Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Spannung auch auf der Kurzstreck­e

John Grishams „Die Heimkehr“bündelt drei Erzählunge­n

- Von Stefan Rother

Zeit für Abwechslun­g: John Grishams Werke erscheinen meist im jährlichen, wenn nicht gar halbjährli­chen Rhythmus. Aber auch wenn es sich dabei nicht immer um Justizthri­ller handelt, ist das voluminöse Romanforma­t doch sehr konstant. Nun hat sich der USAmerikan­er erstmals an Kurzromane gewagt und das Ergebnis ist recht überzeugen­d: „Die Heimkehr“bietet drei Erzählunge­n, die allesamt das Potenzial zu eigenständ­igen Romanen gehabt hätten. Dass diese teils recht abrupt enden, dürfte weniger dem Format als der Arbeitswei­se des Autors geschuldet sein – auch in seinen längeren Werken geht es zum Ende hin manchmal recht schnell und mit einer überrasche­nden Wendung ist nicht immer zu rechnen.

So gibt es hier also erstmals Dreizum-Preis-von-einem, inhaltlich sind die Erzählunge­n aber ganz klassische­r Grisham. Das trifft vor allem auf die erste zu, denn die wartet mit einem alten Bekannten auf: Südstaaten­anwalt Jack Brigance, der seit Grishams Debüt „Die Jury“immer mal wieder in den Romanen auftaucht. Auch wenn das Buch vor allem mit seinem Auftritt beworben wird, steht dieses Mal ein Anwaltskol­lege von Jake im Mittelpunk­t: Mack Stafford ist vor einiger Zeit spur-, aber gewiss nicht mittellos aus der Kleinstadt Clanton, Mississipp­i, abgetaucht. Dabei hat er allerdings auch seine Familie zurückgela­ssen und nun scheint ihn das schlechte Gewissen zu plagen – Jake soll ihm helfen, die titelgeben­de „Heimkehr“zu organisier­en.

Etwas ermüdend sind hier Grishams recht schlichte Aussteiger­fantasien, die gleich in zwei der Geschichte­n aufblitzen – das Klischee vom Cocktail an einem fernen Strand schlürfen mit einer jüngeren „Blondine im Arm“hat man nun ein paar Mal zu oft bei ihm gelesen. Die „Heimkehr“nimmt es nun zumindest als Aufhänger dafür, dass für die Flucht mit prall gefüllter Reisekasse bisweilen ein recht hoher Preis zu zahlen ist. Allzu tiefgängig wird das Thema zwar nicht verhandelt, aber ein Wiedersehe­n mit dem hochanstän­digen Sympathiet­räger Jake und seinem wesentlich kantigeren Freund und Anwaltskol­legen Harry Rex ist immer willkommen.

Noch etwas leichter und zudem schadenfro­her geht es in „Sparringpa­rtner“zu. Hier müssen zwei Brüder eine Kanzlei führen, während ihr Vater im Gefängnis seine sehr verdiente Strafe absitzt. Kirk und Rusty Malloy sind sich allerdings spinnefein­d und haben das Geschäft so organisier­t, dass sie in derselben Kanzlei arbeiten, sich dabei jedoch praktisch nie begegnen müssen. Als die Geschäfte schlechter laufen, besinnt man sich aber widerstreb­end auf einen gemeinsame­n Feind – denn der Vater soll große Mengen an Einkünften aus einem Gerichtsve­rfahren zur Seite gelegt haben. Und bevor er nach seinem Haftende das Geld wie oben skizziert an fernen Gestaden durchbring­t, wollen die Brüder gefälligst auch etwas davon abhaben. Grisham bewegt sich hier auf bewährtem Terrain mit reichlich Anwälten, schwarzen Konten und verdeckten Ermittlung­en, legt aufgrund des kompaktere­n Formats aber ein solides Tempo vor.

Während die beiden Erzählunge­n jeweils um die 150 Seiten zählen, ist die im Mittelteil platzierte namens „Erdbeermon­d“nicht einmal halb solang – und dennoch die intensivst­e des Bandes. Hier erzählt Grisham, ein erklärter Gegner des Todesstraf­e, von Cody, der seit zwölf Jahren in der Todeszelle sitzt – wobei er erst 29 ist. Obwohl er zum Zeitpunkt der Tat, der er angeklagt ist, noch ein Minderjähr­iger war, steht nun die Vollstreck­ung des Urteils kurz bevor. Charakterz­eichnung erfolgt bei Grisham des Öfteren mit recht groben Strichen, hier gelingt ihm aber ein sehr einfühlsam­es Porträt eines jungen Mannes, der nie eine Chance hatte, verbunden mit einem Plädoyer für einen humanen Strafvollz­ug. Verdichtet wird dieses ganze Leben auf die Ereignisse weniger Stunden.

John Grisham: Die Heimkehr,

Heyne Verlag, 384 Seiten, 22 Euro.

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