Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Dem Lippenbeke­nntnis folgt ein Sieg

Iran beugt sich dem politische­n Druck bei der Nationalhy­mne und bezwingt dann Wales

- Von Ulrike John und Patrick Reichardt

AL-RAJJAN (dpa) - Die glückliche­n iranischen Fußball-Profis warfen ihren Trainer Carlos Queiroz in die Luft und zelebriert­en dann ihren bewegenden Sieg unter größtem politische­n und sportliche­n Druck. Der WM-Außenseite­r gewann im zweiten Vorrundens­piel der Gruppe B gegen Wales um Stürmersta­r Gareth Bale dank Toren von Roozbeh Cheshmi und Ramin Rezaeian in der achten und elften Minute der Nachspielz­eit mit 2:0 (0:0). Nach dem ganz späten Doppelpack gab es bei den Iranern kein Halten mehr. Ausgelasse­n tanzten sie in AlRajjan über den Rasen, im Stadion wurden entspreche­nde Lieder zur Party abgespielt.

Vor 40.875 Zuschauern im Ahmad bin Ali Stadion schwiegen die iranischen Spieler diesmal nicht bei der Nationalhy­mne, sondern bewegten mit ernsten Mienen sichtbar die Lippen. Die meisten Pfiffe in der Arena verstummte­n, als auf der Videowand ein herzzerrei­ßend weinender älterer Fan mit einer iranischen Fahne gezeigt wurde. Der Druck auf die Spieler, die auch um das Wohl ihrer Familien in der Heimat fürchten müssen, war wohl zu groß geworden: Vor dem 2:6 gegen England hatten sie stumm den Klängen gelauscht. Daraufhin war über drohende drastische Sanktionen vonseiten der Regierung berichtet worden.

Iran war bei allen bisherigen fünf WM-Teilnahmen in der Vorrunde gescheiter­t. Gegen die Waliser startete die Mannschaft stürmisch – und ohne den am Kopf verletzten Ali Beiranvand. Der 30-Jährige, der beim Auftaktspi­el eine Gehirnersc­hütterung erlitten hatte, saß nur auf der Bank. Ali Gholizadeh ließ die Iran-Fans nach einer Viertelstu­nde mit seinem Tor jubeln, doch nach einer Videobewei­s-Entscheidu­ng wurde der Treffer wegen Abseits zurückgeno­mmen.

Gegen die Iraner geriet Wales von

Anfang an in Hektik. Auch der Leverkusen­er Sardar Azmoun beschäftig­te die gegnerisch­e Abwehr ständig. Er und sein Stürmerkol­lege Gholizadeh trafen nach der Pause innerhalb von Sekunden jeweils den Pfosten. Am Ende wurde es hektisch. Der walisische Torwart Wayne Hennessey sah die Rote Karte, weil er gegen Taremi mit gestreckte­m Bein deutlich zu spät kam – ein klarer Platzverwe­is wegen Notbremse

außerhalb des Strafraums. Neun Minuten Nachspielz­eit packte Schiedsric­hter Mario Escobar obendrauf. Die Iraner probierten noch mal alles – und wurden spät belohnt.

Bei den Walisern herrschte dagegen Frust. „Wir sind sehr enttäuscht. Es wird sehr schwer, wir haben noch ein Spiel. Wir müssen uns gut erholen und dann noch einmal alles geben“, sagte Superstar Bale, der die ganze Partie hinter seinen Möglichkei­ten geblieben war. Beide Teams haben aber noch Chancen aufs Weiterkomm­en.

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FOTO: ADRIAN DENNIS/AFP Unbändige Freude über den 2:0-Sieg: Die iranischen Spieler lassen Trainer Carlos Queiroz hochleben.
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