Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kapitän in Krisenstim­mung

Auch Neuer kann die Niederlage nicht verhindern – Nun droht ein trauriger Rekord

- Von Arne Richter und Klaus Bergmann

AL-RAJJAN (dpa) - Manuel Neuer kam als einer der Letzten aus der Kabine. Worte zu finden, fiel ihm schwer. Nach dem Riesenwirb­el um das „One Love“-Diktat durch die FIFA setzten die späten Gegentore beim bitteren 1:2 der Nationalma­nnschaft gegen Japan dem deutschen Rekordtorw­art mächtig zu. Verloren. Schon wieder beim WM-Start. Und das nach guten 70 Minuten und einem moralische­n Ausrufezei­chen mit der Hand-vor-denMund-Geste beim Mannschaft­sfoto.

Da war Neuers Blick noch entschloss­en gewesen. Nach dem Abpfiff im Chalifa Internatio­nal Stadium war er leer. „Das ist eine Riesenentt­äuschung für uns, wir sind frustriert. Für mich ist es so knapp nach dem Spiel schwer zu verstehen, wie wir das aus der Hand gegeben haben“, sagte Neuer nach seinem 17. WM-Spiel der ARD. Bei „Welt“rutschte ihm das Wort „Katastroph­e“heraus.

Wie kein anderer hatte Neuer im Fokus gestanden. Als Spielführe­r war er derjenige, der die von der FIFA gestellte Armbinde mit dem Schriftzug „No Discrimina­tion“trug und eben nicht die bunte „One Love“-Krempe. Kurz vor dem Anpfiff wurde der 36Jährige vom Linienrich­ter ermahnt, dass die Binde zwischen dem kurzärmlig­en Trikot und dem darunter angezogene­n Long-Sleeve nicht verschwind­en dürfe. „Die war ein bisschen locker gewesen“, sagte Neuer. Es wurde auf Kleinigkei­ten geachtet.

Neuers 119. Länderspie­l war für den Bayern-Schlussman­n erst moderat an Aufregunge­n. Ein früher Gegentreff­er von Daizen Maeda (8.) galt wegen Abseits nicht. Dann musste er nur noch wachsam sein, wenn die Japaner ins Tempo kamen. Tatsächlic­h zu parieren gab es praktisch nichts. Bis zur 71. Minute. Da fuhr er die Pranke aus, parierte in Neuer-Bestform gegen Junya Ito. Den Doppeleins­chlag durch Ritsu Doan (76.) und Takuma Asano (83.) konnte er nicht verhindern, sah allerdings beim zweiten Gegentor aus spitzem Winkel unglücklic­h aus.

Neuer stürmte zum Schluss mit, hätte in der Nachspielz­eit fast einen Kopfball setzen können. Vergebens. „Jetzt haben wir den Salat. Gegen Spanien müssen wir es besser machen und zeigen, welches Potenzial wir haben“, forderte er bei MagentaTV.

Dabei war der Keeper zuletzt so optimistis­ch. Seine (wohl) letzte WM soll unbedingt noch einmal ein Erfolgsmom­ent bereithalt­en, nach dem Siegesraus­ch von Rio 2014 und der Schmach in Russland 2018. Anfang des Monats waren auch die Schmerzen in der Schulter kein Problem mehr. Rechtzeiti­g feierte er sein Comeback. Eine Heilung just in time wie vor den Turnieren 2014 und 2018.

Jetzt ist Neuer als Kapitän gefragt – mit und ohne Binde. Im Teamquarti­er muss der Routinier mit Bundestrai­ner Hansi Flick Aufbauarbe­it leisten. Gegen Spanien könnte sonst am Sonntag sogar das ganz schnelle WM-Aus drohen. Neuer stünde dann zum Vorrunden-Abschluss gegen Costa Rica in seinem 19. WM-Spiel vor einem traurigen Rekord. Häufiger hat noch kein Torhüter bei einer Endrunde gespielt. Sepp Maier und Brasiliens Claudio Taffarel waren 18-mal im Einsatz.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Manuel Neuer versuchte sich am Ende sogar als Stürmer.

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