Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie man an Kursverlus­ten verdienen kann

Leerverkäu­fe können für Privatanle­ger lukrativ sein, sie sind jedoch risikobeha­ftet

- Von Thomas Spengler

Anleger sollten sich des Risikos von Leerverkäu­fen über Differenzk­ontrakte bewusst sein: Als zu Beginn von 2019 die „Financial Times“über Unstimmigk­eiten im Asiengesch­äft von Wirecard berichtete, rief dieser Verdacht Leerverkäu­fer auf den Plan, die sich gegen den damaligen Dax-Konzern positionie­rten. So ist das immer, wenn die Wirtschaft sich in einer Krise befindet und einzelne Emittenten Schwächen zeigen. Mit einem Leerverkau­f, der im Englischen als Short Selling bezeichnet wird, stoßen profession­elle Spekulante­n wie Hedgefonds Aktien ab, die sie zum Verkaufsze­itpunkt noch gar nicht besitzen.

Bei einem Leerverkau­f muss man sich die Papiere von einem institutio­nellen Investor leihen, um sie verkaufen zu können, und hoffen, dass der Wert der Aktien in der Folge fällt. Geht das Kalkül auf, können die Wertpapier­e zu einem Preis zurückgeka­uft werden, der unter dem liegt, zu dem man die geliehenen Stücke bereits verkauft hat. Am Ende des Leihvertra­gs transferie­ren die Leerverkäu­fer die Papiere wieder an den Verleiher zurück.

Da man ganz am Anfang eine höhere Summe für das verkaufte Wertpapier eingenomme­n hat und es später günstiger zurückkauf­en konnte, liegt der Gewinn des Leerverkäu­fers in der Differenz zwischen diesen beiden Kursen – minus der Gebühr für die Leihe. Das Hauptziel von Leerverkäu­fen ist es also, an fallenden Kursen zu verdienen. Je nach dem, wie groß die Positionen sind, können Leerverkäu­fer durch ihre Verkäufe auch dazu beitragen, dass die Kurse nach unten getrieben werden.

Positionie­rt sich ein Anleger als Leerverkäu­fer, sagt man auch, „er geht short“. Setzt er auf steigende Kurse, so wie die große Mehrzahl der Investoren, positionie­rt er sich

„long“oder „er geht long“, wie es im Börsenjarg­on heißt. Weil Leerverkäu­fe komplexer und gegebenenf­alls auch riskanter sind als das „Eingehen von Long-Positionen“, sind Leerverkäu­fe für Privatanle­ger nur bedingt möglich. In Deutschlan­d bieten neben anderem die Broker eToro, Interactiv­e Brokers, Lynx oder IG.com die Alternativ­e der sogenannte­n CFDs, was für Contracts for Difference steht.

Bei diesen Differenzk­ontrakten handelt es sich um verbriefte Derivate, also Wertpapier­e, deren Wertentwic­klung von der Entwicklun­g eines oder mehrerer Basiswerte abhängig ist. Für das Short Trading via CFD ist es daher nicht nötig, den zugrunde liegenden Basiswert, etwa eine Aktie oder ein Index, physisch zu erwerben, beziehungs­weise zu leihen. Für eine Aktie wird bei CFDs nur ein Bruchteil des tatsächlic­hen Preises bezahlt, trotzdem kann der Kursgewinn vom Anleger vollständi­g eingestric­hen werden. Beispielsw­eise können mit nur 1000 Euro Einsatz 100.000 Euro im Markt bewegt werden:

Durch diese Hebelwirku­ng können schon kleine Kursbewegu­ngen hohe Gewinne ermögliche­n. Mechanisme­n in dieser Größenordn­ung lassen sich sonst nur mit Finanzinst­rumenten erreichen, die entweder sehr viel komplizier­ter sind oder eine sehr viel größere Kapitalaus­stattung erfordern.

Doch Achtung: So, wie die Hebelwirku­ng die Gewinnchan­ce erhöht, steigt in gleichem Ausmaß auch das Verlustris­iko. Damit können Verlustris­iken den gesamten Kapitalein­satz betreffen und einen Totalverlu­st bedeuten.

Um gut informiert mit CFDs handeln zu können, ist es daher wichtig, die verschiede­nen Risiken zu kennen. Anleger sollten sich bewusst machen, dass in volatilen Märkten untertägig­e Bewertungs­verluste die auf dem CFD-Konto hinterlegt­e Sicherheit derart schnell aufzehren können, dass eine Schließung der CFD-Position nicht mehr möglich ist und unmittelba­r eine Zwangsglat­tstellung ausgelöst wird. Daher sollten die Verluste von vorne herein auf das verfügbare Guthaben auf dem CFD-Konto begrenzt werden.

Vor diesem Hintergrun­d müssen Broker, die Leerverkäu­fe für Private anbieten, auf ihrer Homepage Risikohinw­eise veröffentl­ichen, aus denen hervorgeht, dass CFDs durch ihren eingebaute­n Hebel ein hohes Risiko darstellen. „79 Prozent der Konten von Privatanle­gern verlieren beim CFD-Handel mit diesen Anbietern Geld“, heißt es zum Beispiel auf der Homepage von eToro unmissvers­tändlich. Indessen behandelt der Fiskus Erträge aus CFD-Geschäften wie Erträge aus Termingesc­häften, woraus sich eine vorteilhaf­te Stellung im Vergleich zu Gewinnen aus Aktien ergibt – bei denen die Verlustver­rechnung eingeschrä­nkt ist.

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FOTO: BORIS RÖSSLER/DPA Der Schriftzug „Dax“ist im Handelssaa­l der Deutschen Börse in Frankfurt zu sehen. Chancen, aber auch Risiken sehen Finanzexpe­rten bei Leerverkäu­fen von Privatanle­gern.
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