Schwäbische Zeitung (Tettnang)
So stark steigen die Strompreise in der Region
Auch wenn die Strompreisbremse kommen soll, gibt es große Unterschiede in Grundversorgung und bei Tarifen
BODENSEEKREIS - Die Weihnachtszeit beginnt für Stromkunden des Stadtwerks am See mit einer schlechten Nachricht: Im neuen Jahr müssen sie tiefer in die Tasche greifen. Die Kilowattstunde verteuert sich ab Januar um stolze 20 Cent im Grundversorger-Tarif. Statt knapp 50 Cent sind dann 69,79 fällig. Auch der Grundpreis steigt an und zwar von knapp 114 Euro auf rund 126 Euro pro Jahr. Hinzu kommen mindestens 13 Euro für den Zählerbetrieb.
Beim benachbarten Regionalwerk Bodensee in Tettnang ist dagegen noch keine Erhöhung im Grundversorger-Tarif angekündigt. Bei der letzten stieg der Preis pro Kilowattstunde im August für Privatkunden um zehn Cent auf 59,23 Cent. „Wir schauen uns die Preisentwicklung derzeit zweiwöchentlich an“, sagt Regionalwerks-Geschäftsführer Michael Hofmann. Eine weitere Anpassung schließt er nicht kategorisch aus.
Deutschlandweit haben knapp 100 Stromgrundversorger Preiserhöhungen angekündigt. Obwohl die Strompreise, dank politischer Entlastungen, jüngst wieder gesunken sind, holt die Realität die Verbraucher ein. Mitte November informierte nun auch das Stadtwerk am See, das in Friedrichshafen, Überlingen, Daisendorf und Frickingen Kunden beliefert, über die Strompreiserhöhung. Und die ist für die Kunden deutlich spürbar.
Ab Januar 2023 steigt beispielsweise der Strompreis in einem ZweiPersonen-Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 2900 Kilowattstunden im Grundtarif auf rund 2163 Euro. Das sind fast 600 Euro mehr als heute. Bedeutet: einen monatlichen Abschlag von 180 Euro. Für Familien wird die Steigerung noch deutlicher spürbar: Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von rund 4300 Kilowattstunden klettert die monatliche Belastung für Strom auf 262 Euro. Somit zahlen sie ans Stadtwerk am See künftig alleine für Strom rund 3134 Euro im Jahr.
Beim Regionalwerk, das Grundversorger für Langenargen, Eriskirch, Kressbronn, Tettnang, Meckenbeuren und Oberteuringen ist, schaut dieses Rechenbeispiel seit der Erhöhung im August so aus: Bei einem Jahresverbrauch von 2900 Kilowattstunden macht das insgesamt 1833 Euro, wobei der Grundpreis mit 115 Euro zu Buche schlägt. Bei einem
Jahresverbrauch von 4300 Kilowattstunden bezahlt eine Familie rund 2662 Euro im Jahr.
Der Grundversorger-Tarif ist für diejenigen relevant, die in eine neue Wohnung im Netzgebiet des Stromversorgers ziehen oder vorher einen Vertrag bei einem anderen Anbieter hatten. Die Kündigungsfrist beläuft sich auf 14 Tage.
Die Kunden können beim Stadtwerk dann zwischen vier weiteren Tarifen wählen. In diesen beläuft sich der Arbeitspreis auf rund 60 Cent je Kilowattstunde. Damit ließen sich in einem Zwei-PersonenHaushalt im Jahr immerhin rund 273 Euro sparen. Beim Regionalwerk Bodensee sind die Preise gestaffelt nach Verbrauch. Bei der häufigsten Kundengruppe
(501 und 10.000 Kilowattstunden pro Jahr) liegt der Arbeitspreis bei den zwei Tarifen zwischen 48,54 und 49,04 Cent bei einem Grundpreis von 105 Euro im Jahr.
„Allerdings zahlen – dank Strompreisbremse – ab Januar 2023 sowieso alle dasselbe für die Kilowattstunde“, erklärt Susi Mikulic, Sprecherin des Stadtwerks am See. Vorausgesetzt der Bundesrat beschließt diese am 16. Dezember. Dann würden Kunden, unabhängig von ihrem Tarif und Anbieter, für 80 Prozent ihres Eigenbedarfs 0,40 Cent je Kilowattstunde bezahlen. „Das heißt im Umkehrschluss: Die Preiserhöhungen greifen nur für die restlichen 20 Prozent“, erklärt Mikulic. Bei Neukunden werde man vermutlich auf Daten des jeweiligen Netzbetreibers zurückgreifen.
Weil als Referenz der Verbrauch aus dem Jahr 2022 dient, sieht die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Probleme: „Kommt beispielsweise ein neuer Mitbewohner hinzu, steigt der Verbrauch, aber die Hilfen dazu nicht adäquat“, erklärt Matthias Bauer. „Ebenfalls benachteiligt wird, wer schon jetzt mustergültig gespart hat. Er erhält nur 80 Prozent und muss für den restlichen Verbrauch voraussichtlich hohe Marktpreise bezahlen.“
Angesichts der extrem kurzen Frist sei eine Umstellung direkt zum 1. Januar nicht möglich – die Bremse würde dann rückwirkend vergütet, erklärt das Stadtwerk. RegionalwerkGeschäftsführer Hofmann begrüßt die Maßnahme trotz aller offenen Fragen: „Die Preisentwicklung stellt für viele Privatpersonen, aber auch für Unternehmen ein Riesenproblem dar. Es ist richtig, die Auswirkungen des Wirtschaftskriegs abzumildern.“
Die EnBW aus Karlsruhe ist in den meisten Gemeinden des Bodenseekreises Grundversorger. Nämlich in jenen, wo es das Stadtwerk oder das Regionalwerk nicht sind. Im Oktober erhöhte der Konzern den Preis je Kilowattstunde in der Grundversorgung auf 37,31 Cent. Bei einem Jahresverbrauch von 2900 Kilowattstunden inklusive Grundpreis von 142 Euro werden also 1224 Euro fällig – bei verbrauchten 4300 Kilowattstunden pro Jahr bezahlen Stromkunden rund 1970 Euro im Jahr.
Bei den normalen Tarifen zahlen Neukunden erheblich mehr, wobei das exakte Angebot abhängig vom Wohnort ist. In Markdorf etwa liegt der Arbeitspreis bei rund 70 Cent (und 153 Euro Grundpreis). In Tettnang sind es etwa 68 Cent bei 140 Euro Grundpreis.
Bei der Grundversorgung ist der Strom der EnBW im Vergleich zu den anderen Anbietern indes wesentlich günstiger. Woran liegt das? „Wir verfolgen eine langfristige Beschaffungsstrategie und sichern uns den Strom lange im Voraus. So können Kostenschwankungen in einem bestimmten Rahmen abgefedert und verlässliche Preise angeboten werden“, schreibt EnBW auf Nachfrage. Allerdings besteht keine zeitlich gebundene Preisgarantie im Grundtarif. „Jedes Unternehmen verfolgt in seiner Preisgestaltung unterschiedlichen Maßstäbe und Strategien“, ergänzt das Stadtwerk. Basis hierfür seien prognostizierte Beschaffungspreise, Risikobereitschaft und eventuelle eigene Kraftwerkskapazitäten.
Auch das Stadtwerk verfolge langfristig angelegte Beschaffungsstrategien. Diese seien allerdings nur ein Bestandteil des Strompreises – neben steigenden Netznutzungsentgelten und Umlagen, erklärt Mikulic. „Auch wenn wir vorsorglich und gut einkaufen: Eine Vervielfachung der Energiepreise über Monate können wir nicht ausgleichen. In der Preisanpassung geben wir die massiv gestiegenen Bezugskosten und gestiegene Umlagen an unsere Kunden weiter.“Senkungen sind dagegen unwahrscheinlicher: „Kurzfristig sinkende Preise wirken sich auf den Preis nicht direkt aus, da wir ja bereits im Voraus einkaufen“, erklärt Mikulic.
Michael Hofmann vom Regionalwerk Bodensee sagt hierzu: „Regionale Versorger wie wir beschaffen im Voraus Mengen für einen längeren Zeitraum. Wir haben also noch sehr günstigen, aber auch teuren und mittelteuren Strom. Daraus resultiert dann der Preis.“Die Preisgarantie gilt beim Regionalwerk übrigens nicht mehr nach Dauer, sondern nach Datum: Die aktuellen Tarife haben nur eine Halbwertszeit bis 30. Juni – egal ob man im Januar oder Mai abschließt. Die Marktpreise schwankten, niemand wisse derzeit genau, wo die Reise hingehe.
Auch wenn Preise an den Strombörsen aktuell wieder deutlich gefallen sind, befinden sie sich weiterhin auf hohem Niveau, erklärt EnBWSprecher Rashid Elshahed: „Die Kilowattstunde kostet in der Beschaffung für das Folgejahr aktuell rund 33 Cent. Hinzu kommen Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte. Damit ist der Strompreis an den Großhandelsmärkten für 2023 im Jahresmittel weiterhin viermal so hoch wie im Vorjahr.“