Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Dem Lippenbekenntnis folgt ein Sieg
Iran beugt sich dem politischen Druck bei der Nationalhymne und bezwingt dann Wales
AL-RAJJAN (dpa) - Die glücklichen iranischen Fußball-Profis warfen ihren Trainer Carlos Queiroz in die Luft und zelebrierten dann ihren bewegenden Sieg unter größtem politischen und sportlichen Druck. Der WM-Außenseiter gewann im zweiten Vorrundenspiel der Gruppe B gegen Wales um Stürmerstar Gareth Bale dank Toren von Roozbeh Cheshmi und Ramin Rezaeian in der achten und elften Minute der Nachspielzeit mit 2:0 (0:0). Nach dem ganz späten Doppelpack gab es bei den Iranern kein Halten mehr. Ausgelassen tanzten sie in AlRajjan über den Rasen, im Stadion wurden entsprechende Lieder zur Party abgespielt.
Vor 40.875 Zuschauern im Ahmad bin Ali Stadion schwiegen die iranischen Spieler diesmal nicht bei der Nationalhymne, sondern bewegten mit ernsten Mienen sichtbar die Lippen. Die meisten Pfiffe in der Arena verstummten, als auf der Videowand ein herzzerreißend weinender älterer Fan mit einer iranischen Fahne gezeigt wurde. Der Druck auf die Spieler, die auch um das Wohl ihrer Familien in der Heimat fürchten müssen, war wohl zu groß geworden: Vor dem 2:6 gegen England hatten sie stumm den Klängen gelauscht. Daraufhin war über drohende drastische Sanktionen vonseiten der Regierung berichtet worden.
Iran war bei allen bisherigen fünf WM-Teilnahmen in der Vorrunde gescheitert. Gegen die Waliser startete die Mannschaft stürmisch – und ohne den am Kopf verletzten Ali Beiranvand. Der 30-Jährige, der beim Auftaktspiel eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, saß nur auf der Bank. Ali Gholizadeh ließ die Iran-Fans nach einer Viertelstunde mit seinem Tor jubeln, doch nach einer Videobeweis-Entscheidung wurde der Treffer wegen Abseits zurückgenommen.
Gegen die Iraner geriet Wales von
Anfang an in Hektik. Auch der Leverkusener Sardar Azmoun beschäftigte die gegnerische Abwehr ständig. Er und sein Stürmerkollege Gholizadeh trafen nach der Pause innerhalb von Sekunden jeweils den Pfosten. Am Ende wurde es hektisch. Der walisische Torwart Wayne Hennessey sah die Rote Karte, weil er gegen Taremi mit gestrecktem Bein deutlich zu spät kam – ein klarer Platzverweis wegen Notbremse
außerhalb des Strafraums. Neun Minuten Nachspielzeit packte Schiedsrichter Mario Escobar obendrauf. Die Iraner probierten noch mal alles – und wurden spät belohnt.
Bei den Walisern herrschte dagegen Frust. „Wir sind sehr enttäuscht. Es wird sehr schwer, wir haben noch ein Spiel. Wir müssen uns gut erholen und dann noch einmal alles geben“, sagte Superstar Bale, der die ganze Partie hinter seinen Möglichkeiten geblieben war. Beide Teams haben aber noch Chancen aufs Weiterkommen.