Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Fruchtfliegen legen Aalener OP still
Suche nach der Quelle läuft seit zwei Wochen – Operationen müssen verschoben werden
AALEN - Seit zwei Wochen sorgt sie dafür, dass gar nichts mehr geht im zentralen Operationssaal (OP) des Ostalb-Klinikums in Aalen: Drosophila Melanogaster. Im Haushalt gilt die Fruchtfliege – oder auch Taufliege –, die sich dort vorwiegend von Speiseresten ernährt, nur als nervtötend. Im Operationssaal einer Klinik lassen die strengen Hygienevorschriften dagegen keinen Spielraum: Bis die Quelle nicht gefunden ist und auch die letzte Fruchtfliege entfernt, müssen Operationen verschoben und verlegt werden.
Kliniksprecher Ralf Mergenthaler hofft, dass bis Ende kommender Woche der Betrieb wieder aufgenommen werden kann. „Zuerst einmal müssen wir aber die Quelle finden, die Suche läuft auch übers Wochenende weiter. Dann müssen wir auch in unseren Fallen nachweisen, dass keine Tiere mehr aufgetaucht sind. Im nächsten Schritt würde dann das Gesundheitsamt bei einer Begehung den Erfolg prüfen“, sagt er auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Garantien gibt es allerdings keine. Direkt nach dem Fund erster Fliegen am Samstag vor zwei Wochen im Aufenthaltsraum und im Flur des
Zentral-OPs wurden anstehende Operationen abgesagt. Damals ging man allerdings in der Klinik davon aus, dass das Problem binnen weniger Tage gelöst werden könnte. Ein externes Reinigungsteam räumte die Säle aus und rückte den Plagegeistern drei Tage nach der Entdeckung mit Desinfektionsmitteln und Gas aus Nebelautomaten auf den Leib. Doch auf eine vorübergehende Öffnung des OPs am darauffolgenden Freitag folgte die Ernüchterung: Erneut wurden Fruchtfliegen entdeckt – der OP, in dem üblicherweise pro Tag etwa 20 bis 25 Operationen durchgeführt werden, musste wieder schließen.
Wie Krankenhaussprecher Mergenthaler berichtet, wurden seither die Räume teilweise entkernt, Regale auseinandergebaut, der Boden inspiziert, Folien-Zwischenwände eingezogen, Rohre untersucht und vereinzelt Wände aufgemacht – immer auf der Suche nach einer Nahrungsquelle für die Tiere. Zusätzlich habe man mehr als 100 Feuchtfallen aufgestellt. „Die klassische vergessene Bananenschale konnten wir schnell ausschließen“, sagt Mergenthaler. Allerdings reiche den Fruchtfliegen allein etwas Feuchtigkeit zum Überleben aus.
Dringend notwendige Operationen, bei denen ein zeitlicher Aufschub nicht infrage kommt, werden derzeit nach Auskunft der Klinik auf die Nachbarkrankenhäuser verteilt. „In solchen Fällen reisen unsere kompletten OP-Teams etwa in die Kliniken nach Ellwangen oder Mutlangen und operieren dort in freien Räumlichkeiten“, erläutert Mergenthaler. Weniger dringende Eingriffe würden derzeit verschoben.
Dass dieser Aufwand aufgrund winziger Fruchtfliegen, die im Haushalt eher als lästig, statt schädlich gelten, betrieben wird, hat medizinische Gründe. „Fliegen sind wie jedes andere Lebewesen mit Bakterien besiedelt. Das sind etwa Umgebungskeime, wie sie sich die Fruchtfliege von der Bananenschale holt. Diese Keime will man natürlich nicht in einer offenen Wunde haben“, sagt Thomas Hauer. Er ist Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin am Deutschen Beratungszentrum für Hygiene in Freiburg und berät Kliniken zu Fragen von Sauberkeit und Hygiene.
Der Experte sagt allerdings auch: „In unseren Breitengraden sind Fliegen – anders als in den Tropen – aber keine direkten Verbreiter von gefährlichen Infektionen. Akut gefährlich ist die Situation also nicht. Die chirurgische Sorgfaltspflicht gebietet aber in solch einem Fall, dass die Patienten geschützt werden.“Dass sich Fliegen in einen OP-Saal verirren, „lässt sich nie zu 100 Prozent verhindern“, sagt er. Die Möglichkeiten seien vielfältig: Von undichten Fliegengittern über das vergessene Pausenbrot bis hin zu wenig benutzten Abflüssen böten sich viele Zugangs- und Nistmöglichkeiten für fliegende Störenfriede. „Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ein OP-Saal mit dem Dachstuhl des Gebäudes verbunden war. Dort oben verendete eine Maus, später landeten deshalb immer wieder Schmeißfliegen im OP.“Dass die Suche nach Ursachen lange dauern kann, verwundert Hauer nicht. „Das ist eine echte Detektivarbeit“, sagt er. Wenn die Quelle aber erst einmal gefunden werde, könne das Problem schnell beseitigt werden.
Die gesetzliche Grundlage für die Hygiene im Krankenhaus schaffen das Infektionsschutzgesetz und die Hygieneverordnungen der Länder. Dort ist geregelt, dass die Einrichtungen die Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten und derer Erreger verhindern müssen.