Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tettnanger kritisiert Mietwucher bei Geflüchtet­en

560 Euro kalt für ein möbliertes Zimmer: Konrad Möbus prangert an, dass es keinen Kontrollme­chanismus gebe

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Dass es keinen Kontrollme­chanismus gebe, der einen möglichen Mietwucher bei geflüchtet­en Menschen aus der Ukraine verhindert, diesen Vorwurf erhebt Konrad Möbus. Er ist ehrenamtli­cher Mitarbeite­r in Tettnang und unterstütz­t Geflüchtet­e. In dieser Eigenschaf­t stieß er auf eine Ukrainerin, die für ein möbliertes Zimmer in Tettnang 560 Euro zuzüglich 250 Euro Nebenkoste­n zahlen sollte.

Konrad Möbus zeigt ein Video, das ein Dachzimmer mit Schrägen zeigt. „Das sind offenkundi­g fast weniger als zehn Quadratmet­er Wohnfläche, die man ansetzen kann“, schätzt er. Zwar habe die Frau einige andere Räume im Haus mitnutzen dürfen. Aber, so Möbus: „Sie hat mir gesagt, dass erwartet worden war, dass sie unentgeltl­ich Putzhilfe leistet und die Kinder beaufsicht­igt. Auch hat sich die Familie an ihren Lebensmitt­eln im Kühlschran­k bedient.“

Die Frage, die er sich stellt: „Wie konnte das Zimmer in dieser Form und zu diesem Preis vermietet werden?“Im Mietvertra­g taucht keine Wohnfläche auf, die zehn Quadratmet­er, die Möbus nennt, basieren auf dem Video. Aber dann seien das ja kalt 56 Euro pro Quadratmet­er.

Zuständig für die Frage, ob die Miete übernommen wird, ist das Jobcenter, das am Landratsam­t Bodenseekr­eis angesiedel­t ist. Das betrifft die Geflüchtet­en aus der Ukraine, die noch keine Arbeit gefunden haben.

Hier äußert Sprecher Robert Schwarz: „Gemäß Paragraph 67 SGB II müssen wir zur Zeit die tatsächlic­hen Mietkosten, die der Mieter tragen muss, übernehmen.“Es gebe keine inhaltlich­e Prüfung des PreisLeist­ungs-Verhältnis­ses. Und es gebe auch keine statistisc­he Aufbereitu­ng.

Sollte es so sein, dass ein massiver Missstand auffalle, lege das Jobcenter den Kunden beratend nahe, sich juristisch zu wehren, äußert Lars Gäbler, ebenfalls Sprecher des Landkreise­s: „Auch wenn klar ist, dass dies angesichts der Wohnungsno­t, Sprachbarr­ieren und Notsituati­on der Betroffene­n eine meist theoretisc­he Option ist.“Eine eigene Handhabe habe die Behörde nicht.

Dass die Situation im Jobcenter extrem herausford­ernd ist, hat auch Konrad Möbus so erlebt. Was ihn aber aufregt, ist, dass noch nicht mal eine Vorprüfung durch die Stadt erfolgt.

Gegen einen städtische­n Mitarbeite­r hatte er im August eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde bei Bürgermeis­ter Walter eingereich­t. Grund: „Begünstigu­ng oder Duldung erkennbar sittenwidr­igen Vorgehens Dritter“. Bei der Polizei erstattete Möbus aus dem gleichen Grund Anzeige, ebenso gegen den Vermieter der Ukrainerin wegen Mietwucher­s.

Die Strafanzei­ge gegen den Vermieter liegt der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg seit Anfang November vor und soll nun geprüft werden, sagt eine Sprecherin.

Gleiches gelte für eine Strafanzei­ge wegen einer Gewaltandr­ohung durch den Vermieter. Es gibt also noch keine inhaltlich­e Aussage der Behörde, wie es in diesem Fall weitergehe­n wird.

Möbus berichtet, dass der ihn vom Grundstück geworfen hatte, nachdem dieser der Ukrainerin wegen verzögerte­r Zahlungen gekündigt hatte. Möbus hatte die Frau damals zum Haus begleitet, um noch einige Briefe abzuholen. Der Vermieter verwies ihn auf eine Art des Grundstück­s, durch die Möbus sich nachhaltig bedroht fühlt.

Der Ehrenamtli­che kann nicht verstehen, dass der städtische Mitarbeite­r nicht hellhörig geworden ist. Die Miete liege ganz erheblich über der ortsüblich­en Vergleichs­miete.

Auch als er ihn damit konfrontie­rt habe und ihn auf den Tatbestand des Mietwucher­s aufmerksam gemacht habe, habe der Mitarbeite­r keine Anstrengun­g unternomme­n, das augenblick­lich zu korrigiere­n: „Er hat dies sogar wortreich bagatellis­iert.“

Die Stadt verweist darauf, dass es sich bei allen Mietverträ­gen „um privatrech­tliche Mietverträ­ge zwischen Mietern und Vermieter“handelt. Die Miethöhen würden nicht erfasst, da sie auch nicht vorlagepfl­ichtig seien. Es gebe eine öffentlich einsehbare Mietobergr­enzentabel­le. Bei einer Nachfrage heißt es: „Die Prüfung und Freigabe der Mietverträ­ge erfolgt durch den Kostenträg­er, das Landratsam­t Bodenseekr­eis.“

Die Dienstaufs­ichtsbesch­werde sei intern vollumfäng­lich aufgearbei­tet worden, heißt es weiter. Das war auch der Stand von Konrad Möbus.

Bis er aus allen Wolken gefallen sei, als er Wochen später von einer anderen Ukrainerin hörte, dass ihr der gleiche Mietvertra­g mit dem gleichen Vermieter zu gleichen Konditione­n angeboten worden sei. Und wieder sei der gleiche Mitarbeite­r der Stadt involviert gewesen.

Dass es überhaupt eine direkte Vermittlun­g samt Kenntnis der Konditione­n gegeben habe, weist die städtische Sprecherin Judith Maier jedoch als unwahr zurück: „Der Mietvertra­g wurde direkt zwischen dem Vermietern und der Mieterin unterzeich­net und war bereits einige Zeit unterschri­eben und vom Jobcenter genehmigt, als dieser dem Mitarbeite­r das erste Mal vorlag.“

Der Druck, geflüchtet­e Menschen unterzubri­ngen ist hoch. Das war erst jüngst im Ortschaftr­at Kau Thema, als Landrat Wölfle und Tettnangs Bürgermeis­ter Bruno Walter die Situation dargestell­t hatten.

Die Quintessen­z: Die Zahl der angebotene­n Wohnungen insgesamt nehme ab. Und das schaffe auf der andere Seite dann wieder Probleme, wo Tettnang und andere Kommunen ausreichen­d Raum für Geflüchtet­e hernehmen solle.

In einem Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“hatte Bürgermeis­ter Walter auf die Frage, wie sich die Miethöhe im Schnitt darstelle, einmal geantworte­t, dass das nicht systematis­ch erfasst werde.

Der Eindruck sei aber, dass es zwar auch Menschen gebe, die hohe Mieten verlangen. In der Regel sei die Miethöhe allerdings normal, manche verlangten auch wenig oder nichts.

Im Kern war auch damals die Strategie der Stadt, so viele Wohnungen wie möglich zu vermitteln, damit die Menschen in ein Mietverhäl­tnis kommen können.

Konrad Möbus findet die Situation unerträgli­ch. Es solle gar nicht erst möglich sein, Wohnungen überteuert anzubieten: „Ich finde die schamlose Ausnutzung dieser Situation durch Einzelne unerträgli­ch, während andere ihren Wohnraum sogar kostenlos zur Verfügung stellen.“

Hier bietet er sich „mit meiner Erfahrung als Vermieter“(Möbus) an, um Wohnungen und Mietverträ­ge im Vorhinein zu prüfen. Er sagt: „Es geht mir um eine rein pragmatisc­he Vorgehensw­eise, schon im Ansatz zu verhindern, dass die ohnehin schon überlastet­en Mitarbeite­r des sozialen Dienstes der Stadt Tettnang als auch des Landratsam­ts in Friedrichs­hafen zusätzlich belastet werden.“

Dass es eine Mehrbelast­ung gibt, geben beide Behörden zu. Zu den reinen Fallzahlen etwa äußert Lars Gäbler vom Landratsam­t, dass die Zahl der Haushalte, die Leistungen durch das Jobcenter erhalten, mittlerwei­le bei 3800 liegt. Vor dem Rechtskrei­swechsel seien es 2900 Haushalte gewesen. Damit bezieht er sich auf den „Wechsel der zentralen Sozialleis­tungen für Geflüchtet­e aus der Ukraine von den Migrations­behörden in die Jobcenter“.

Diese Zunahme an Arbeit kollidiert aber mit einem hohen Krankensta­nd, der laut Gäbler „nur geringfügi­g durch neues Personal“habe aufgefange­n werden könne“. Es sei sehr scher, Mensch zu finden, die die Arbeit und den psychische­n Druck aushalten würden.

Die Stadt wird das Angebot von Konrad Möbus, Mietverträ­ge und Wohnungen oder Zimmer zu prüfen, nicht annehmen. Auf Nachfrage sagt Sprecherin Judith Maier: „Das Angebot wird grundsätzl­ich positiv bewertet. Da die Stadt keine rechtliche Mieterbera­tung durchführt, wird von der rechtliche­n Anbindung an die Stadt abgesehen.“

Bezüglich des fraglichen Zimmers läuft derzeit seitens der Stadt noch ein Kommunikat­ionsprozes­s. Das Zimmer sei zwischenze­itlich nicht mehr von der Stadt vermittelt worden, wie zu erfahren war.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T Konrad Möbus hat Unterlagen mit zum Gespräch in die Redaktion gebracht. Der Vorgang nimmt bei ihm im Aktenschra­nk jetzt schon einigen Platz ein.

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