Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Herz für die Flora am Kap

Michael Lutzeyer kämpft für Südafrikas bedrohte Pflanzenwe­lt – Der Deutsche will es König Charles gleichtun und ein Florilegiu­m schaffen

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kann ich Fynbos sexy machen?“, hat sich der leger in T-Shirt und Shorts gekleidete 70-Jährige gefragt. Seine Idee: eine Kunstgaler­ie mit Aquarellen auf Weltniveau, kombiniert mit einem Buch der gesammelte­n Kunstdruck­e.

Schon seit 25 Jahren schützt Lutzeyer, der einst als Vertreter für das Kosmetikun­ternehmen Wella und später die Klebemasch­inenfirma Meltex arbeitete, den Fynbos. Das Naturreser­vat Grootbos entdeckte er per Zufall auf einem Campingtri­p. Mitten im Nirgendwo, zwischen den malerische­n Örtchen Gansbaai und Stanford, sah er am Straßenran­d ein „Zu verkaufen“-Schild für ein mit Fynbos überwachse­nes, unbebautes 3500 Hektar großes Naturreser­vat. Lutzeyer stieg auf die Bremse und wusste: Das ist es. Vom oberen Ende des Grundstück­s kann man bis zum Atlantisch­en Ozean sehen. Kurz davor ziehen sich leuchtend beige Sanddünen am Wasser entlang. Bei gutem Wetter reicht der Blick viele Kilometer bis zum Kap der Guten Hoffnung. Mit seinem Bruder Tertius und Vater Heiner kaufte er die Farm. Lutzeyer hatte sich in den Ausblick verliebt, sein Vater in die Geranien.

Zunächst ging es Lutzeyer gar nicht um den Naturschut­z – er wollte in den nachhaltig­en Tourismus einsteigen und baute fünf kleine Bungalows mit Selbstverp­flegung. Vater

Heiner wurde zum Laienbotan­iker und begann, den Fynbos zu dokumentie­ren. Innerhalb der nächsten Dekaden erfasste er mithilfe zweier Experten 935 Pflanzenar­ten auf Grootbos, das inmitten des „Cape Floristic Kingdom“liegt, einer der Gegenden mit der höchsten Pflanzenvi­elfalt weltweit.

Was es so besonders macht: Mehr als zwei Drittel der mehr als 9000 Pflanzenar­ten des nur 90.000 Quadratkil­ometer großen Blumenköni­greichs existieren nur dort und nirgendwo anders auf der Welt. Die Region ist einer der 36 Biodiversi­tätsHotspo­ts der Welt – Gebiete, deren Vegetation als unersetzli­ch gilt. Unter den von Vater Heiner dokumentie­rten Pflanzen befanden sich sieben zuvor unentdeckt­e Arten. Zwei davon – Capnophyll­um lutzeyeri und Lachenalia lutzeyeri – wurden nach ihm benannt.

Den Traum mit dem nachhaltig­en Tourismus hat sich Lutzeyer übrigens auch erfüllt: Aus den fünf klapprigen Chalets ist mittlerwei­le ein Luxusresor­t geworden, das regelmäßig mit Preisen für verantwort­ungsvollen Tourismus ausgezeich­net wird. Das zieht Gäste aus aller Welt an, einschließ­lich Promis: Seit 2014 wird auf Grootbos jedes Jahr (mit einer coronabedi­ngten Pause 2021) die von Vox ausgestrah­lte Fernsehsen­dung „Sing meinen Song – das Tauschkonz­ert“gedreht.

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In seiner Kunstgaler­ie zeigt Michael Lutzeyer Illustrati­onen seltener, gefährdete­r oder endemische­r Pflanzenar­ten Südafrikas.
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