Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Füllkrug hält WM-Traum am Leben
Deutschland erkämpft sich ein Remis gegen Spanien – Im letzten Gruppenspiel muss zwingend ein Sieg her
Al Khor - Am ersten Advent erhält man selten Präsente – in noch selteneren Fällen aus Costa Rica. Das 1:0 der Lateinamerikaner am Nachmittag des zweiten WM-Gruppenspieltages gegen Japan war für den früheren Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack „ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für die deutsche Mannschaft“. Das musste dann am Abend im Stadion Al Bayt noch ausgepackt werden. Gegen Angstgegner Spanien, zuvor seit fünf Pflichtspielen für die DFB-Auswahl unbezwingbar, schaffte die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick dank Joker Niclas Füllkrug ein 1:1 (0:0). „Gigantisch, was die Mannschaft heute geleistet hat“, sagte Flick nach 90 intensiven Minuten.
Auch Füllkrug zeigte sich erleichetert. „Wir wollten unbedingt dieses Spiel ziehen, das war fürs Gefühl sehr wichtig. Wir haben noch Luft nach oben“, sagte der Torschütze im ZDF. Er warnte aber: „Wir brauchen jetzt auch nicht durchzudrehen. Aber wir können hoffen, dass im letzten Spiel alles gut ausgeht.“
Auch wenn das DFB-Team mit einer Niederlage nicht ausgeschieden wäre, verbesserte man die Ausgangsposition nach dem bitteren 1:2 zum Auftakt gegen Japan erheblich. Man konnte einen Tiefpunkt verhindern, denn: Noch nie in der WM-Geschichte hat die deutsche Nationalmannschaft drei Partien hintereinander verloren. Nun muss am letzten Spieltag am Donnerstag, wenn das DFB-Team – selber Ort, selbe Uhrzeit – auf Costa Rica trifft, Deutschland in jedem Fall gewinnen und wäre weiter, wenn Japan gegen Spanien verliert. Holt Japan einen Punkt, kommt es auf die Tordifferenz an. Gewinnt Japan, wird die Torausbeute mit den dann punktgleichen Spaniern (aktuell plus 7) verglichen. Schwierig. Aber: „Das Wichtigste ist, wir leben noch“, sagte Kapitän Manuel Neuer.
Flick veränderte die Startelf auf zwei Positionen: Anstelle von Nico Schlotterbeck und Kai Havertz kamen Thilo Kehrer (erster Einsatz bei dieser WM) und Leon Goretzka rein. Ilkay Gündogan rückte auf die Zehner-Position, Thomas Müller ganz nach vorne. „Wir wollen Stabilität im Mittelfeld haben“, erklärte Flick seine Wechsel und sagte: „Leon und Joshua spielen das auch bei Bayern. Ich hoffe, dass wir die Mitte zubekommen.“
Spanien mit mehr Ballbesitz, mit feinen Passfolgen, dem saubereren, klareren Spiel. Das DFB-Team, mit Wut und Mut, allerdings eher bei Kontern. Die beste Chance der ersten Halbzeit hatten die Spanier in Person von Dani Olmo (RB Leipzig), dessen Schuss DFB-Kapitän Manuel Neuer mit einer Hand an die Unterkante der Latte lenkte (7.) – puh! Ab der 30. Minute konnte man Nervosität erkennen, plötzlich flipperte der Ball zwischen all den Weltklassespielern hin und her. Ging ja um was. Und dann um Zentimeter. Antonio Rüdiger köpfte einen Kimmich-Freistoß von rechts völlig frei und voller Wucht ins rechte Eck (40.), ein kollektiver Jubel der Erleichterung
bis sich der VAR meldete: Abseits, und das nicht mal knapp. Ein psychologischer Rückschlag fürs DFBTeam? Erstmal nicht. Torlos zur Pause.
Bis auf die Tribünen (deutlich mehr Spanien-Fans) konnte man den gegenseitigen Respekt spüren und die beidseitige Sorge vor einem Gegentor. Ein Schachspiel in der Wüste, hohe Anspannung im klimatisierten Stadion. Chancen ergaben sich nur durch Fehler im Spielaufbau. Die Spanier luden ein, Kimmich prüfte den spanischen Torhüter Unai Simon (57.). Und dann schaltete Süle diese eine Sekunde zu spät, als Jordi Alba von links ins Zentrum passte und Alvaro Morata vor dem Innenverteidiger mit der Fußspitze hoch ins kurze Eck vollendete – das 0:1 (62.).
Die DFB-Auswahl mit einem Fuß im Flieger nach Hause. Flick reagierte mit einem Dreierwechsel, brachte Leroy Sané, Lukas Klostermann und Füllkrug. Der Bremer traf in seinem dritten Länderspiel nach Pass von Sané und Vorlage von Musiala, dem er im Grunde den Ball vom Fuß nahm, mit Wucht ins lange Eck (83.).
Von seinen Mitspielern wurde der 29-Jährige anschließend mit Lob überschüttet. „Geil reingekommen. Genau dafür ist er dabei“, sagte Müller, der für Füllkrug den Platz verlassen hatte. „Das hat er die letzten Tage auch schon angekündigt. Er hat ein tolles Selbstvertrauen, und wie man jetzt gesehen hat, einen richtigen rechten Hammer mit seinem rechten Fuß. Ein unglaubliches Tor.“Auch Gündogan schwärmte: „Man merkt einfach an dem Tor, was für Qualitäten er hat. Besser kann man den nicht schießen. Das war ein brutal wichtiges Tor für uns.“
Beinahe wäre es sogar noch besser gekommen. Sané hatte in der Nachspielzeit den Siegtreffer für die deutsche Mannschaft auf dem Fuß, nachdem er Simon umkurvt hatte, bekam er denn Ball aber nicht mehr aufs Tor.
Der spätberufene Füllkrug (29) dürfte am Donnerstag gegen Costa Rica von Beginn an stürmen. Denn dann braucht das DFB-Team endlich einen Sieg – und womöglich viele, viele Tore.
Spanien – Deutschland x:x (0:0) Spanien: Simon – Carvajal, Rodri, Laporte, Alba (82. Baldé)– Busquets – Pedri, Gavi (66. Williams)– Asensio (66. Koke), Olmo, F. Torres (54. Morata). – Deutschland: Neuer – Kehrer (70. Klostermann), Süle, Rüdiger, Raum (87. Schlotterbeck) – Kimmich, Goretzka, Gündogan (70. Sané) – Gnabry (85. Hofmann), Müller (70. Füllkrug), Musiala. – Tore: 1:0 Morata (62.), 1:1 Füllkrug (83.). – Zuschauer: 65.000 (in Al-Khor).