Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Im Putzschrank wäre noch Platz für Gold
Nach ihrem Olympia-Coup will Biathletin Denise Herrmann-Wick auch im Weltcup glänzen
KONTIOLAHTI (SID) - Im Putzschrank von Denise Herrmann-Wick ist noch Platz. Umgeben von Lappen, Reiniger und Eimer verwahrt die Olympiasiegerin die wichtigsten Plaketten ihrer erfolgreichen Laufbahn – auch das glitzernde Gold aus Peking. Läuft alles nach Wunsch, erhält der „heilige Schrank“im Februar noch einmal Zuwachs: Dann, wenn die deutsche Vorzeige-Biathletin von der Heim-WM in Oberhof zurückkehrt.
Mit dem Weltcup-Auftakt in Kontiolahti beginnt die unmittelbare Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt: Für die bald 34-Jährige die Chance, ihren Putzschrank weiter zu befüllen. „Dort liegen auch meine Olympia-Medaille aus Sotschi und die WM-Medaillen aus Östersund. Das hat sich zu einer Art Glücksritual entwickelt“, verriet sie im „Sport Bild“-Interview. Die nach Peking aufgekommenen Gedanken an ein vorzeitiges Karriereende hat HerrmannWick
vorerst beiseitegewischt. „Ich bin mit so viel Leidenschaft dabei, dass ich nicht ans Aufhören denke“, sagte sie. Stattdessen gilt ihr voller Fokus der Heim-WM, einer „Herzensangelegenheit“, wie sie im Sportschau-Interview betonte.
Eine Herzensangelegenheit war auch der Schritt Mitte September, der ihr einen Doppelnamen einbrachte: In der Wahlheimat Ruhpolding heiratete sie ihren langjährigen Lebensgefährten Thomas Wick, einen ehemaligen Langläufer.
So „zielsicher“, wie sich Herrmann-Wick im Sommer mit dem Titel ihrer Biografie gab, will sie auch am Schießstand agieren. Sechs WM-Medaillen und 26 Weltcup-Podestplätze sollen längst nicht das Ende sein, auch im Gesamtweltcup soll es diesmal über Platz sechs hinausgehen.
Die Topfavoritinnen werden zunächst andere sein. Mit der zum Auftakt fehlenden dreifachen Olympiasiegerin Marte Olsbu Röiseland (Norwegen) ist erneut zu rechnen, dahinter lauern unter anderem die schwedischen Schwestern Elvira und Hanna Öberg.
Hinter Herrmann-Wick wird aus deutscher Sicht die Luft dünner. Die podesterfahrene Franziska Preuß und Vanessa Voigt, ebenfalls Teil des Olympia-Bronze-Quartetts, sind für Kontiolahti gesetzt, das vierte Staffel-Mitglied Vanessa Hinz muss vorerst im zweitklassigen IBU-Cup ran.
Noch mehr unter Zugzwang stehen die Männer: Im Februar traten Benedikt Doll und Co. erstmals seit 2010 ohne Medaille im Gepäck die Olympia-Heimreise an. Die einstigen Erfolgsgaranten und Zimmerpartner Arnd Peiffer und Erik Lesser verfolgen den Weltcup-Zirkus ab sofort als gemeinsames ARD-Experten-Duo. Der Umbruch verläuft schleppend: Neben Ex-Weltmeister Doll können im Optimalfall auch Johannes Kühn und Roman Rees auf das Podest laufen. Bundestrainer Mark Kirchner hofft auf einen „passablen Einstieg“. Euphorie klingt nach jeweils nur zwei Medaillen bei der WM 2021 in Pokljuka und bei Olympia anders. „Ich versuche bewusst, die Heim-WM nicht als etwas Besonderes wahrzunehmen“, sagte er dem BR.
Um den Gesamtweltcup dürften andere kämpfen: Johannes Thingnes Bö, viermaliger Peking-Sieger, greift nach seiner vierten großen Kristallkugel. Als größte Konkurrenten gelten Vorjahressieger Quentin Fillon Maillet (Frankreich), die Norweger Sturla Holm Laegreid und Vetle Sjaastad Christiansen sowie Sebastian Samuelsson (Schweden).
Herrmann-Wick will mitreden, wenn es in Oberhof um Gold, Silber und Bronze geht. Das Warm-up für den Saisonhöhepunkt beginnt einen Tag nach dem Männer-Auftakt am Mittwoch (13.15 Uhr/ARD und Eurosport) mit dem 15-km-Einzel. Bis Oberhof ist es dann nicht mehr weit. Im Putzschrank wäre noch Platz.