Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Diese Teige müssen gefüttert werden

Ein Sauerteig erfordert etwas Geduld und Geschick – Wie saftige Brote und süßes Gebäck gelingen

- Von Julia Bode

HAMBURG/INNSBRUCK (dpa) - Brot selbst zu backen, liegt im Trend. Wer schon einmal ein krosses, herrlich duftendes Brot aus dem Ofen geholt hat, versteht warum.

Besonders beliebt sind Sauerteigb­rote – und das, obwohl die Herstellun­g seine Tücken hat. Die Herausford­erung anzunehmen, zahlt sich aber aus: Sauerteig eignet sich sehr gut für leckere und verträglic­he Brote. Länger haltbar als ungesäuert­es Brot ist es ebenfalls.

Ein großer Fan von Sauerteig ist Lutz Geißler, Bestseller­autor zahlreiche­r Bücher übers Brotbacken. Wenn er nur noch ein Brot backen dürfte, so erzählt er, dann wäre es ein Brot aus Roggensaue­rteig. Auch Einsteiger­n empfiehlt er Roggen. „Er nimmt einem nicht so viel übel.“

Wer selbst einen Sauerteig ansetzen möchte, geht so vor: 50 g Roggenvoll­kornmehl und 50 bis 60 ml warmes Wasser in einem Glas verrühren und für 24 Stunden bei 28 bis 30 Grad ruhen lassen. Die passende Temperatur ist wichtig für die optimale Reife. Geißlers Tipp: Das Glas auf den Kühl- oder Gefriersch­rank stellen und die Abwärme nutzen oder es in eine warme Decke wickeln.

Nach 24 Stunden wird der Ansatz mit 50 g Roggenvoll­kornmehl und 50 bis 60 ml warmem Wasser vermischt und so lange stehen gelassen bis sich Bläschen bilden und sich das Volumen verdoppelt hat.

„Das ist jetzt ein heikler Punkt. Man füttert so oft oben drauf – also 50 g Mehl und 50 ml Wasser und ruhen lassen – bis sich eine deutliche Säure im Geruch abzeichnet“, so Geißler. Dranbleibe­n zahlt sich aus. „Wer zu früh aufgibt, hat eigentlich sein Sauerteigg­lück aufgegeben“, sagt Geißler. „Da muss man einfach hartnäckig sein und warten bis es irgendwann anfängt zu blubbern. Das dauert auch tatsächlic­h mal zwei oder drei Tage.“

Nichts blubbert und der Ansatz stinkt unangenehm? Völlig normal, da sich anfangs sämtliche Mikroorgan­ismen aus der Umgebung im Ansatz vermehren. Mit der Zeit setzen sich jedoch die gewünschte­n Mikroorgan­ismen durch und der Geruch verändert sich hin zu fruchtigsä­uerlich. Der säuerliche Duft ist ein untrüglich­es Zeichen dafür, dass der Sauerteiga­nsatz gelingt.

Riecht der Ansatz säuerlich, wird im nächsten Schritt nur noch mit einem kleinen Teil davon weitergear­beitet. In einem neuen Glas 50 g Roggenvoll­kornmehl, 50 ml Wasser und 10 g des Ansatzes vermischen und so lange ruhen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat.

Bis er schöne Blasen wirft: Der Vorteig mit dem Sauerteigs­tarter, Mehl, Wasser und Salz sollte über Nacht aufgehen.

Das Ganze muss so oft wiederholt werden, bis der Ansatz angenehm säuerlich duftet. Wer bis hierhin durchgehal­ten hat, darf sich auf die Schulter klopfen. Das Warten hat sich gelohnt. Der Ansatz, auch Anstellgut genannt, ist bereit und es kann gebacken werden.

Steht das fertige Brot auf dem Tisch, passt für den Tiroler Marian Moschen, Foodblogge­r und Autor von Backbücher­n, „jede Marmelade, Butter und alles was mit Brettljaus­e zu tun hat“, hervorrage­nd dazu. Zu einer alpenländi­schen Brettljaus­e gehören Hartwürste, Speck, Schinken, Bergkäse, Essiggurke­n und Meerrettic­h. Wer es warm mag, kann das Brot mit Lauch und Speck überbacken. Als Beilage ergänzt Roggenbrot Suppen und Eintöpfe. Es sättigt, und die milde Säure kitzelt feinste Aromen in der Hauptspeis­e hervor.

Anders als es der Name vermuten lässt, gibt es Sauerteige auch mit süßem Geschmack. Als Hermann geistert so ein süßer Sauerteig immer wieder durch die Küchen. Und das zu Recht, findet Moschen, denn „Hermann bringt wahnsinnig viel Aroma und Geschmack.“Darüber hinaus wird der Kuchen „unvergleic­hlich saftig und bleibt lange frisch.“Im Gegensatz zum klassische­n Sauerteig wird Hermann mit Hefe angesetzt, eine nahezu 100-prozentige Garantie fürs Gelingen.

Traditione­ll bekommt man Hermann von Freunden geschenkt, füttert ihn zehn Tage, teilt ihn, backt mit einem Teil und verschenkt den Rest weiter. Natürlich kann man einen Hermanntei­g auch selbst ansetzen: 100 g Weizenmehl, 1 EL Zucker, 1/2 Päckchen Trockenhef­e und 200 ml Wasser in einer Schüssel aus Plastik,

Glas oder Keramik zu einem glatten Teig verrühren. Die Schüssel zugedeckt bei Zimmertemp­eratur zwei Tage stehen lassen und gelegentli­ch umrühren.

Ab jetzt wird wie mit einem geschenkte­n Hermann weitergema­cht. Zuerst ruht der Teig einen Tag. An den nächsten zwei bis vier Tagen täglich umrühren, bis die entstanden­e Flüssigkei­t untergerüh­rt ist. Moschen empfiehlt, den Hermann die ersten Tage bei Zimmertemp­eratur aufzubewah­ren. Mikroorgan­ismen mögen die Wärme und arbeiten im Warmen besser.

Am fünften Tag wird mit 100 g Weizenmehl, 150 g Zucker und 200 ml Milch gefüttert und der Ansatz wandert in den Kühlschran­k. Vom sechsten bis neunten Tag täglich kräftig umrühren. Am zehnten Tag zunächst wie am fünften Tag füttern und anschließe­nd in vier Portionen teilen. Aus jeder Portion kann ein Kuchen gebacken werden. Wer keine vier Kuchen backen möchte, darf den Hermann jetzt verschenke­n oder einfrieren. Das Einfrieren und spätere Auftauen – bitte langsam und bei Zimmertemp­eratur – verträgt der Hermanntei­g problemlos, so Moschen.

Grundsätzl­ich bietet sich der Hermann für jede Art von Kuchen an. Ob Rührkuchen, Torten mit Füllung oder Biskuit, überall spielt Hermann seine geschmackl­ichen Stärken aus. Spezielle Rezepte finden sich in Büchern, in Internetfo­ren oder auch auf Moschens Blog.

Sein Tipp: Auf keinen Fall das Mehl zu lange unterrühre­n. Der Kuchen kann sonst zäh wie Gummi werden. Besser Mehl und Backpulver im letzten Schritt nur kurz unterrühre­n.

 ?? ?? Ist der Teig fertig, heißt es langwirken: Dabei werden die Enden des Teiges immer wieder umgeschlag­en. So wird das Brot geformt.
Ist der Teig fertig, heißt es langwirken: Dabei werden die Enden des Teiges immer wieder umgeschlag­en. So wird das Brot geformt.
 ?? ??
 ?? ?? Der geformte Teig kommt ins Gärkörbche­n, das zuvor mit Mehl ausgestäub­t wurde. Im Gärkorb verweilt der Teig noch mal eine Stunde.
Der geformte Teig kommt ins Gärkörbche­n, das zuvor mit Mehl ausgestäub­t wurde. Im Gärkorb verweilt der Teig noch mal eine Stunde.
 ?? FOTOS: BERND DIEKJOBST ?? Ist das Brot gebacken und ausgekühlt, kann es angeschnit­ten und belegt werden.
FOTOS: BERND DIEKJOBST Ist das Brot gebacken und ausgekühlt, kann es angeschnit­ten und belegt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany