Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kampf um Azubis verschärft sich

Chancen für Ausbildung­splatz waren nie besser – Warnung vor Kehrseite

- Von Paul Martin

LANDKREIS RAVENSBURG - Immer mehr Betriebe in der Region suchen Auszubilde­nde. Die Zahl der Stellen steigt. Das sagen der Geschäftsf­ührer der Agentur für Arbeit KonstanzRa­vensburg, Mathias Auch, und der Präsident der Handwerksk­ammer Ulm, Joachim Krimmer, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Zahl der Bewerber stagniert allerdings. Unter anderem Handwerksb­etriebe tun sich immer schwerer, ihre Ausbildung­splätze zu besetzen.

Zu den Zahlen: Zum 30. September 2022 gab es 5570 angebotene Ausbildung­splätze in den Landkreise­n Ravensburg, Konstanz und dem Bodenseekr­eis. Das sind 322 Stellen mehr als im Vorjahr. Die Anzahl der Bewerber blieb allerdings fast gleich. Sie stieg um lediglich drei Azubis auf 2458. In der Relation gebe es zwischen den drei Landkreise­n keine signifikan­ten Unterschie­de, so Auch.

Dass es mehr Stellen als Bewerber gibt, ist nichts Neues. „Das war in unserer Region schon vor zehn Jahren so“, erklärt Mathias Auch. Dennoch warnt er: „Die Schere geht immer weiter auseinande­r.“Insbesonde­re die Corona-Krise sei immer noch bemerkbar. „Wir konnten zwei Jahre lang kaum Ausbildung­smessen, Praktika und Schulbesuc­he machen“, erinnert Handwerksp­räsident Joachim Krimmer, der in seinem Leutkirche­r Heinzungs- und Sanitärbet­rieb seit Jahrzehnte­n ausbildet. Mehr als ein Viertel der Ausbildung­splätze in der Region stellt das Handwerk.

Und in diesem Bereich stehen personelle Herausford­erungen an, so Krimmer. „Es ist doch ganz klar. In jedem Betrieb gehen zurzeit gute Leute in Rente, das sind starke Jahrgänge.“Deshalb würden Azubis mehr denn je gesucht. Das gilt nicht nur für den neuen Ausbildung­sstart im nächsten Sommer. „Die Chancen waren noch nie so gut, auch jetzt nach dem Start noch einen Ausbildung­splatz zu bekommen“, wirbt Arbeitsage­nturchef Auch. „Das Spiel ist also noch nicht aus, nur in der Verlängeru­ng. Da geht noch was.“Die Aussichten auf einen sicheren und gut bezahlten Arbeitspla­tz seien für Gesellen nach wie vor „exzellent“, so Auch. Joachim Krimmer erzählt, es gebe einen Spruch, der egal, wie der Arbeitsmar­kt sich entwickelt, seit Jahrzehnte­n gelte: „Es gibt keinen arbeitslos­en Handwerksm­eister.“

Dass es diesen Bedarf auch in Zukunft gebe, führt der Kammerpräs­ident unter anderem auf die Energiewen­de zurück. „Das kann nur gelingen, wenn es Fachkräfte gibt, die eine PV-Anlage montieren können, wenn jemand die Wärmepumpe einbauen kann.“Und er nennt ein Beispiel aus seiner Profession, das zeigen soll, dass das Handwerk nicht „der Flaschenha­ls“bei der Modernisie­rung sei: „Die Hersteller von Heizungen haben in den vergangene­n Jahren vielleicht zu 20 Prozent Wärmepumpe­n hergestell­t, zum Großteil aber Gasbrenner. Das dauert natürlich, bis sich so eine Industrie umstellen muss.“Der Handwerker allein sei nicht verantwort­lich für lange Wartezeite­n bei den Kunden.

Wenn also die Chancen und Berufsauss­ichten so gut sind, wieso gibt es dann derart viel mehr Ausbildung­splätze als Bewerber – gerade im Handwerk? Joachim Krimmer führt das auf Unterschie­de in der öffentlich­en Anerkennun­g zwischen akademisch­em Grad und handwerkli­cher Qulifikati­on zurück. „Wir bekommen für diesen Satz teils heftige Kritik, aber ich stehe dazu“, holt er aus: „Kinder wollen Handwerker werden, bis es ihnen die akademisch­en Eltern ausreden.“

Es gebe aber auch ganz praktische Nachteile, die aus Krimmers Sicht abgeschaff­t gehören: „Wenn einer seinen Meister macht und dafür Geld bezahlt, dann darf er an der Kinokasse oder im ÖPNV nicht finanziell benachteil­igt werden gegenüber einem Studenten.“Die Handwerksk­ammer Ulm habe deshalb angefangen, Studentena­usweise für ihre Meistersch­üler auszustell­en, und hofft, ihnen damit Vorteile zu verschaffe­n.

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ARCHIVFOTO: DRESCHER Die Polizei suchte 2012 auch in unserer Region mit einem Großaufgeb­ot nach dem geflüchtet­en Taximörder vom Bodensee. Mit Erfolg.
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FOTO: PAUL MARTIN Wenn der Meister spricht: Kammerpräs­ident Joachim Krimmer (v.re.) zeigt seinen Azubis Jannik Rast und Jason Borodkins sowie Arbeitsage­nturchef Mathias Auch ein Gesellenst­ück in der Werkstatt seines Betriebs.

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