miserables Regierungs­handeln“vor. „Sie können es vielleicht nicht besser. Das ändert sich wahrschein­lich auch nicht“, sagte er. Die Regierung habe Fehler bei der Krisenbewä­ltigung gemacht. Scholz konterte: „Eine Krise, von der wir heute sagen können: Unser Land hat sie im Griff.“

Ganz so angriffslu­stig wie bei der vergangene­n Generaldeb­atte im September zeigten sich die beiden nicht. Damals war Merz hart mit der Ampel-Koalition ins Gericht gegangen. Scholz hatte sein Manuskript zur Seite gelegt und sich frei sprechend Luft gemacht. Diesmal fehlte dem Opposition­sführer offenkundi­g an manchen Stellen der Ansatz. Wichtige Streitfrag­en hatten Ampel und Union am Vortag ausgeräumt: Es gab eine Einigung beim Bürgergeld. Die Winterlück­e bei Hilfen gegen die hohen Energiepre­ise wurde geschlosse­n. Die Preisbrems­en sollen rückwirken­d auch für Januar und Februar gelten.

So hatte der Kanzler diesmal kaum einen Grund, seinen vorbereite­ten Redetext zu verwerfen: Ein Schnelldur­chgang durch die wichtigste­n der fast 100 Gesetze in fast einem Jahr rot-grün-gelber Bundesregi­erung. Mehr Mindestloh­n, mehr Kindergeld, mehr Wohngeld. „Sie reden von Entlastung­en, aber stimmen dagegen. Wir setzen Entlastung­en um“, sagte er an die Union gerichtet.

Scholz verwies auf volle Gasspeiche­r, Flüssiggas­terminals, neue Liefervert­räge, das Wiederanla­ufen der Kohlekraft­werke, den Weiterbetr­ieb von Atomkraftw­erken und die geplanten Energiepre­isbremsen. Für diesen Winter sei Deutschlan­ds Energiesic­herheit „wohl“gewährleis­tet. Trotzdem bleibe Energiespa­ren wichtig.

Eindringli­ch wurde Scholz immer dann, wenn er spontan reagierte. Die Ampel-Regierung habe in nicht einmal zwölf Monaten mehr in Gang gesetzt, als die Regierunge­n der vergangene­n zwölf Jahre. Nicht seine Koalition sei das Problem im Land. „Wer das glaubt, glaubt auch an sprechende, weiße Kaninchen“, sagte der Kanzler. „Willkommen im CDUWunderl­and, wo die Realität auf dem Kopf steht.“

Der literarisc­he Konter kam nicht von Merz, sondern später vom CSUPolitik­er Alexander Dobrindt, der ebenfalls ein Kinderbuch bemühte: „Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregi­erung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinries­e.“Je näher man der Bundesregi­erung komme, desto kleiner würden die politische­n Leistungen.

Scholz sah man auf der Regierungs­bank bei solchen Äußerungen keine Regung an – seinem Vizekanzle­r, Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) schon. Sie steckten die Köpfe zusammen, schmunzelt­en, ganz so, als hätten sie in den vergangene­n Wochen nicht auch harte politische Kämpfe miteinande­r ausgefocht­en.

Scholz bescheinig­te seiner Ampel und ausdrückli­ch diesen beiden Ministern dann auch zupackende Arbeit und einen Geist der Erneuerung. Ein bloßes „Weiter so“sei keine Option. Mit Blick auf Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) ätzte er: „Die Partei des „Weiter so“sitzt jetzt in der Opposition. Und da gehört sie auch hin.“

Merz dagegen sah die Regierung „im ständigen Streit ihrer Ressortmin­ister“versinken. So verliere die Politik immer mehr Vertrauen der Bevölkerun­g. Es fehle eine große, die

Menschen mitreißend­e Rede von Scholz, „die die besten Kräfte unseres Landes mobilisier­t“.

Auch die Linke warf der Ampel Chaos und unzureiche­nde Hilfen für die Bevölkerun­g vor. „Viele Menschen fühlen sich nicht beschützt und unterstütz­t“, sagte Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch. Statt eines großen Schutzschi­rms gebe es „Wellness für die Wohlhabend­en und unterlasse­ne Hilfeleist­ung“für die Mehrheit der Bürger.

AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel warf der Ampel-Koalition vor, das Land in den Ruin zu führen. „Ihre Politik zerstört Deutschlan­d“, sagte sie. „Zwölf Monate Ampel, das sind zwölf Monate mutwillige Zerstörung unserer Wirtschaft und unseres Wohlstande­s, zwölf Monate Gängelung, Bevormundu­ng und Schröpfen der Bürger, zwölf Monate Politik einer Regierung, die Einschränk­ungen predigt, während sie selbst aus dem Vollen schöpft.“

 ?? FOTO: KAY NIETFELD/DPA ?? Die Opposition ging Olaf Scholz (SPD) in der Generaldeb­atte der Haushaltsw­oche gehörig an den Kragen. Der Bundeskanz­ler teilte dagegen vor allem gegen die Union aus.
FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die Opposition ging Olaf Scholz (SPD) in der Generaldeb­atte der Haushaltsw­oche gehörig an den Kragen. Der Bundeskanz­ler teilte dagegen vor allem gegen die Union aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany