Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wie der Teufel in die Fasnet kam
Professor Werner Mezger blickt auf die kulturellen Hintergründe der fünften Jahreszeit
TETTNANG - Das Landschaftstreffen in Tettnang wirft seinen Schatten voraus. Und während Ende Januar in der Hopfenstadt richtig Fasnet gelebt werden wird, widmete sich Referent Werner Mezger jetzt in der Volksbank Tettnang den kulturellen Hintergründen der fünften Jahreszeit.
Dort sprach der frühere Freiburger Uniprofessor für Kulturanthropologie und Ethnologie und ausgewiesener Fastnachtsexperte im vollen Foyer über „Fastnacht und Karneval: Ein Brauch – zwei Gesichter“. Eingeladen hatte die Narrenzunft Tettnang.
„Es gibt zwei Formen der Narretei“, begann Werner Mezger. Dies seien die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht und der Rheinische Karneval. Schaue man auf Pressefotos, sei ein klarer Unterschied zu erkennen. Doch die privaten Bildergalerien unterschieden sich nicht so sehr, sagte der Experte. Fastnacht, der Tag vor der Fastenzeit, sei dazu da gewesen, Dampf abzulassen: „Es wurden vor allem Unmengen Fleisch konsumiert, da dies in der Fastenzeit verboten war.“
Mit der Zeit seien Bräuche aus Italien mit Teufelsmaske und -häs eingeflossen und der Wirtschaftsbrauch habe sich zur „civitas diaboli“, zum Teufelsstaat, gewandelt. „Von den Kirchen wurde die Entwicklung der Fastnacht zum ausgelassenen Volksfest mit der Zeit immer kritischer beobachtet“, sagte Mezger.
Um die Wende vom 15. bis 16. Jahrhundert sei der Narr als Leugner Gottes mit Schellen, Ohren und Hahnenkamm ins Spiel gekommen, erzählte Mezger. Eva sei zur Narrenmutter geworden und der Narr habe sich zu Aschermittwoch als Tod demaskiert.
Im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts habe sich die Fastnacht im süddeutschen Raum dann durch italienische Einflüsse gewandelt. Aus dem Narren wurde der Harlekin, Bajazzo oder Domino. Der Begriff Karneval entstand in Anlehnung an das italienische „carne vale“, was „Lebe wohl, Fleisch“bedeutet.
Brüche habe es in der Reformationszeit gegeben. Da es in evangelischen Gebieten keine Fastenzeit mehr gab, sei die Fastnacht dort nahezu ganz verschwunden. In katholischen Landschaften wurde die Fastnacht zunehmend zotiger und exzessiver gefeiert. Der württembergische König Friedrich habe der Fastnacht dann ein Totalverbot erteilt.
Am Anfang des 19. Jahrhundert habe sich niemand mehr getraut, Fasnacht zu feiern. Die Masken und Häser wurden versteckt. Nach schwierigen Zeiten, versuchte man in Köln und auch in Rottweil, die alte Reichsstadtherrlichkeit wieder entstehen zu lassen. Fastnacht wurde zu Karneval, die alten Stadtsoldatenuniformen wurden angezogen, es gab Umzüge mit geladener Prominenz. Köln und Süddeutschland standen in regem Austausch. Doch der Süden wollte nicht Komparse und Statist der Reichen sein. Die einfachen Leute holten ihre alten Kostüme wieder hervor. So entstand in Süddeutschland die Abkehr vom Rheinischen Karneval zur Fastnacht. sagte Werner Mezger.
Danach lebte der Kontakt zu Köln wieder auf und man merkte, was man aneinander hat. Vom Wesen her erkannten die Akteure viele Gemeinsamkeiten. Es seien zwei verschiedene Ausdrucksformen des gleichen Brauchtums, betonte Mezger: „Zwei Gesichter, die sich in die Augen blicken können. Nicht um sich zu vermischen, dazu sind sie zu verschieden.“
Angesprochen hat Mezger auch die Ideologieanfälligkeit von Themenumzügen. So habe etwa die braune Gesinnung im sogenannten Dritten Reich großen Einfluss auf die Fastnacht ausgeübt. Beispielsweise war man der Meinung, „Fastnacht“hätte eher mit Gefasel zu tun und machte kurzerhand „Fasnacht“daraus.
Für die Gäste gab es nach riesigem Beifall noch die Möglichkeit zu einem Austausch und einen Imbiss mit Getränken. Auf „den hellen Wahnsinn” das neue Narrenbier, muss indes noch ein wenig gewartet werden.
„Von den Kirchen wurde die Entwicklung der Fastnacht zum ausgelassenen Volksfest mit der Zeit immer kritischer beobachtet“,
Weitere Informationen und Hintergründe gibt es auch im Internet unter www.virtuelles-fastnachtsmuseum.de