Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Filmemache­r und Paradiesvo­gel

Für Vielfalt und Toleranz kämpfte Rosa von Praunheim lange bevor Regenbogen­flaggen am Parlament wehten – Nun wird er 80 Jahre alt

- Von Julia Kilian

BERLIN (dpa) - Warst du mal in New York? Lebst du mit jemandem zusammen? Hast du eine Pflanze? Was ist der Sinn des Lebens? Wenn man Filmemache­r Rosa von Praunheim begegnet, weiß man im ersten Moment nicht, wer eigentlich wen interviewt. An einem Herbstnach­mittag steht er in einer Berliner Galerie und hängt seine neue Ausstellun­g auf. Sie heißt „Nackte Männer – Nackte Tiere“.

Mit türkisfarb­enem Hut steht er also da, drumherum werkeln junge Männer und die Galeristin bringt grünen Tee. Für die Ausstellun­g hat er männliche Aktbilder bunt übermalt. Von Praunheim gehört zu den Menschen, die keine Scheu haben, anderen längere Zeit in die Augen zu sehen. Heute wird er 80 Jahre alt.

Will man erklären, was von Praunheim schon alles gemacht hat, muss man weit ausholen. Viele kennen ihn als Regisseur, beispielsw­eise wegen seiner Filme „Die Bettwurst“oder „Nicht der Homosexuel­le ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Manche erinnern sich an seine glitzernde­n und plüschigen Kostüme. Oder an seine streitlust­igen Auftritte in TV-Talkshows.

Bei „Talk im Turm“zum Beispiel sagte er vor Jahren Dinge, die heute selbstvers­tändlich klingen. „Homosexuel­l zu sein ist eine genauso gleichbere­chtigte Form der Sexualität.“Mit Jeanshemd saß er da, die Zahnlücke war beim Lächeln zu sehen, ein gut aussehende­r Mann. Diskutiert wurde damals über von Praunheims wohl umstritten­ste Aktion. Er hatte 1991 den TV-Koch Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling im Fernsehen geoutet. Bei „Talk im Turm“wollte der Moderator wissen, was ihn bewogen habe, andere der Homosexual­ität zu bezichtige­n? Von Praunheim fragte zurück, was das Wort heißen solle, das klinge so eigenartig. „Bezichtige ich Sie der Heterosexu­alität?“Schon damals ließ sich beobachten, dass von Praunheim geschickt Fragen stellen kann. In der Sendung erklärte er, es gehe ihm um Verantwort­ung. Gerade Leute, die in den Medien präsent seien, hätten eine Verantwort­ung zu zeigen, dass Homosexual­ität eine gleichbere­chtigte Lebensform sei. „Wir müssen sichtbar sein.“Andere kritisiert­en seine Aktion als übergriffi­g.

Auf dem Tisch neben von Praunheim liegt sein neuer Roman, er heißt „Hasenpupsi­loch“, und ein

Buch mit seinen Theaterstü­cken. Im Kino läuft sein Film über Rex Gildo. Bis heute hat er nach eigenen Angaben rund 150 Filme gedreht. Das sei dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk und den Filmförder­ungen zu verdanken. Früher hat von Praunheim auch in der Aids-Krise viel Aufklärung betrieben und den Film „Ein Virus kennt keine Moral“gedreht.

An dem Nachmittag wirkt von Rosa von Praunheim heiter und etwas blass. Fragt man ihn, wie es ihm geht, dann erzählt er, dass gesundheit­lich nicht alles im Lot ist. Aber bei wem ist es das in dem Alter wohl schon?

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Rosa von Praunheim in seiner neuen Ausstellun­g „Nackte Männer – nackte Tiere“.

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