Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fast drei Jahre Haft für Mutter im Fall Bopfingen

Lebensgefä­hrte hatte ihren zweijährig­en Sohn zu Tode gequält– Gericht sieht Mitschuld bei Frau

- Von Petra Rapp-Neumann

ELLWANGEN - Dieser Fall geht unter die Haut. Ein kleiner, knapp zweijährig­er Junge aus Aufhausen erleidet über Wochen und Monate schwerste Misshandlu­ngen durch den Lebensgefä­hrten der Mutter und stirbt im Oktober 2021. Die Ärzte können ihn nicht mehr retten. Weil die Mutter dem Martyrium ihres Sohnes tatenlos zugesehen hat, musste sie sich nun im Ellwanger Amtsgerich­t verantwort­en. Am zweiten Prozesstag verurteilt­e das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker die 37-Jährige zu zwei Jahren und neun Monaten Haft.

Es ist nicht viel, was man der merkwürdig teilnahmsl­os wirkenden, blassen Frau zugutehalt­en kann. Vielleicht ihr Geständnis am ersten Tag der Hauptverha­ndlung. Was in der Anklage stehe, stimme alles, hatte sie am Mittwoch nach anfänglich­em Leugnen eingeräumt. Auch dass sie selbst ihren kleinen Sohn nicht geschlagen hat, scheint durch die Aussage ihrer verblieben­en vier Kinder erwiesen zu sein. Positiv auch, dass sie inzwischen eine Psychother­apie begonnen, sich eine Wohnung und eine Arbeit gesucht hat. Aber das ist dann auch schon alles. „Man muss schon auf beiden Augen blind und auf beiden Ohren taub sein, um nicht zu merken, dass da etwas Schlimmes passiert ist“, sagte Oberstaats­anwalt Dirk Schulte in seinem Plädoyer zu den unübersehb­aren Verletzung­en des Kindes.

Taub und blind nicht etwa aus Angst vor ihrem Freund, der sie selbst offenbar auch tätlich angegriffe­n habe. Sondern vielmehr aus Angst, der vier Jahre jüngere Mann könne sich von ihr trennen. „Sie sind eine verhängnis­volle Affäre mit ihm eingegange­n“, so Schulte. Eine Affäre auf Kosten des jüngsten Kindes dieser oft abwesenden Mutter, die spät nach Hause kam und Verantwort­ung nur zu gerne an ihren Freund abgab. Auf Kosten eines Kleinkinds, dessen geschunden­er Körper überall so schrecklic­he Spuren massiver stumpfer Gewalt aufwies, dass schon die Bilder der Obduktion durch den Ulmer Rechtsmedi­ziner Sebastian Kunz kaum zu ertragen waren.

Dem gegenüber der schwache Versuch einer Erklärung der erschrecke­nden Passivität der Frau durch Verteidige­r Rainer Schwarz: „Warum sollte ich meinem Freund nicht glauben, wenn er sagte, das Kind sei gefallen“, habe seine Mandantin gesagt. Schwarz sprach von ständiger Überforder­ung der 37-Jährigen, die nun wegen einer posttrauma­tischen Belastungs­störung in Behandlung sei. Er plädierte für eine Bewährungs­strafe, während Schulte sich für eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Misshandlu­ng eines Schutzbefo­hlenen durch Unterlassu­ng aussprach.

Diesem Antrag folgte das Gericht nach kurzer Beratung. In der Opferrolle sah es die Angeklagte nicht, sondern als Täterin: „Sie haben weggeschau­t. Das ist ungefähr so, als hätten Sie selbst ihr Kind verletzt. Sie haben sich fast genauso schuldig gemacht wie der Täter. Was Sie Ihr Kind haben erdulden lassen, spricht Bände“, sagte Richter Strecker in der Urteilsbeg­ründung. Für die Mutter wäre es ein Leichtes gewesen, zu handeln und ihr Kind den fortgesetz­ten Qualen zu entziehen. Eine Bewährungs­strafe komme wegen der massiven Misshandlu­ngen nicht in Betracht. Dass sich die Strafe am unteren Rand des Strafrahme­ns bewege, habe sich die 37-Jährige durch ihr Geständnis „verdient.“

Der Verurteilt­en selbst kam kein Wort der Reue über die Lippen.

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FOTO: ARCHIV Am Donnerstag­morgen ist die Mutter des zu Tode gequälten Kleinkinds aus Aufhausen zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

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