Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zeiten mit wenig Schlaf überstehen
Manchmal gönnt einem das Leben nicht genug erholsame Nachtruhe – Schlafmediziner geben Tipps für stressige Phasen
Vielleicht ist es das Baby, das mitten in der Nacht gefüttert werden will. Oder ein pflegebedürftiger Angehöriger, der zur Toilette muss. Oder der Wecker für die Frühschicht klingelt. Gründe, warum Menschen zu wenig Schlaf abbekommen, gibt es viele. Doch wie kommt man trotzdem gut durch die Woche?
„Stillzeit für die Mütter, Schichtarbeit, das sind alles Situationen im Leben, die haben mit gesundem Schlaf-Wach-Verhalten nichts zu tun“, sagt Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité. Immerhin: Langfristig gesundheitsschädlich sei wenig Schlaf aber erst, wenn es um Zeiträume von über fünf Jahren geht. Dann steigt beispielsweise das Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder für Diabetes.
Gefahren können von Schlafmangel aber sehr wohl ausgehen – wenn man sich übermüdet ins Auto setzt oder Maschinen bedient. Daher sollte man sie im Zweifel besser lassen, rät Dora Triché. Sie leitet das Schlaflabor am Klinikum Nürnberg. Schlaf sei der „Service für den Organismus“. Fehlt er, kann das ähnliche Symptome auslösen wie Alkoholgenuss, so die Schlafmedizinerin. Wir können uns schlechter konzentrieren, nicht mehr so schnell reagieren und sind leichter gereizt.
Tipp 1: Dank Nickerchen entspannen
In Phasen mit wenig Schlaf heißt es also: Ruhig mal einen Gang zurückschalten, wenn das denn möglich ist. Und gegen akute Müdigkeit auf kurze Nickerchen setzen. „Um danach drei bis vier Stunden erholt zu sein, reichen fünf, zehn, vielleicht auch 15 Minuten“, so Ingo Fietze. Triché rät gerade jungen Eltern, dafür ruhig auch mal andere Dinge zurückzustellen: „Nicht schnell die Wohnung putzen, sondern sich dann, wenn das Kind einschläft, selbst kurz zum Schlafen hinlegen“, sagt Triché, die Teil des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ist.
Auch wenn einem fast die Augen zuklappen, sollte man nicht vergessen, einen Wecker zu stellen. Denn länger als 30 bis 40 Minuten sollte das Schläfchen nicht ausfallen. Und besser vor 17 Uhr stattfinden, wenn man abends wieder ins Bett gehen will. Sonst besteht die Gefahr, dass man schlechter einschlafen kann. Und der Schlafmangel damit immer größer wird.
Tipp 2: Frische Luft und Licht tanken
Gut gegen Müdigkeit ist Bewegung an der frischen Luft. Dora Triché rät, direkt morgens nach dem Aufstehen rauszugehen – und zwar ohne Sonnenbrille. Denn das Sonnenlicht unterdrückt die Ausschüttung von Melatonin, das als einer der Taktgeber für den Schlaf-Wach-Rhythmus gilt.
„Damit wird man automatisch wacher“, sagt die Schlafmedizinerin. Wer sich in Innenräumen wachhalten will, sollte auf eine gute Beleuchtung achten. „Je heller, desto besser“, sagt Fietze. Bei Lampen sollte es dafür mindestens eine Beleuchtungsstärke von 500 Lux sein.
Tipp 3: Mit Koffein nachhelfen Natürlich kann auch eine Tasse Kaffee helfen, wach zu bleiben. Sie ist aber nicht unbedingt die beste Wahl, um schnell fit zu werden. Wie alle warmen Getränke mache sie erst mal müde, so Fietze. Die wach machende Wirkung des Koffeins setzt erst nach etwa 30 Minuten ein – und hält dann bis zu sieben Stunden. Eine langfristige Lösung, um gegen ein Schlafdefizit anzugehen, seien aber weder Kaffee noch Energydrinks.
Tipp 4: Schlafqualität erhöhen Auf Dauer ist es besser, auf eine gute Schlafhygiene achten. „Gerade, wenn man wegen äußerer Faktoren relativ wenig Schlaf abbekommt, ist es wichtig, dass der Schlaf gute Qualität hat“, so Triché. Hier hilft es, das Schlafzimmer kühl zu halten, für Ruhe zu sorgen und auf schwere Mahlzeiten und Alkohol vor dem Schlafengehen
zu verzichten. Sich noch mal richtig auszupowern, bevor es ins Bett geht, ist ebenfalls keine gute Idee. „Weil man dann Stresshormone ausschüttet und nicht so gut einschlafen kann“, so Triché.
Tipp 5: Den Schlaf clever planen Soweit es geht, sollte man auch in stressigen Phasen versuchen, den gewohnten Schlafrhythmus aufrechtzuerhalten. Schichtarbeitern rät Fietze deshalb, auch am Wochenende ganz normal am Familienleben teilzuhaben – und nicht darauf zu verzichten, nur weil man unter der Woche gewohnt ist, tagsüber zu schlafen. Besser sei es, sich dann abends wieder hinzulegen und zu schlafen. „Solange man an freien Tagen oder im Urlaub noch normal und gut schläft, ist die Welt vollkommen in Ordnung“, so der Schlafforscher. Klappt das nicht mehr, ist es ratsam, ärztliche Hilfe zu suchen.
Die gute Nachricht: Vorschlafen können Menschen zwar nicht. Verpassten Schlaf bis zu einem gewissen Maß nachholen, geht aber durchaus. Dora Triché rät jungen Eltern deshalb dazu, sich gut aufzuteilen, sodass jeder auch mal die Möglichkeit hat, durch- oder sogar auszuschlafen.