Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Spannung auch auf der Kurzstrecke
John Grishams „Die Heimkehr“bündelt drei Erzählungen
Zeit für Abwechslung: John Grishams Werke erscheinen meist im jährlichen, wenn nicht gar halbjährlichen Rhythmus. Aber auch wenn es sich dabei nicht immer um Justizthriller handelt, ist das voluminöse Romanformat doch sehr konstant. Nun hat sich der USAmerikaner erstmals an Kurzromane gewagt und das Ergebnis ist recht überzeugend: „Die Heimkehr“bietet drei Erzählungen, die allesamt das Potenzial zu eigenständigen Romanen gehabt hätten. Dass diese teils recht abrupt enden, dürfte weniger dem Format als der Arbeitsweise des Autors geschuldet sein – auch in seinen längeren Werken geht es zum Ende hin manchmal recht schnell und mit einer überraschenden Wendung ist nicht immer zu rechnen.
So gibt es hier also erstmals Dreizum-Preis-von-einem, inhaltlich sind die Erzählungen aber ganz klassischer Grisham. Das trifft vor allem auf die erste zu, denn die wartet mit einem alten Bekannten auf: Südstaatenanwalt Jack Brigance, der seit Grishams Debüt „Die Jury“immer mal wieder in den Romanen auftaucht. Auch wenn das Buch vor allem mit seinem Auftritt beworben wird, steht dieses Mal ein Anwaltskollege von Jake im Mittelpunkt: Mack Stafford ist vor einiger Zeit spur-, aber gewiss nicht mittellos aus der Kleinstadt Clanton, Mississippi, abgetaucht. Dabei hat er allerdings auch seine Familie zurückgelassen und nun scheint ihn das schlechte Gewissen zu plagen – Jake soll ihm helfen, die titelgebende „Heimkehr“zu organisieren.
Etwas ermüdend sind hier Grishams recht schlichte Aussteigerfantasien, die gleich in zwei der Geschichten aufblitzen – das Klischee vom Cocktail an einem fernen Strand schlürfen mit einer jüngeren „Blondine im Arm“hat man nun ein paar Mal zu oft bei ihm gelesen. Die „Heimkehr“nimmt es nun zumindest als Aufhänger dafür, dass für die Flucht mit prall gefüllter Reisekasse bisweilen ein recht hoher Preis zu zahlen ist. Allzu tiefgängig wird das Thema zwar nicht verhandelt, aber ein Wiedersehen mit dem hochanständigen Sympathieträger Jake und seinem wesentlich kantigeren Freund und Anwaltskollegen Harry Rex ist immer willkommen.
Noch etwas leichter und zudem schadenfroher geht es in „Sparringpartner“zu. Hier müssen zwei Brüder eine Kanzlei führen, während ihr Vater im Gefängnis seine sehr verdiente Strafe absitzt. Kirk und Rusty Malloy sind sich allerdings spinnefeind und haben das Geschäft so organisiert, dass sie in derselben Kanzlei arbeiten, sich dabei jedoch praktisch nie begegnen müssen. Als die Geschäfte schlechter laufen, besinnt man sich aber widerstrebend auf einen gemeinsamen Feind – denn der Vater soll große Mengen an Einkünften aus einem Gerichtsverfahren zur Seite gelegt haben. Und bevor er nach seinem Haftende das Geld wie oben skizziert an fernen Gestaden durchbringt, wollen die Brüder gefälligst auch etwas davon abhaben. Grisham bewegt sich hier auf bewährtem Terrain mit reichlich Anwälten, schwarzen Konten und verdeckten Ermittlungen, legt aufgrund des kompakteren Formats aber ein solides Tempo vor.
Während die beiden Erzählungen jeweils um die 150 Seiten zählen, ist die im Mittelteil platzierte namens „Erdbeermond“nicht einmal halb solang – und dennoch die intensivste des Bandes. Hier erzählt Grisham, ein erklärter Gegner des Todesstrafe, von Cody, der seit zwölf Jahren in der Todeszelle sitzt – wobei er erst 29 ist. Obwohl er zum Zeitpunkt der Tat, der er angeklagt ist, noch ein Minderjähriger war, steht nun die Vollstreckung des Urteils kurz bevor. Charakterzeichnung erfolgt bei Grisham des Öfteren mit recht groben Strichen, hier gelingt ihm aber ein sehr einfühlsames Porträt eines jungen Mannes, der nie eine Chance hatte, verbunden mit einem Plädoyer für einen humanen Strafvollzug. Verdichtet wird dieses ganze Leben auf die Ereignisse weniger Stunden.
John Grisham: Die Heimkehr,
Heyne Verlag, 384 Seiten, 22 Euro.