Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zu Besuch bei Mittelblocker Marcus Böhme
Der gebürtige Berliner kam 2020 zurück an den See und hat 295 Mal für die deutsche Mannschaft gespielt
FRIEDRICHSHAFEN - Mit 37 Jahren ist Marcus Böhme der älteste Volleyballspieler im Häfler Trikot. Mit seiner Erfahrung spielt er eine wichtige Rolle beim VfB Friedrichshafen. Abseits des Volleyballfelds ist er eher ein ruhiger Typ und liebt es, mit seiner Freundin Larissa gemeinsam zu kochen.
Beim VfB Friedrichshafen wie auch bei anderen Clubs und Sportarten ist es üblich, dass die Spieler eine Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Spielerwohnungen sind ähnlich wie eine Ferienwohnung mit wenig persönlichen Dingen eingerichtet. Nicht so bei Marcus Böhme und seiner Freundin Larissa. Die beiden haben viel Zeit damit verbracht, sich die Dreizimmerwohnung gemütlich einzurichten. Marcus Böhme hat 295 Mal für die Deutsche Nationalmannschaft gespielt und fast wäre er dem Ruf des neuen DVV-Cheftrainers Michał Winiarski gefolgt. „Aber es hat nicht mehr genügend in den Fingern gejuckt“, erklärt er, warum er sich dagegen entschieden hat. 16 Jahre Doppelbelastung mit Nationalmannschaft und Verein und gerade mal drei Wochen Pause im Sommer sollten reichen.
Stattdessen nahm er mit Freundin Larissa das Projekt Umzug in Angriff. Zunächst in ihrer Leipziger Wohnung Überflüssiges entsorgen und bei Marcus’ Eltern in Berlin schauen, was von seinen deponierten Sachen an den See soll. „Wir haben mehrere Fuhren gebraucht, bis wir alles in Friedrichshafen hatten“, sagt er. Fehlende Möbel haben die beiden über E-Bay-Kleinanzeigen gekauft und dabei kuriose Geschichten erlebt. „Unseren Esszimmertisch haben wir sogar geschenkt bekommen“, schildert Böhme und erzählt von einer netten Begegnung, bei der sich herausstellte, dass sie mit Dirk Mehlberg, Böhmes Teamkollegen aus Berliner Zeiten, einen gemeinsamen Bekannten haben.
Die Türrahmen sind eindeutig zu niedrig für den 2,12-Meter-Mann. Da heißt es Kopf einziehen, wenn er von einem Zimmer ins andere will. „Das kenne ich, seit ich 15 bin“, sagt er und lacht. Die Größe hat durchaus Vorteile. Eine Treppenleiter sucht man vergeblich, denn zum Glühbirnen wechseln oder Gardinen aufhängen muss Marcus Böhme nicht mal auf die Zehenspitzen gehen. Die Einrichtung und Dekoration überlässt der Mittelblocker gerne seiner Freundin, weil „sie dafür das bessere Händchen hat“.
In der Küche arbeiten die beiden Hand in Hand. „Wir nehmen uns vor, mindestens einmal am Tag gemeinsam zu kochen“, verrät er. Das klappt nicht immer, weil sich Trainingszeiten oder Spiele nur bedingt mit den Arbeitszeiten seiner Freundin vereinbaren lassen, die als Sonderpädagogin bei der Stiftung Liebenau beschäftigt ist.
Bei seinen früheren Stationen in Italien (San Giustino), Türkei (Istanbul), Polen (Lubin), Griechenland (Piräus) und Russland (Dynamo Lo) hat er viele unterschiedliche Kulturen und Gerichte kennengelernt. Seitdem werden besonders häufig türkische Rezepte ausprobiert. Gesunde Ernährung hat einen hohen Stellenwert im Leben des Sportlers. „Raffinierten Zucker, Softdrinks, Fastfood und Schweinefleisch habe ich schon lange gestrichen“, sagt er.
In großen Städten hätte er bis zu vier Stunden am Tag gebraucht, um zum Training und wieder zurück zufahren. In Friedrichshafen sind die Fahrwege kürzer und die Spieler haben dementsprechend mehr Freizeit. Die verbringt Marcus Böhme gerne mit seiner Fotoausrüstung in der Natur oder bei einem Buch im Café, um vom Volleyball abzuschalten.
So regeneriert er für seinen Beruf – das Volleyballspielen. Denn das Ziel hat er klar vor Augen: Am Ende der Saison drei Finalspiele gewinnen. „Ein Titelgewinn ist der Lohn für eine lange Saison. Das ist es, wofür man viel Zeit investiert und bezahlt wird.“
Wie lange er seine Karriere fortsetzt, ist noch offen. Sein Vertrag läuft bis Sommer 2024. Dann ist auch seine Freundin mit ihrem Referendariat als Sonderpädagogin fertig. „Ideen habe ich viele, aber noch konzentriere ich mich voll auf Volleyball“, meint Marcus Böhme.