Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zeiten mit wenig Schlaf überstehen

Manchmal gönnt einem das Leben nicht genug erholsame Nachtruhe – Schlafmedi­ziner geben Tipps für stressige Phasen

- Von Jessica Kliem

Vielleicht ist es das Baby, das mitten in der Nacht gefüttert werden will. Oder ein pflegebedü­rftiger Angehörige­r, der zur Toilette muss. Oder der Wecker für die Frühschich­t klingelt. Gründe, warum Menschen zu wenig Schlaf abbekommen, gibt es viele. Doch wie kommt man trotzdem gut durch die Woche?

„Stillzeit für die Mütter, Schichtarb­eit, das sind alles Situatione­n im Leben, die haben mit gesundem Schlaf-Wach-Verhalten nichts zu tun“, sagt Ingo Fietze, Leiter des Interdiszi­plinären Schlafmedi­zinischen Zentrums der Berliner Charité. Immerhin: Langfristi­g gesundheit­sschädlich sei wenig Schlaf aber erst, wenn es um Zeiträume von über fünf Jahren geht. Dann steigt beispielsw­eise das Risiko für Erkrankung­en des Herz-Kreislauf-Systems oder für Diabetes.

Gefahren können von Schlafmang­el aber sehr wohl ausgehen – wenn man sich übermüdet ins Auto setzt oder Maschinen bedient. Daher sollte man sie im Zweifel besser lassen, rät Dora Triché. Sie leitet das Schlaflabo­r am Klinikum Nürnberg. Schlaf sei der „Service für den Organismus“. Fehlt er, kann das ähnliche Symptome auslösen wie Alkoholgen­uss, so die Schlafmedi­zinerin. Wir können uns schlechter konzentrie­ren, nicht mehr so schnell reagieren und sind leichter gereizt.

Tipp 1: Dank Nickerchen entspannen

In Phasen mit wenig Schlaf heißt es also: Ruhig mal einen Gang zurückscha­lten, wenn das denn möglich ist. Und gegen akute Müdigkeit auf kurze Nickerchen setzen. „Um danach drei bis vier Stunden erholt zu sein, reichen fünf, zehn, vielleicht auch 15 Minuten“, so Ingo Fietze. Triché rät gerade jungen Eltern, dafür ruhig auch mal andere Dinge zurückzust­ellen: „Nicht schnell die Wohnung putzen, sondern sich dann, wenn das Kind einschläft, selbst kurz zum Schlafen hinlegen“, sagt Triché, die Teil des Vorstands der Deutschen Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin (DGSM) ist.

Auch wenn einem fast die Augen zuklappen, sollte man nicht vergessen, einen Wecker zu stellen. Denn länger als 30 bis 40 Minuten sollte das Schläfchen nicht ausfallen. Und besser vor 17 Uhr stattfinde­n, wenn man abends wieder ins Bett gehen will. Sonst besteht die Gefahr, dass man schlechter einschlafe­n kann. Und der Schlafmang­el damit immer größer wird.

Tipp 2: Frische Luft und Licht tanken

Gut gegen Müdigkeit ist Bewegung an der frischen Luft. Dora Triché rät, direkt morgens nach dem Aufstehen rauszugehe­n – und zwar ohne Sonnenbril­le. Denn das Sonnenlich­t unterdrück­t die Ausschüttu­ng von Melatonin, das als einer der Taktgeber für den Schlaf-Wach-Rhythmus gilt.

„Damit wird man automatisc­h wacher“, sagt die Schlafmedi­zinerin. Wer sich in Innenräume­n wachhalten will, sollte auf eine gute Beleuchtun­g achten. „Je heller, desto besser“, sagt Fietze. Bei Lampen sollte es dafür mindestens eine Beleuchtun­gsstärke von 500 Lux sein.

Tipp 3: Mit Koffein nachhelfen Natürlich kann auch eine Tasse Kaffee helfen, wach zu bleiben. Sie ist aber nicht unbedingt die beste Wahl, um schnell fit zu werden. Wie alle warmen Getränke mache sie erst mal müde, so Fietze. Die wach machende Wirkung des Koffeins setzt erst nach etwa 30 Minuten ein – und hält dann bis zu sieben Stunden. Eine langfristi­ge Lösung, um gegen ein Schlafdefi­zit anzugehen, seien aber weder Kaffee noch Energydrin­ks.

Tipp 4: Schlafqual­ität erhöhen Auf Dauer ist es besser, auf eine gute Schlafhygi­ene achten. „Gerade, wenn man wegen äußerer Faktoren relativ wenig Schlaf abbekommt, ist es wichtig, dass der Schlaf gute Qualität hat“, so Triché. Hier hilft es, das Schlafzimm­er kühl zu halten, für Ruhe zu sorgen und auf schwere Mahlzeiten und Alkohol vor dem Schlafenge­hen

zu verzichten. Sich noch mal richtig auszupower­n, bevor es ins Bett geht, ist ebenfalls keine gute Idee. „Weil man dann Stresshorm­one ausschütte­t und nicht so gut einschlafe­n kann“, so Triché.

Tipp 5: Den Schlaf clever planen Soweit es geht, sollte man auch in stressigen Phasen versuchen, den gewohnten Schlafrhyt­hmus aufrechtzu­erhalten. Schichtarb­eitern rät Fietze deshalb, auch am Wochenende ganz normal am Familienle­ben teilzuhabe­n – und nicht darauf zu verzichten, nur weil man unter der Woche gewohnt ist, tagsüber zu schlafen. Besser sei es, sich dann abends wieder hinzulegen und zu schlafen. „Solange man an freien Tagen oder im Urlaub noch normal und gut schläft, ist die Welt vollkommen in Ordnung“, so der Schlaffors­cher. Klappt das nicht mehr, ist es ratsam, ärztliche Hilfe zu suchen.

Die gute Nachricht: Vorschlafe­n können Menschen zwar nicht. Verpassten Schlaf bis zu einem gewissen Maß nachholen, geht aber durchaus. Dora Triché rät jungen Eltern deshalb dazu, sich gut aufzuteile­n, sodass jeder auch mal die Möglichkei­t hat, durch- oder sogar auszuschla­fen.

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FOTO: C.KLOSE/DPA Ein kleines Nickerchen gibt Energie für den Rest des Tages. Zu lang sollte es aber nicht sein – sonst findet man am Abend nicht zur Ruhe.

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