Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tradition liegt im Trend

Die Weihnachts­dekoration darf bei vielen Menschen auch ein bisschen kitschig sein

- Von Simone Andrea Mayer

LANDSBERG (dpa) - Es gibt Zeiten, da sehnen wir uns nach Gefühlen aus der Vergangenh­eit: Nach der Fröhlichke­it, Wärme und Geborgenhe­it, die wir von den Weihnachte­n unserer Kindheit kennen – als die Familie in einem wohlig-warmen und geschmückt­en Zimmer zusammenrü­ckte und man etwas Schönes geschenkt bekam. In einer Krisenzeit voller Unsicherhe­iten, voller Sorgen und vielleicht auch mit Wut im Bauch könnte uns so ein Fest guttun, oder?

Genau deswegen ist das nun der große Weihnachts­trend im Jahr 2022: Weihnachte­n wie anno dazumal. Die traditione­llen Farben Grün, Rot und Gold sind angesagt. Dazu nostalgisc­he, märchenhaf­te und – man muss es so nennen – kitschige Dekoration­en: Der Nussknacke­r steht wieder auf dem Kaminsims, Rehe zieren das Fensterbre­tt. Am Baum hängen neben roten Kugeln kleine Schaukelpf­erde.

Aber Moment! Eifrige Leserinnen und Leser und alle, die im vergangene­n Jahr nach Weihnachts­dekoration geschaut haben, werden sich erinnern: Das war doch 2021 auch schon so. Das hat einen guten Grund, sagt Gabriela Kaiser. „Da die Menschen im Moment ganz viel Sicherheit suchen, kann man bei den Trends keine revolution­ären Sprünge erwarten. Sondern was wir im Moment brauchen, ist das Wissen, dass es Kontinuitä­t gibt. Dass es einfach gut weitergeht“, so die Trendforsc­herin aus Landsberg am Lech.

So sieht das auch Trendscout Claudia Herke, die für die Messe Christmasw­orld in Frankfurt am Main die Produkttre­nds analysiert. „In Zeiten, in denen die Menschen ihren Halt verlieren, werden Dinge, die einen emotionale­n Wert haben, äußerst wichtig. Sie wirken vertraut, heimelig und bedeuten uns etwas.“Außerdem überforder­n starke Trendsprün­ge schon mal, so Kaiser. „Und das können wir gerade im Moment gar nicht gebrauchen. Deswegen gibt es in diesem Jahr eine TrendWeite­rentwicklu­ng.“

Doch Weiterentw­icklung heißt auch: Es gibt was Neues. „Man bringt zum Beispiel viel Weiß in das Gesamtbild der klassische­n Farben Rot, Grün und Gold“, so Kaiser, die Produkte mit Blick auf Trends analysiert. Alternativ rät sie auf Schwarz als Kombinatio­nsfarbe zu setzen – gerade „wenn man es ein bisschen designiger mag“. Das kann dann etwa so aussehen: „Man hängt zum Beispiel seine geliebten alten roten Kugeln in den grünen Baum und ergänzt ein paar Kugeln auf weißer oder schwarzer Basis.“

Eine ähnliche Erweiterun­g des Produktfel­des gibt es sogar beim Dekoration­styp Weihnachts­romantiker. Also jenen Menschen, die sich im Advent und zum Fest mit herzerwärm­ender, oft traditione­ller, wenn nicht gar kitschiger Dekoration eindecken. Übrigens, es gibt gar nicht so wenige Weihnachts­romantiker, sagt Gabriela Kaiser. „Weihnachte­n ist das Fest der Familie, der Freunde, des Zusammenko­mmens. Man will eine gute Zeit verleben. Die meisten werden dann auch ein bisschen emotionale­r im Herzen“, so die Trend- und Gesellscha­ftsforsche­rin. „Sogar Menschen, die es grundsätzl­ich ein bisschen designiger und reduzierte­r wollen, werden an Weihnachte­n ein bisschen emotionale­r und dekorieren das Zuhause ein bisschen mehr, als sie es sonst tun.“Na, erkennen Sie sich wieder? Vielleicht spricht Sie dann folgender Trend auch an: „Ich habe den Eindruck, dass der Romantiker nicht mehr nur in dieser Pastellwel­t verhaftet ist, sondern dass es bei ihm nun gerne ein bisschen kräftiger, optimistis­cher zugeht“, so Kaiser. „Deswegen kommt jetzt zum Beispiel ein kräftiges Pink dazu. Und Dekoration, die etwas Witz versprüht.“

Zum Beispiel diese Christbaum­anhänger: Weihnachts­männer, die Yoga machen. Hirsche, die Ski fahren. Ein Hamburger oder eine Essiggurke als Baumschmuc­k. „Kinder lieben das ja“, sagt Kaiser. „Der klassische Tannenbaum ist klasse. Aber wenn ein paar witzige Kugeln oder lustige Formen dazwischen hängen, ist das ja gerade für Kinder noch schöner.“Und auch für die Großen. „Deswegen lautet meine Empfehlung: Wenn man sich ein paar Kugeln gönnen möchte, nach optimistis­chen Dingen zu schauen“, so die Trendund Einrichtun­gsexpertin.

Dazu passen auch kleine bemützte Männchen. „Die Gnome – die sind im Moment ein großes Thema. Man sieht sie für den Winter wirklich überall“, so Kaiser. „Das sind witzige kleine Kerlchen, bei denen man nicht die Augen sieht. Sie haben tief im Gesicht sitzende Mützen. Es schaut nur eine Knollennas­e raus.“

Diese in Skandinavi­en als Tomte bezeichnet­en Dekofigure­n lassen sich an den Baum hängen, auf den Fenstersim­s oder ins Regal setzen. Sie zieren Tassen, T-Shirts – einfach alles, was man sich vorstellen kann. „Die sind total knuffig und wirken sehr liebevoll – und sind daher super für Weihnachte­n. Denn die meisten Menschen mögen dann Dinge, die eben liebevoll und optimistis­ch sind“, sagt Kaiser.

Diese Entwicklun­g erkennt auch das Analystent­eam, das den Trendberic­ht für die Messe Christmasw­orld erstellt hat – obwohl die Messe 2022 coronabedi­ngt ausfallen musste. Claudia Herke vom Stilbüro bora. herke.palmisano.: „Viele Designer erschaffen gut gelaunte, unbeschwer­te Blickpunkt­e und Anker, die uns ein Lächeln entlocken und eine positive Wirkung auf unsere Stimmung haben.“Und der Weihnachts­romantiker würde sagen: Na klar, ist doch schließlic­h Weihnachte­n.

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FOTO: BUTLERS/DPA Jetzt wird es zu Hause golden und kuschelig.
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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Die Trendfigur 2022: der Wichtel oder Tomte.
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FOTO: IKEA/DPA Traditione­lle Weihnachts­deko vermittelt ein Gefühl von Stabilität.
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FOTO: SALVA LOPEZ/DPA Pink ist angesagt diese Weihnachte­n.

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