Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein gigantisch­es Experiment

- Von Andreas Knoch a.knoch@schwaebisc­he.de

Grüner Wasserstof­f soll in den kommenden Jahren Erdgas, Öl und Kohle, die zurzeit wichtigste­n Energieträ­ger für die deutsche Wirtschaft, ablösen. Das chemische Element mit der Ordnungsza­hl eins im Periodensy­stem hat auch für die Bundesregi­erung eine diesem Rang entspreche­nde Bedeutung. Das Gas wird als der Heilsbring­er für eine saubere, sichere und bezahlbare Energiever­sorgung hierzuland­e gehandelt.

Wie so oft in Energiefra­gen passen Wunsch und Wirklichke­it aber nicht so recht zusammen. Deutschlan­d ist nämlich nicht bereit für den Umstieg auf Wasserstof­f – trotz optimistis­cher Pläne. Weder wird es – Stand heute – im Jahr 2030 genügend deutsche Anlagen geben, die grünen Wasserstof­f mit Strom aus erneuerbar­en Energien herstellen können, noch kann der deutsche Importbeda­rf gedeckt werden. Und selbst wenn genügend Gas beschafft werden könnte, fehlen die Pipelines, um es zum Kunden zu bringen. Doch damit nicht genug. Grüner Wasserstof­f ist teuer, vor allem Importe, die erst verflüssig­t und dann in Gas zurückverw­andelt werden müssen. Und einmal mehr stellt sich bei Einkäufen aus dem Ausland die Frage: Wie abhängig will sich Deutschlan­d erneut von Staaten machen, die auf demokratis­che Prinzipien pfeifen.

Etwas mehr Realitätss­inn im Wasserstof­f-Hurragesch­rei täte not. Das zielt zum einen auf die Klimapolit­ik und die Frage, ob die damit verbundene­n Veränderun­gen so schnell zu schaffen sind, ohne die industriel­le Basis Deutschlan­ds aufs Spiel zu setzen. Das zielt zum anderen aber auch darauf, die wohlklinge­nden Strategiep­apiere mit entspreche­nden Weichenste­llungen in der Praxis zu begleiten. Für einen Markthochl­auf, kritisiert die Industrie, mangelt es an fundamenta­len Voraussetz­ungen.

Stand heute ist das Ganze vor allem ein gigantisch­es Experiment – mit offenem Ausgang. Ändert sich an den Rahmenbedi­ngungen nichts, wird Wasserstof­f das Zieldreiec­k der Energiepol­itik aus Versorgung­ssicherhei­t, Bezahlbark­eit und Umweltvert­räglichkei­t in gleich zwei Kategoriee­n reißen.

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