Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kai und die knifflige Kiste
DOHA (pst) - Ein anerkennendes Kopfnicken, hochgezogene Augenbrauen – die englischen Reporter waren baff erstaunt nach Ende der Pressekonferenz im DFB-Quartier in Al Ruwais. „Wow! So ehrlich und meinungsstark, die Jungs“, sagten sie zu ihren deutschen Journalistenkollegen. Offenbar sind sie von ihren heimischen Akteuren aus der Premier League anderes gewöhnt.
Tatsächlich war der Auftritt des Dortmunders Julian Brandt und vor allem jener von Kai Havertz (FC Chelsea) in der Medienrunde beachtlich – andererseits: Was bleibt ihnen übrig, als nach der 1:2-Pleite gegen Japan Klartext zu sprechen vor einem, wie die Briten sagen, „Do-or-Die-Match“gegen Spanien? Alles oder Nichts. „Ich war die letzten Tage nicht sonderlich gut gelaunt“, meinte Havertz. „Aber wenn man das langsam verdaut, dann kommt die Vorfreude auf Sonntag. Wir wissen, was wir können. Jetzt geht es darum, das auf den Platz zu bringen.“Wenn es so einfach wäre.
Auch, was Havertz selbst betrifft. Der 23-Jährige konnte im ersten WMSpiel nicht überzeugen, bekam als Neuner im Sturmzentrum wenig Bälle, hatte keinerlei Torchancen und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die öffentliche Schelte von Ilkay Gündogan („Man hatte das Gefühlt, dass nicht jeder den Ball unbedingt haben wollte“) speziell ihm galt. „Es war konstruktive Kritik von Ilkay“, meinte Havertz, „ich kann die Jungs verstehen. So eine Kritik tut der Mannschaft auch gut, weil wir uns weiterentwickeln. Da ist keiner sauer.“Auch Brandt betonte: „Wir haben diskutiert, hatten einen sehr guten Austausch. Wir sind alle mit dem Gefühl aus der Besprechung gegangen, dass wir das Spiel gewinnen wollen.“
Zurück zu Havertz, dessen Positionierung im zweiten Spiel für Bundestrainer Hansi Flick zum Spielchen Kai und die knifflige Kiste werden könnte. Wohin mit dem Champions-LeagueSieger des Jahres 2021? Die Antwort hängt auch davon ab, ob Leroy Sané (Knieprobleme) rechtzeitig fit wird und eine Alternative ist. „Die Positionsfrage nervt mich mittlerweile echt, muss ich sagen“, entgegnete Havertz, „jeder weiß jetzt mittlerweile, dass ich flexibel einsetzbar bin, dass ich auf der Nummer neun spielen kann, dass ich auf der Nummer 10 spielen kann, dass ich rechts spielen kann, dass ich links spielen kann.“Er bekräftigte: „Ich gebe Gas, egal wo es im Endeffekt ist.“