Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ministerin mit „One Love“-Binde
Nancy Faeser wettert gegen die FIFA – DFB sieht sich in der Opposition
AL-RAJJAN (dpa) - Nancy Faeser streifte ihren pinken Blazer ab und zeigte demonstrativ die „One Love“Binde. Auf dem Tribünenplatz neben FIFA-Präsident Gianni Infantino setzte die Bundesinnenministerin beim verpatzten WM-Auftakt der DFBAuswahl gegen Japan ein deutliches Zeichen für Offenheit und Vielfalt. Schon vor dem Anpfiff hatte die SPDPolitikerin ihre scharfe Kritik am Fußball-Weltverband, der den Mannschaften das Tragen des Symbols bei der Endrunde in Katar unter Androhung von Sanktionen verboten hatte, erneuert.
Faeser bezeichnete die FIFA-Entscheidung als „großen Fehler“und „inakzeptabel“. Es sei nicht in Ordnung, „in solch einer Art und Weise in ein Turnier einzugreifen. Ich hoffe, dass rechtlich geklärt wird, ob es überhaupt zulässig ist, Sanktionen zu verhängen.“In Deutschland sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, er hoffe, „dass diese Diskussionen das Bewusstsein für Sportgroßveranstaltungen, zukünftige Ausrichter und die Haltung der Verbände positiv verändern werden“.
Der DFB hatte in der Causa angekündigt, einen Gang vor den internationalen Sportgerichtshof Cas zu prüfen. Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Laut einem Bericht des niederländischen Rundfunks NOS hätten die Verbände Englands, Wales’, Belgiens, Deutschlands, Dänemarks, der Schweiz und der Niederlande vorerst
Abstand davon genommen. „Es ist nicht möglich, vor den Cas zu ziehen. Die Deutschen prüfen die rechtlichen Möglichkeiten, aber man kann nicht vor den Cas ziehen, ohne vorher Berufung bei der FIFA einzulegen“, sagte Dänemarks Verbandschef Jakob Jensen dazu.
Der Weltverband hatte sportliche Sanktionen angedroht für den Fall, dass die mehrfarbige Binde doch getragen wird. Der DFB verzichtet wie alle an der Kampagne teilnehmenden Nationen auf die geplante Aktion. Stattdessen hielten die deutschen Nationalspieler beim Mannschaftsfoto unmittelbar vor dem Anpfiff eine Hand demonstrativ vor den Mund.
Faeser, die gemeinsam mit DFBPräsident Bernd Neuendorf vor dem Spiel mit Infantino zusammentraf, übte dennoch leise Kritik am DFB. „Ich hätte mir eine klarere Haltung gewünscht, aber es ist eine gemeinsame Entscheidung aller Verbände“, sagte die Innenministerin. Zugleich relativierte sie: „Der DFB ist nicht der Ursprung. Der Ursprung ist die FIFA.“
Entsprechend groß ist der Unmut in der Fußball-Szene über das Vorgehen des Weltverbandes. „Mittlerweile habe ich nur noch einen großen Hals auf die FIFA“, sagte Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger in der ARD und fügte hinzu: „Ich finde es unfassbar, was sie sich herausnehmen.“Infantino wisse „ganz genau, dass Europa gespalten ist. Er nutzt es bis zum letzten Tag aus. Ich finde es unterirdisch, dass die FIFA so tut, als wäre sie ein wohltätiger Verband. Es ist eine so desolate, disfunktionale Organisation.“
Fredi Bobic, Geschäftsführer von Hertha BSC, wetterte bei MagentaTV: „Dieses korrupte System der FIFA werden wir leider so schnell nicht ändern. Das ist der größte Skandal, weil es den Fußball extrem beschädigt und nicht fair ist gegenüber den Jungs, die ein Turnier spielen wollen.“
Ähnlich groß ist die Entrüstung bei Neuendorf. „Die FIFA arbeitet mit Einschüchterung und Druck, das muss man zunächst konstatieren“, sagte der DFB-Präsident in der ARD. „Ich stehe zu allem, was ich gesagt habe zum Thema Menschenrechte. Wir sind in der Opposition zur FIFA, das ist ganz wichtig, dass das hier deutlich wird. Wir müssen überlegen, welche Schlüsse wir daraus ziehen.“