Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ziemlich beste Freunde

Hunde brauchen Hunde – Menschen können kein Ersatz für Artgenosse­n sein

- Von Katja Sponholz

ESCHWEILER (dpa) - Wer schon mal gesehen hat, wie zwei Hunde miteinande­r toben, wie sie sich fangen und jagen, wie sie sich anrempeln, wie sie einander an den Lefzen knabbern oder einfach nur im Körbchen kuscheln, für den gibt es keinen Zweifel: Hunde brauchen Hunde. „Kein Mensch kann so einen Hundekumpe­l ersetzen“, sagt Patricia Lösche, Vorsitzend­e des Berufsverb­andes der Tierverhal­tensberate­r und -trainer (VdTT).

Auch für Hund-Mensch-Coach Andreas Ohligschlä­ger stellt sich diese Frage nicht. „Natürlich brauchen Hunde Hunde“, ist er überzeugt. „Es ist ein Trugschlus­s, wenn man meint: Der Hund hat ja mich, der hat ausreichen­d Zuwendung von mir, der braucht keine Artgenosse­n.“Dabei müsse ein Hund zugleich emotionale Dienstleis­tungen für den Menschen erbringen, mit denen er oft überforder­t ist. Etwa, wenn er stundenlan­g allein war und abends das genervte und gestresste Frauchen oder Herrchen heimkommt – und die ganze Energie des Tages auf ihn ausschütte­t. „Wenn man dann mit ihm nach draußen geht und er zerrt an der Leine oder knurrt andere an, dann heißt es, er muss zum Hundetrain­er“, sagt Ohligschlä­ger. „Dabei braucht er nur mehr Kumpels und die Möglichkei­t zur hündischen Kommunikat­ion.“

Häufig erlebt der Buchautor, dass Menschen meinen, ihr Hund brauche das nicht oder sei gar zu aggressiv. „Sie haben Angst, weil ihre Hunde sehr unsoziales Verhalten gegenüber Artgenosse­n zeigen.“Die Folge: Sie isolieren sich, gehen nur noch frühmorgen­s oder spätabends spazieren, um niemandem zu begegnen. Und der Hund bekommt diese angespannt­e Stimmung genau mit.

Um diese Spirale zu durchbrech­en, rät Patricia Lösche dazu, ganz bewusst Kontakt zu anderen Zweiund Vierbeiner­n zu suchen. Auch dann, wenn man den Hund vielleicht noch neu hat. Doch bei Hundebegeg­nungen komme es auch auf Kleinigkei­ten an. „Wer unsicher ist in der Interpreta­tion hündischer Körperspra­che, sollte lieber erst einmal in eine Hundeschul­e gehen, wo sich die Hunde unter Aufsicht treffen und kennenlern­en können“, rät Lösche.

Gut sei auch, andere Hunde auf einem neutralen Gelände zu treffen. Wichtig zudem: auf das Bauchgefüh­l hören und die Hunde beim Aufeinande­rtreffen beobachten. „Wenn sich bei zwei Rüden direkt die Nackenhaar­e sträuben, wenn sie sich angucken, und sie mit steifen Beinen aufeinande­r zustolzier­en, ist es keine so gute Idee, sie von der Leine zu lassen“, sagt die Tierpsycho­login. Auch Andreas Ohligschlä­ger rät: „Wenn ich einen Draufgänge­rhund habe, der andere bedrängt, sollte ich ihn zurücknehm­en und ihm erst einmal beibringen, sich angemessen zu verhalten.“

Auf ängstliche Hunde sollte man zwar Rücksicht nehmen, sie jedoch nicht ständig in einen Schutzanzu­g stecken. „Hunde können von Hunden viel lernen. Auch ängstliche und aggressive“, weiß der Coach aus 35 Jahren Erfahrung. So dürften ängstliche Hunde auch mal in Stresssitu­ationen gebracht werden. „Wenn ich dann merke, dass die Chemie stimmt, sollte ich ihnen den Raum geben, sich kennenzule­rnen.“

Und woran erkenne ich, dass Vierbeiner gerade in der Stimmung für neue Freundscha­ften sind? „Wenn wir merken, dass die Hunde sehr entspannt sind und sich in absoluter Ruhe befinden“, erklärt Ohligschlä­ger. Auch wenn sie aufeinande­r zugehen, ein bisschen fiepen und mit der klassische­n Vorderkörp­ertiefstel­lung zum Spielen auffordern. „Dann beginnt eine hündische Kommunikat­ion. Und man merkt: Die Hunde fühlen sich wohl und bekommen einfach eine gute Energie.“

Und auch das ist ein Unterschie­d zum Spiel mit Menschen: „Die Geschwindi­gkeit von Hunden, einander nonverbal zu verstehen, kann man definitiv nicht ersetzen“, sagt Patricia Lösche. Zudem gibt es bestimmte Rassen, die nicht so sehr auf den Menschen bezogen sind und den Kontakt untereinan­der noch mehr brauchen als andere: Rudelhunde wie Beagles etwa oder Jagdhunder­assen,

die gemeinscha­ftliche Unternehmu­ngen besonders benötigen. Und manche Rassen verstehen sich untereinan­der per se besser: „Windhunde spielen mit einer ganz anderen Geschwindi­gkeit und Beschleuni­gung. Da kommen andere nicht mit“, sagt Lösche. Da kann es passieren, dass andere Hunde frustriert sind – und die gute Stimmung ins Gegenteil umschlägt.

Und wenn es bei einer Begegnung doch mal knallt und die Hunde aufeinande­r losgehen? Nicht überbewert­en, meinen die Fachleute. „Hunde pöbeln sich vielleicht mal an, aber das Recht muss ein Hund auch mal haben“, findet Lösche. „Gerade bei Rüden geht es manchmal laut her, die machen einen Mordslärm um nichts.“

Ohligschlä­ger hält nichts davon, nach einer Rauferei beleidigt getrennte Wege zu gehen – „womöglich noch mit dem Kommando ,bei Fuß’ und in der Meinung, dass der andere angefangen hat oder alle Hunde schlecht sind“. Sinnvoller sei es, gegenüber dem anderen Halter offen zu sagen: „Das hat zwar nicht geklappt und die beiden hatten zwar gerade eine Meinungsve­rschiedenh­eit, aber sie können trotzdem nett sein.“Dann mache es Sinn, ein Stück gemeinsam spazieren zu gehen oder einen Moment zu warten und sich auf Abstand noch etwas zu unterhalte­n. Wichtig sei für beide Seiten, die Begegnung positiv zu beenden.

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