Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wie man an Kursverlusten verdienen kann
Leerverkäufe können für Privatanleger lukrativ sein, sie sind jedoch risikobehaftet
Anleger sollten sich des Risikos von Leerverkäufen über Differenzkontrakte bewusst sein: Als zu Beginn von 2019 die „Financial Times“über Unstimmigkeiten im Asiengeschäft von Wirecard berichtete, rief dieser Verdacht Leerverkäufer auf den Plan, die sich gegen den damaligen Dax-Konzern positionierten. So ist das immer, wenn die Wirtschaft sich in einer Krise befindet und einzelne Emittenten Schwächen zeigen. Mit einem Leerverkauf, der im Englischen als Short Selling bezeichnet wird, stoßen professionelle Spekulanten wie Hedgefonds Aktien ab, die sie zum Verkaufszeitpunkt noch gar nicht besitzen.
Bei einem Leerverkauf muss man sich die Papiere von einem institutionellen Investor leihen, um sie verkaufen zu können, und hoffen, dass der Wert der Aktien in der Folge fällt. Geht das Kalkül auf, können die Wertpapiere zu einem Preis zurückgekauft werden, der unter dem liegt, zu dem man die geliehenen Stücke bereits verkauft hat. Am Ende des Leihvertrags transferieren die Leerverkäufer die Papiere wieder an den Verleiher zurück.
Da man ganz am Anfang eine höhere Summe für das verkaufte Wertpapier eingenommen hat und es später günstiger zurückkaufen konnte, liegt der Gewinn des Leerverkäufers in der Differenz zwischen diesen beiden Kursen – minus der Gebühr für die Leihe. Das Hauptziel von Leerverkäufen ist es also, an fallenden Kursen zu verdienen. Je nach dem, wie groß die Positionen sind, können Leerverkäufer durch ihre Verkäufe auch dazu beitragen, dass die Kurse nach unten getrieben werden.
Positioniert sich ein Anleger als Leerverkäufer, sagt man auch, „er geht short“. Setzt er auf steigende Kurse, so wie die große Mehrzahl der Investoren, positioniert er sich
„long“oder „er geht long“, wie es im Börsenjargon heißt. Weil Leerverkäufe komplexer und gegebenenfalls auch riskanter sind als das „Eingehen von Long-Positionen“, sind Leerverkäufe für Privatanleger nur bedingt möglich. In Deutschland bieten neben anderem die Broker eToro, Interactive Brokers, Lynx oder IG.com die Alternative der sogenannten CFDs, was für Contracts for Difference steht.
Bei diesen Differenzkontrakten handelt es sich um verbriefte Derivate, also Wertpapiere, deren Wertentwicklung von der Entwicklung eines oder mehrerer Basiswerte abhängig ist. Für das Short Trading via CFD ist es daher nicht nötig, den zugrunde liegenden Basiswert, etwa eine Aktie oder ein Index, physisch zu erwerben, beziehungsweise zu leihen. Für eine Aktie wird bei CFDs nur ein Bruchteil des tatsächlichen Preises bezahlt, trotzdem kann der Kursgewinn vom Anleger vollständig eingestrichen werden. Beispielsweise können mit nur 1000 Euro Einsatz 100.000 Euro im Markt bewegt werden:
Durch diese Hebelwirkung können schon kleine Kursbewegungen hohe Gewinne ermöglichen. Mechanismen in dieser Größenordnung lassen sich sonst nur mit Finanzinstrumenten erreichen, die entweder sehr viel komplizierter sind oder eine sehr viel größere Kapitalausstattung erfordern.
Doch Achtung: So, wie die Hebelwirkung die Gewinnchance erhöht, steigt in gleichem Ausmaß auch das Verlustrisiko. Damit können Verlustrisiken den gesamten Kapitaleinsatz betreffen und einen Totalverlust bedeuten.
Um gut informiert mit CFDs handeln zu können, ist es daher wichtig, die verschiedenen Risiken zu kennen. Anleger sollten sich bewusst machen, dass in volatilen Märkten untertägige Bewertungsverluste die auf dem CFD-Konto hinterlegte Sicherheit derart schnell aufzehren können, dass eine Schließung der CFD-Position nicht mehr möglich ist und unmittelbar eine Zwangsglattstellung ausgelöst wird. Daher sollten die Verluste von vorne herein auf das verfügbare Guthaben auf dem CFD-Konto begrenzt werden.
Vor diesem Hintergrund müssen Broker, die Leerverkäufe für Private anbieten, auf ihrer Homepage Risikohinweise veröffentlichen, aus denen hervorgeht, dass CFDs durch ihren eingebauten Hebel ein hohes Risiko darstellen. „79 Prozent der Konten von Privatanlegern verlieren beim CFD-Handel mit diesen Anbietern Geld“, heißt es zum Beispiel auf der Homepage von eToro unmissverständlich. Indessen behandelt der Fiskus Erträge aus CFD-Geschäften wie Erträge aus Termingeschäften, woraus sich eine vorteilhafte Stellung im Vergleich zu Gewinnen aus Aktien ergibt – bei denen die Verlustverrechnung eingeschränkt ist.