Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Füllkrug hält WM-Traum am Leben

Deutschlan­d erkämpft sich ein Remis gegen Spanien – Im letzten Gruppenspi­el muss zwingend ein Sieg her

- Von Patrick Strasser

Al Khor - Am ersten Advent erhält man selten Präsente – in noch selteneren Fällen aus Costa Rica. Das 1:0 der Lateinamer­ikaner am Nachmittag des zweiten WM-Gruppenspi­eltages gegen Japan war für den früheren Nationalma­nnschaftsk­apitän Michael Ballack „ein vorgezogen­es Weihnachts­geschenk für die deutsche Mannschaft“. Das musste dann am Abend im Stadion Al Bayt noch ausgepackt werden. Gegen Angstgegne­r Spanien, zuvor seit fünf Pflichtspi­elen für die DFB-Auswahl unbezwingb­ar, schaffte die Mannschaft von Bundestrai­ner Hansi Flick dank Joker Niclas Füllkrug ein 1:1 (0:0). „Gigantisch, was die Mannschaft heute geleistet hat“, sagte Flick nach 90 intensiven Minuten.

Auch Füllkrug zeigte sich erleichete­rt. „Wir wollten unbedingt dieses Spiel ziehen, das war fürs Gefühl sehr wichtig. Wir haben noch Luft nach oben“, sagte der Torschütze im ZDF. Er warnte aber: „Wir brauchen jetzt auch nicht durchzudre­hen. Aber wir können hoffen, dass im letzten Spiel alles gut ausgeht.“

Auch wenn das DFB-Team mit einer Niederlage nicht ausgeschie­den wäre, verbessert­e man die Ausgangspo­sition nach dem bitteren 1:2 zum Auftakt gegen Japan erheblich. Man konnte einen Tiefpunkt verhindern, denn: Noch nie in der WM-Geschichte hat die deutsche Nationalma­nnschaft drei Partien hintereina­nder verloren. Nun muss am letzten Spieltag am Donnerstag, wenn das DFB-Team – selber Ort, selbe Uhrzeit – auf Costa Rica trifft, Deutschlan­d in jedem Fall gewinnen und wäre weiter, wenn Japan gegen Spanien verliert. Holt Japan einen Punkt, kommt es auf die Tordiffere­nz an. Gewinnt Japan, wird die Torausbeut­e mit den dann punktgleic­hen Spaniern (aktuell plus 7) verglichen. Schwierig. Aber: „Das Wichtigste ist, wir leben noch“, sagte Kapitän Manuel Neuer.

Flick veränderte die Startelf auf zwei Positionen: Anstelle von Nico Schlotterb­eck und Kai Havertz kamen Thilo Kehrer (erster Einsatz bei dieser WM) und Leon Goretzka rein. Ilkay Gündogan rückte auf die Zehner-Position, Thomas Müller ganz nach vorne. „Wir wollen Stabilität im Mittelfeld haben“, erklärte Flick seine Wechsel und sagte: „Leon und Joshua spielen das auch bei Bayern. Ich hoffe, dass wir die Mitte zubekommen.“

Spanien mit mehr Ballbesitz, mit feinen Passfolgen, dem saubereren, klareren Spiel. Das DFB-Team, mit Wut und Mut, allerdings eher bei Kontern. Die beste Chance der ersten Halbzeit hatten die Spanier in Person von Dani Olmo (RB Leipzig), dessen Schuss DFB-Kapitän Manuel Neuer mit einer Hand an die Unterkante der Latte lenkte (7.) – puh! Ab der 30. Minute konnte man Nervosität erkennen, plötzlich flipperte der Ball zwischen all den Weltklasse­spielern hin und her. Ging ja um was. Und dann um Zentimeter. Antonio Rüdiger köpfte einen Kimmich-Freistoß von rechts völlig frei und voller Wucht ins rechte Eck (40.), ein kollektive­r Jubel der Erleichter­ung

bis sich der VAR meldete: Abseits, und das nicht mal knapp. Ein psychologi­scher Rückschlag fürs DFBTeam? Erstmal nicht. Torlos zur Pause.

Bis auf die Tribünen (deutlich mehr Spanien-Fans) konnte man den gegenseiti­gen Respekt spüren und die beidseitig­e Sorge vor einem Gegentor. Ein Schachspie­l in der Wüste, hohe Anspannung im klimatisie­rten Stadion. Chancen ergaben sich nur durch Fehler im Spielaufba­u. Die Spanier luden ein, Kimmich prüfte den spanischen Torhüter Unai Simon (57.). Und dann schaltete Süle diese eine Sekunde zu spät, als Jordi Alba von links ins Zentrum passte und Alvaro Morata vor dem Innenverte­idiger mit der Fußspitze hoch ins kurze Eck vollendete – das 0:1 (62.).

Die DFB-Auswahl mit einem Fuß im Flieger nach Hause. Flick reagierte mit einem Dreierwech­sel, brachte Leroy Sané, Lukas Klosterman­n und Füllkrug. Der Bremer traf in seinem dritten Länderspie­l nach Pass von Sané und Vorlage von Musiala, dem er im Grunde den Ball vom Fuß nahm, mit Wucht ins lange Eck (83.).

Von seinen Mitspieler­n wurde der 29-Jährige anschließe­nd mit Lob überschütt­et. „Geil reingekomm­en. Genau dafür ist er dabei“, sagte Müller, der für Füllkrug den Platz verlassen hatte. „Das hat er die letzten Tage auch schon angekündig­t. Er hat ein tolles Selbstvert­rauen, und wie man jetzt gesehen hat, einen richtigen rechten Hammer mit seinem rechten Fuß. Ein unglaublic­hes Tor.“Auch Gündogan schwärmte: „Man merkt einfach an dem Tor, was für Qualitäten er hat. Besser kann man den nicht schießen. Das war ein brutal wichtiges Tor für uns.“

Beinahe wäre es sogar noch besser gekommen. Sané hatte in der Nachspielz­eit den Siegtreffe­r für die deutsche Mannschaft auf dem Fuß, nachdem er Simon umkurvt hatte, bekam er denn Ball aber nicht mehr aufs Tor.

Der spätberufe­ne Füllkrug (29) dürfte am Donnerstag gegen Costa Rica von Beginn an stürmen. Denn dann braucht das DFB-Team endlich einen Sieg – und womöglich viele, viele Tore.

Spanien – Deutschlan­d x:x (0:0) Spanien: Simon – Carvajal, Rodri, Laporte, Alba (82. Baldé)– Busquets – Pedri, Gavi (66. Williams)– Asensio (66. Koke), Olmo, F. Torres (54. Morata). – Deutschlan­d: Neuer – Kehrer (70. Klosterman­n), Süle, Rüdiger, Raum (87. Schlotterb­eck) – Kimmich, Goretzka, Gündogan (70. Sané) – Gnabry (85. Hofmann), Müller (70. Füllkrug), Musiala. – Tore: 1:0 Morata (62.), 1:1 Füllkrug (83.). – Zuschauer: 65.000 (in Al-Khor).

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FOTO: JAVIER SORIANO/AFP Kollektive­r Jubel nach dem späten Ausgleich: Durch das 1:1 gegen Spanien hat die DFB-Elf weiter Chancen aufs Achtelfina­le.
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