Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aufgewacht vom Alptraum

Messi kündigt nach Sieg und Tor einen WM-Neuanfang für Argentinie­n an

- Von Jens Marx und Miriam Schmidt

LUSAIL (dpa) - Weinende Trainer, tanzende Spieler und eine Liebeserkl­ärung für Lionel Messi. „Argentinie­n ist aufgewacht“, schrieb die Zeitung „Pagina12“. Der Alptraum ist vorerst abgewendet. „Jetzt haben wir es wieder in der Hand“, betonte Messi und rief den WM-Neuanfang für den Titelmitfa­voriten aus Südamerika mit einer Warnung an den kommenden Gegner, Polen mit Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i, aus. „Wir werden das Spiel anders angehen“, betonte Messi – anders als das mühevolle und lange Zeit zähe 2:0 gegen Mexiko im Lusail-Stadion von Katar.

Eine weitere Niederlage nach dem 1:2 vier Tage zuvor gegen Außenseite­r Saudi-Arabien und Argentinie­n wäre raus gewesen. „Die Familie leidet, die Freunde leiden“, sagte Trainer Lionel Scaloni nach dem Spiel zwischen „Erwartung, Angst, Euphorie und Erleichter­ung“, wie „La Capital“schrieb. Scalonis Assistent Pablo Aimar nahm das alles so mit, dass er nach dem 1:0 von Messi in der 64. Minute schluchzen­d auf der Bank saß. 2006 bei der WM in Deutschlan­d hatte er noch mit dem mittlerwei­le 35 Jahre alten Superstar der Argentinie­r zusammenge­spielt.

„Es ist sehr emotional, die Jungs spielen zu sehen“, erklärte Scaloni, auch einst Profi und Nationalsp­ieler des fußballver­rückten und stolzen Landes. Nun steht es vor einer weiteren Nervenprob­e am Mittwoch, wenn der ehemalige Star des FC Barcelona, Messi, auf den aktuellen Barça-Star, Lewandowsk­i, trifft. Und der mehrfache Weltfußbal­ler aus Argentinie­n auf den noch aktuellen aus Polen, der seinen ersten WM-Treffer beim 2:0 gegen Saudi-Arabien vor dem Argentinie­n-Sieg nicht weniger ergreifend erlebt hatte. „Ich glaube, je älter man wird, desto emotionale­r wird man.“Lewandowsk­i ist 34 Jahre alte, Messi 35. Am Sonntag starteten beide in die Vorbereitu­ng für den Weltfußbal­ler-Gipfel.

Und der Maestro der Argentinie­r wirkte befreit wie selten. „Gleicher Ort, andere Energie“, beschrieb „La Nacion“das Training nach dem Sieg über Mexiko auf dem Campus der Uni von Katar, bei dem Messi mal plaudernd gut gelaunt am Rand saß oder über den Platz schritt und den Moment genoss.

„Vamos!“, hatte Messi der himmelblau-weißen Fan-Wand nach seinem zweiten Tor bei dieser WM entgegenge­schrien und den Jubelgesan­g nach dem Spiel dirigiert. „Argentinie­n schlägt Mexiko mit der Hand

Messis“, titelte „La Capital“in Reminiszen­z an die Hand Gottes, an Diego Maradona, dessen zweiten Todestag die Argentinie­r am Vortag der sportliche­n WM-Erlösung von Katar kollektiv betrauert hatten. Eine Freude wollten sie ihm bereiten, von wo auch immer Maradona zuschauen würde. Er hätte seinen Spaß gehabt. 2010 hatte er als Trainer im Achtelfina­le mit den Argentinie­rn Mexiko mit 3:1 geschlagen. Diesmal lieferte Scaloni ab, nachdem er fast die halbe Mannschaft ausgetausc­ht hatte.

„Wir wissen, dass wir einen wichtigen Schritt gemacht haben, aber uns ist bewusst, dass ein weiterer folgen muss, um das erste Ziel zu erreichen“, sagte Messi, der jeden Mitspieler einzeln umarmte nach dem Schlusspfi­ff. „Das Wichtigste ist, dass wir ihm immer helfen“, betonte sein langjährig­er Sturmkolle­ge Ángel di María.

Und es war in der Tat auffällig, wie alle sich für und mit dem Kapitän freuten, dem nach dem Gewinn der Copa América nur noch der WM-Triumph zur finalen Krönung seiner einzigarti­gen Karriere fehlt. Gewinnt Argentinie­n auch gegen Polen (4 Punkte), sind die Südamerika­ner im Achtelfina­le. Bei einem Remis sind sie vom Ausgang des Spiels zwischen Saudi-Arabien (3) und Mexiko (1) abhängig. Doch erst einmal wollten sich alle nur freuen. Sie tanzten auf den Bänken in der Umkleideka­bine, sie hüpften auf dem Boden und auf dem Tisch. Messi machte den Maestro und alle intonierte­n seinen Lieblings-Fangesang, in der es in einer Zeile heißt: „Ich will den dritten (Titel) gewinnen, ich will Weltmeiste­r werden.“

Die Tage seien lang gewesen nach der Niederlage gegen die Saudis, betonte Messi. Es war die erste Pleite der Argentinie­r nach zuvor 36 ungeschlag­enen Spielen. Als Mitfavorit waren sie auch deshalb angereist. Zum Seelentros­t hatte Trainer Scaloni seinen gebeutelt-deprimiert­en Profis Familienbe­such gegönnt. „Vamos Argentina!!“, schrieb Messis Frau Antonela Roccuzzo nach dem Sieg gegen Mexiko zum Foto unter anderem mit den drei Söhnen. Und alle im Argentinie­n-Trikot mit der Nummer des berühmten Vaters, von dem wieder einmal Wohl und Wehe der argentinis­chen Nationalma­nnschaft bei einer WM abhängt. Sein Treffer gegen Mexiko war sein achtes WM-Tor im 21. Spiel – gegen Polen wird er Maradona bei der Anzahl der Spiele überholen, trifft er, wird er es auch bei den Toren tun.

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FOTO: MICHAEL ZEMANEK/IMAGO Von Lionel Messi (li.) ist eine große Last abgefallen. Sein Tor gegen Mexiko feierte der argentinis­che Superstar euphorisch.
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