Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wie die Unternehmensnachfolge gelingt
Bad Saulgauer IT-Firmenchef plant seinen Rückzug – Die Zukunft hat er frühzeitig geregelt
BAD SAULGAU - Irgendwann kommt für jeden Unternehmer die Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wer sein Unternehmen in Zukunft weiterführt. Am naheliegendsten ist nach wie vor, es in die Hände der Nachkommen zu geben und das Unternehmen weiterhin in Familienbesitz zu wissen. Wenn das nicht möglich ist, geht die Suche nach einem Nachfolger los. Der Nachfolgeprozess benötigt aber vor allem eines: Geduld.
„Wir spüren, dass die Babyboomer-Generation so langsam ins Rentenalter kommt und dieses Thema angehen muss,“berichtet Jürgen Kuhn von der IHK Bodensee-Oberschwaben. Kuhn rät, die Nachfolgeregelung deshalb frühzeitig anzugehen. „Unsere Empfehlung ist, sich spätestens mit 60 mit dem Thema zu beschäftigen“, so Kuhn weiter. Denn der Prozess benötige seine Zeit. „Oft ist es auch nicht der erste Kandidat, der der Übernehmer ist, sondern teilweise der zweite, dritte oder vierte.“So ähnlich ging es auch Artur Stangl, der 2009 das IT-Dienstleistungsunternehmen „all for IT“in Bad Saulgau gegründet hat. Das Unternehmen sorgt für eine funktionierende IT-Infrastruktur seiner Kunden – diese seien eine „gute Mischung“aus Industriekunden und öffentlichen Auftraggebern wie Schulen. Der Endfünfziger möchte sich nun langsam aus dem Unternehmerdasein zurückziehen. „Ich bin ein vorausdenkender, strategisch orientierter Mensch“, sagt Stangl über sich selbst. Weil er keine Kinder hat, die das Unternehmen weiterführen könnten, ist es ihm wichtig, die Nachfolge frühzeitig geregelt zu haben.
Bis im vergangenen Jahr hatte Stangl einen aussichtsreichen Kandidaten aus dem eigenen Haus an der Hand. Bei ihm konnte er sich vorstellen, dass er ihn mittelfristig beerbt. Der Übernahmeprozess war bereits detailliert durchgeplant, der potenzielle Nachfolger sollte nach und nach Anteile am Unternehmen übernehmen.
Bei solchen Prozessen gebe es aber immer Herausforderungen, sagt Stangl. „Das ist ein neuer Lebensabschnitt sowohl für denjenigen, der sein Unternehmen abgibt, als auch denjenigen, der es übernimmt.“In anderthalb Jahren sei aber nur wenig vorangegangen. „Das Problem war, dass wir zu wenig kommuniziert haben. Das war für beide Seiten nicht gut.“Dass sich beide Parteien klar zum Vorhaben bekennen, sei deshalb unerlässlich. „Es ist wichtig, die
Ernsthaftigkeit auf beiden Seiten zu unterstreichen“, sagt Stangl. Dass es nicht geklappt hat, bedauert Stangl. „Im Nachhinein ist man aber immer schlauer.“
Der Nachfolgeprozess wurde also wieder auf Anfang gesetzt. Im zweiten Anlauf sollen diese Fehler unbedingt vermieden werden. „Ich habe dann eine Koryphäe entdeckt“, sagt Stangl stolz. Seit Juli ist nun Matthias Ruf als Co-Geschäftsführer an Bord. Vorher arbeitete er in einer Führungsposition bei einem großen ITUnternehmen in Friedrichshafen. Die beiden Männer waren aber schon vor Rufs Einstieg bei „all for IT“freundschaftlich verbunden und haben bereits gemeinsam einige größere Projekte gestemmt. „Die ITWelt ist klein. Da kennt man sich“, berichtet Stangl.
Dass Ruf jetzt Stangls Nachfolger wird, sei allerdings eher Zufall gewesen. „Ich habe ihn angerufen und ihm gratuliert, dass er einen Nachfolger gefunden hat“, berichtet Ruf. Nachdem es mit diesem schlussendlich nicht geklappt hat, kam ein Ding zum anderen. „Ich habe vorher nicht drüber nachgedacht, mich selbstständig zu machen“, sagt der 41-jährige Familienvater. Man müsse sich Gedanken machen, wie viel Risiko man eingehen möchte. „Es muss einfach passen“, sagt er. Seine Kinder sind inzwischen elf und 14 Jahre alt und aus dem Gröbsten raus, sagt er. Dann kam die Chance bei „all for IT“.
In der Übergangszeit wollen Stangl und Ruf das Unternehmen sieben Jahre lang als Doppelspitze führen. Das Unternehmen zwischenzeitlich gemeinsam nach vorne bringen zu wollen, da waren sich beide von Anfang an einig. Dabei sei auch Transparenz überaus wichtig, betonen beide Geschäftsführer. Zwei Monate vor Rufs Einstieg wurden alle
Mitarbeiter informiert. „Ich möchte den Mitarbeitern die Sicherheit geben, dass das Unternehmen auch nach meinem Rückzug weiter existiert“, sagt Stangl, dessen Team zum neuen Jahr aus insgesamt 17 Mitarbeitern besteht. Zudem wurden vorab alle Kunden über die Veränderung informiert. „Wir haben uns auch die Zeit genommen, unsere Kunden persönlich zu besuchen“, sagt Artur Stangl.
„Außerdem ist es von Vorteil, lange begleitend dabei zu sein und einen möglichst fließenden Übergang zu schaffen“, sagt Stangl. Auch Matthias
Ruf sieht die gemeinsame Zeit als großen Gewinn. „Mir war es wichtig, ihn als Mentor, als Coach noch an Bord zu haben“, sagt er. „Für mich als Sicherheit und um den Unternehmenserfolg zu gewährleisten.“
„Was wir aber unterschätzt haben, ist, dass wir manche Mitarbeiter vielleicht nicht so gut mitgenommen haben“, sagt Stangl. „Als mein Nachfolger bereitstand, hat sich sicher der ein oder andere vor den Kopf gestoßen gefühlt.“Mit dem Umbruch seien bei bestimmten Mitarbeitern Erwartungshaltungen entstanden, die die Neuausrichtung des Unternehmens blockiert hätten. „Wir haben solche Szenarien aber vorher durchgespielt und auch unangenehme Dinge angesprochen“, so Stangl. „Es gibt immer Mitarbeiter, die keine Veränderung wollen. Das musste ich auch lernen“, sagt Matthias Ruf. Eine gewisse Fluktuation blieb bei „all for IT“nicht aus. „Ganz nach dem Motto: Aufs Beste hoffen und aufs Schlimmste vorbereitet sein“, fasst Ruf die Herausforderungen beim Prozess zusammen. „Es läuft nie alles rund. Es ist utopisch so zu denken.“Professionelle Unterstützung sei unerlässlich, weshalb Stangl von Beginn an die IHK Bodensee-Oberschwaben zu Rate zog.
Dass Artur Stangl seinen Nachfolger in den eigenen Reihen gefunden hat, ist eher die Ausnahme als die Regel. „Nur wenige trauen sich dieses unternehmerische Wagnis zu“, ordnet Jürgen Kuhn von der IHK Bodensee-Oberschwaben die Herausforderungen bei der Unternehmensnachfolge ein. Findet sich innerhalb der Familie oder im Unternehmen kein geeigneter Kandidat, rät er, das Unternehmen bei der Unternehmensbörse „nexxt-change“einzustellen, um so mit potenziellen Interessenten in Kontakt treten zu können. Das geschieht zu Beginn ganz anonym. „Dann kann sondiert werden: Was klingt interessant, was weniger interessant?“, so Kuhn weiter.
Ein Schritt, den sich Stangl und Ruf sparen und so den Nachfolgeprozess frühzeitig vorantreiben konnten. „IT ist Leidenschaft. Irgendwann muss man loslassen“, sagt Stangl. „Das Unternehmen ist wie mein Baby, das gibt man nie gerne aus der Hand.“
Ganz abgeben muss er es aber noch nicht. In sieben Jahren wird Bilanz gezogen. Dann stellen sich Ruf und er die Frage, was es noch zu tun gibt. „Wichtig ist, dass es dem Unternehmen und den Mitarbeitern gut geht“, sagt Stangl. Ganz aus der Welt ist er dann aber nicht. Bei Bedarf, betont er, stehe er Ruf dann nach wie vor beratend zur Seite.