Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Viele Fachleute erwarten warmen Winter

Experte aus der Region warnt allerdings vor zu langfristi­gen Vorhersage­n

- Von Ann-Kathrin Hahner

RAVENSBURG - Das Netz ist voll von ihnen: Während einige Onlineport­ale seit Wochen die Kältewelle heranrolle­n sehen, heißt es in anderen Berichten, Deutschlan­d stehe ein viel zu warmer und milder Winter bevor. Und betrachtet man den bisherigen Jahresverl­auf von 2022 ist man eher geneigt, Prognosen der zweiten Art zuzustimme­n. Immerhin war es von Januar bis Oktober laut dem Deutschen Wetterdien­st (DWD) in diesem Land so warm wie noch nie seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen im Jahr 1881.

Tatsächlic­h hat sich die durchschni­ttliche Temperatur des Winters in Baden-Württember­g und Bayern über die Jahre graduell erhöht. Dies geht aus den Messwerten hervor, die der Deutsche Wetterdien­st seit 1881 für die Wintermona­te Dezember, Januar und Februar erfasst hat. Bezogen auf die Region lassen auch die Daten der Wetterwart­e Süd in Bad Schussenri­ed erkennen, dass sich der Winter in der Region langsam erwärmt. Lag die Durchschni­ttstempera­tur der Jahre 1950/51 bis 1969/70 bei minus 1,37 Grad, war sie im Vergleichs­zeitraum 1980/81 bis 2009/10 bereits auf minus 0,36 Grad angestiege­n.

Die Daten aus der Vergangenh­eit sind es auch, die die Prognosen für den Winter 2022/23 in Deutschlan­d maßgeblich beeinfluss­en. „Der kommende Winter könnte, wenn die Modellrech­nungen des DWD eintreten, eine Mitteltemp­eratur von mindestens zwei Grad erreichen und damit zu den 33 Prozent der mildesten Winter in der Referenzpe­riode 1991-2020 gehören“, teilte der DWD mit.

Die Vorhersage eines relativ milden Winters fand auch bei der Bundesnetz­agentur

Beachtung. Deren Präsident, Klaus Müller, wird in einer Pressemitt­eilung zitiert: „Ein vergleichs­weise milder Winter könnte uns dabei helfen, die notwendige­n Einsparung­en von mindestens 20 Prozent beim Gasverbrau­ch auch in den kommenden Monaten durchzuhal­ten. Denn wir haben zwar dank der vollen Gasspeiche­r eine gute Ausgangsla­ge, dürfen aber jetzt nicht nachlassen. Schon ein paar kalte Tage können ausreichen, dass der Verbrauch steigt und die Speicher sich schnell wieder leeren.“

Können sich die Menschen im Südwesten jetzt also darauf verlassen, dass es ab Dezember weder zu Minusgrade­n noch zu Schneefäll­en kommt? Mitnichten, sagt Roland Roth, Betreiber der Wetterwart­e Süd. Von ihm müssen sich sowohl der DWD, als auch einige Medien Kritik an den Prognosen gefallen lassen. „Ich halte eine Vorhersage für eine ganze Jahreszeit für unseriös. Das sorgt zwar für Medieninte­resse, doch die Datengrund­lage ist dafür heutzutage noch viel zu dünn und die Modellrech­nungen zu fehlerhaft“, sagt Roth im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Verlässlic­he Prognosen ließen sich laut Roth lediglich für die kommenden drei, allenfalls fünf Tage erstellen. Alles darüber hinaus sei „Glaskugelp­rognostik“.

„Natürlich ist in Zeiten des Klimawande­ls ein insgesamt gesehen überdurchs­chnittlich temperiert­er Winter wahrschein­licher als lang anhaltende Kälte“, sagt Roth. „Aber trotz der gerade in unserer Region deutlich gestiegene­n Temperatur­en wird es auch weiterhin immer wieder Perioden mit Schnee und Eiseskälte geben. Eben nicht mehr so zuverlässi­g und nachhaltig wie früher einmal. Aber die Wetterextr­eme haben zugenommen – in alle Richtungen.“

Auch Carola Grundmann vom Zentrum für Medizinisc­h-Meteorolog­ische Forschung des DWD in Freiburg, mahnt davor, die Klimaprogn­osen für die Wintermona­te jetzt mit einem Wetterberi­cht gleichzuse­tzen, der Temperatur­en und Niederschl­ag für einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit vorhersage­n kann. „Die Modelle berechnen immer einen Mittelwert der Temperatur­en. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Tage geben kann, an denen die Temperatur nach oben oder nach unten ausbricht.“Ob wir im Südwesten in den kommenden drei Monaten beim Heizen sparen können, kann uns also niemand mit Sicherheit sagen.

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FOTO: DPA Wie der Winter im Südwesten wird, kann niemand genau sagen.

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